Stefan Rochow

Journalist und Medienunternehmer, Schwerin

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Artikel

Nervöse Wahlkämpfer

Thomas de Maiziere ist als Bundesinnenminister auf Umsetzbarkeit bedacht, als CDU-Politiker aber auch am Wahlkampfgetöse beteiligt.

Die CDU präsentiert sich jetzt als die Partei der inneren Sicherheit. Von Stefan Rochow


 Am Freitag haben die CDU-Innenminister in ihrer „Berliner Erklärung“ die Grundzüge ihrer Vorstellung von Sicherheitspolitik vorgestellt. In Zeiten muslimischer Einwanderung und der Angst vor terroristischen Anschlägen wollen die Unionsminister ein Zeichen in der Öffentlichkeit setzen: Die CDU ist die Partei der inneren Sicherheit.

Der Zeitpunkt der Erklärung war nicht zufällig gewählt: Im September stehen die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin ins Haus, und da möchte man gerne noch einmal auf der „Law & Order“-Klaviatur spielen. Zwar wird der Zusammenhang zwischen dem Papier und den Wahlen hartnäckig geleugnet, ungelegen dürfte die Erklärung den beiden CDU-Spitzenkandidaten Lorenz Caffier und Frank Henkel nicht kommen. „Ich bin sehr zufrieden mit diesem Beschluss. Die Berliner Erklärung gibt eine kluge und deutliche Antwort auf die Sicherheitslage“, sagt Berlins Innensenator Henkel. Durch die geforderten Maßnahmen, so der Tenor der Unionsinnenminister, sollen „Deutschland noch sicherer gemacht, Integrationshemmnisse beseitigt und der Zusammenhalt in Deutschland gestärkt werden“. Schaut man genauer in die Erklärung, dann findet man dort viel Härte und ein wenig Burkashow.


Insbesondere die Diskussion um ein ursprünglich angedachtes Burkaverbot hat für Diskussionsstoff gesorgt. Ursprünglich hatten gerade die wahlkämpfenden Innenressort-Chefs in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin das Burkaverbot gefordert und waren damit beim Bundesinnenminister Thomas de Maiziere abgeblitzt. Die allermeisten Verfassungsjuristen hielten ein Komplettverbot der Vollverschleierung nicht vereinbar mit dem Grundgesetz. Daher hat man sich nun auf einen Kompromiss geeinigt: Vollverschleierung soll nur für bestimmte Bereiche wie „Kitas, Schulen und Hochschulen, im Gericht, bei Melde- und Standesämtern sowie bei Pass- und Verkehrskontrollen, bei Demonstrationen und im Straßenverkehr“ verboten werden. „Vollverschleierung beeinträchtigt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie sendet die falschen Signale, denn wir wollen eine offene, kommunikative Gesellschaft. Und sie steht mit ihrer frauenverachtenden Symbolik im Widerspruch zur Gleichberechtigung und Würde der Frau“, betonte Bundesinnenminister de Maiziere. 


In der Realität dürften solche Verbote aber keine Rolle spielen, nicht zuletzt angesichts der niedrigen Zahl an Burkaträgerinnen in Deutschland. Bisher hat es noch nie einen Fall gegeben, bei dem eine Frau, die im öffentlichen Dienst eingestellt werden sollte, eine Burka tragen wollte. Das räumte auch de Maiziere ein. Wer mit deutschen Behörden zu tun hat, muss in der Regel auch heute schon eindeutig identifizierbar sein. Vieles ist hier also mehr Schein als Sein. Burka-Debatte überlagert die heikle Debatte um Überwachung und Grundrechte. Der politische Sprengstoff in der Berliner Erklärung liegt ganz woanders.

In dem Kapitel „Sicherheit“ schlagen die Unionsminister Maßnahmen vor, die hellhörig machen müssen. So fordert das Papier eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung. Die Speicherdauer von Verbindungsdaten soll danach von heute zehn Wochen auf sechs Monate erhöht werden. Nachrichtendienste sollen zukünftig mehr Befugnisse erhalten. Das findet nicht überall Zustimmung.



So hat FDP-Chef Christian Lindner die Unionspläne zur inneren Sicherheit als „teilweise nutzlos und teilweise für rechtsstaatlich maßlos“ bezeichnet. Gegenüber der „Tagespost“ konkretisierte Lindner seine Bedenken: „Die geplante Nutzung der Daten aus der Vorratsdatenspeicherung durch Geheimdienste wäre ein Tabubruch. Sie würde unsere Sorge bestätigen, dass die Schwelle für die Nutzung einmal erhobener Daten immer weiter abgesenkt werden soll“, so der FDP-Chef. Fraglich bleibt auch, ob die geplanten Maßnahmen tatsächlich dazu beitragen, potenzielle Attentäter früh zu identifizieren. Das bezweifelt etwa der Islamismus-Experte Ahmad Mansour.



Die vorgelegten Sicherheitsvorschläge der Unionsminister kommen nicht über die Struktursicht hinaus, bedeuten aber einen Angriff auf die Grundrechte: Sicherheit geht hier vor Freiheit, eine Richtung, die sich seit Jahren immer mehr verschärft. Das letzte große Anti-Terrorpaket ist gerade erst beschlossen, die Ausweitung der Geheimdienstbefugnisse des BND auf dem Weg. Viele alte Sicherheitsgesetze sind noch nicht einmal auf ihre tatsächliche Wirksamkeit hin untersucht worden. Deutschland hat offenbar kein Defizit an Gesetzen, sondern ein Defizit am Vollzug dieser Gesetze. Hier müsste man wohl ansetzen, bevor neue Gesetze auf den Weg gebracht oder neue Forderungen aufstellt werden. In der Berliner Erklärung ist dazu nichts zu finden.



Anders als der Maßnahmenkatalog, den der Bundesinnenminister vor zwei Wochen vorstellte, zielt die Berliner Erklärung nicht auf sofortige Umsetzbarkeit, sondern gleicht einer Wunschliste der CDU. Am Ende wirkt die ganze Erklärung dann doch wie Wahlkampfgetöse. Sicherheitsgefühl schafft man mit von nervösen Wahlkämpfern inszenierten Debatten nicht.

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