Stefan Feinig

Autor, Publizist, Redakteur

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8 Philosophinnen, die du kennen solltest - The Wild Golden Egg

Slavoj Žižek oder Jordan Peterson? Philosophie erweckt den Eindruck, reine Männersache zu sein. Doch das ist nicht der Fall. Das Problem ist nur, dass weibliche Philosophinnen einfach zu selten sichtbar gemacht werden. Daher haben wir hier eine Liste von Philosophinnen für euch, die ihr kennen solltet. Für eine Vertiefung zu dem Thema empfehlen wir das Buch Philosophinnen: Herausragende Frauen der Philosophiegeschichte.

1. Diotima (ca. 400 v.u.Z.)

Diotima? Noch nie gehört? Diotima von Mantineia ist eine der wenigen Frauen, die in den platonischen Dialogen auftauchen. Zugegeben tritt sie nicht selbst in Erscheinung, sondern Sokrates erzählt von ihr. Und wie! Denn Sokrates schildert, wie er von Diotima Weisheit lernen durfte. Sie habe ihn in einer Art zu denken geschult, die später als Sokratische Methode bekannt wurde. „Ein Austausch von Argumenten, bei dem eine Person durch eine Reihe von Fragen zu ihren Ansichten oder Definitionen dazu gebracht wird, diese möglicherweise zu ändern.", bringt es die Rechtsgelehrte Philosophin Zoi Aliozi knapp auf den Punkt. Bedeutet, dass Sokrates praktisch gesteht, eine seiner größten philosophischen Errungenschaften von ihr gelernt zu haben.


Obwohl noch unklar und nicht geklärt, ob Diotima eine wirkliche historische Figur oder doch eher ein Stilmittel Platons ist, wird diese Philosophin mehr und mehr erforscht - man darf auf neue Ergebnisse gespannt sein.


2. Hypatia (ca. 350 bis 415)

Wenn man an die antike Philosophie denkt, stellen sich die Meisten alte, bärtige Männer in Togen vor, die, lebhaft und umkreist vom Volk, über recht abstrakte Dinge philosophieren. An eine Frau, die, umgeben von Menschenmassen, ihre groundbreaking ideas zum Besten gibt, daran denkt vermutlich niemand. Doch genau das war Hypatia von Alexandria. Sie war Mathematikerin, Astronomin und Philosophin und ist die erste weibliche Denkerin, zu der es verlässliche historische Quellen gibt. Laut einem Historiker aus dem 5. Jahrhundert soll Hypatia „alle Philosophen ihrer Zeit bei Weitem übertroffen haben." Auch heute noch strahlt ihr Ruhm nach, denn vermutlich als einzige philosophierende Person, gibt es sogar einen Hollywood-Blockbuster über sie.


3. Mary Astell (1666 - 1731)

Mary Astell ist auch unter den weiblichen Denkerinnen ein wahrer Underdog. Im Vergleich zu allen anderen Philosophinnen ihrer Zeit, stammte Astell nämlich nicht aus dem Adel. Ihr Vater war ein Kohlehändler und aufgrund ihrer Klassenzugehörigkeit wurde ihr somit keine richtige Bildung zuteil. Als der Vater in ihrem zwölften Lebensjahr verstarb, wurde ihr Leben nicht einfacher. Im Gegensatz zu den meisten Frauen ihrer Zeit entschied sie sich bewusst dazu, allein zu leben und niemals zu heiraten.


Wenn man bedenkt, wie patriarchal die Gesellschaft damals strukturiert war - zu heiraten war für eine Frau praktisch überlebenswichtig - ist diese Entscheidung eine äußerst mutige.. Sie knüpfte jedoch Freundschaften mit anderen intellektuellen Frauen, die sie unterstützten. In ihren Texten geht es um die benachteiligten Positionen der Frau in einer von Männern dominierten Welt, die vermutlich niemand so hart am eigenen Leib erleben musste wie Astell selbst.


4. Mary Wollstonecraft (1759 - 1797)

Wer mit Feminismus und Geschlechterforschung vertraut ist, dem ist diese Philosophin natürlich ein Begriff. Wollstonecraft ist vor allem für ihren Einsatz für Frauenrechte und die Forderung nach einer radikalen Bildungsreform bekannt. Auch wenn die Anerkennung dafür eher neu ist. Denn zu Lebzeiten war sie hauptsächlich für ihre Schriften berühmt. Wie kaum jemand sonst weiß Wollstonecraft, wie toxische Männlichkeit in ihrer Reinform aussieht.

Ihr Vater war ein Trinker und Schläger, der ihre Mutter regelmäßig schlug.


Nebenbei sorgte er auch noch mit seiner Spielsucht dafür, dass die Familie in die Armut abrutschte. Vor allem das Thema Bildung spielt bei Wollstonecraft eine Rolle und so plädiert sie bereits in ihrem ersten Buch für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Bildung. Vor allem in Bezug auf das abstrakte Denken. Diese außergewöhnliche Denkerin engagierte sich Zeit ihres Lebens für Bildungsthemen und beweist auch anhand ihrer eigenen Biographie, wie wichtig das Thema Bildung ist.


5. Harriet Taylor Mill (1807 - 1858)

Harriet Taylor Mill veröffentlichte zu Lebzeiten zahlreiche Texte zu den Themenbereichen Ehe, Frauenrechte, weibliche Bildung und Macht der Gesellschaft über den Einzelnen. Den Fokus legte sie vor allem auf die Moral- und Glücksvorstellungen von Frauen zu jener Zeit. Vor allem ihre Trennung des biologischen Geschlechts zum sozialen Geschlecht war revolutionär. Sie zeigt wie Gender in den Frauen von Geburt an verankert ist und daher als soziales Konstrukt zu sehen ist.


In ihren gesellschaftlichen Analysen identifizierte Taylor Mill auch Kernelemente dessen, was wir heutzutage unter dem Begriff Patriarchat verstehen. Vor allem die Verfügungsgewalt von Ehemännern über ihre Ehefrauen, sowie die Machtstrukturen der Gesellschaft, die den Einzelmenschen erst formen, standen im Mittelpunkt ihrer Kritik.


6. Hannah Arendt (1906 - 1975)

Nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA ist Hannah Arendt schlagartig wieder bekannter geworden. Denn die englische Übersetzung ihres politischen Buches Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (Ersterscheinung 1951) war 2016 kaum mehr zu bekommen. Ausverkauft! Vermutlich hat man sich wieder an Arendts Weitsicht erinnert, denn bevor es den meisten Experten klar wurde, sagte diese schon voraus, dass die Nazis an die Macht kommen würden.


Auch wenn sie sich als Philosophin bezeichnete sind vor allem ihre Werke über Politik und das politische Leben bekannt und immer noch so aktuell wie eh und je. Vor allem ihr schon erwähntes Hauptwerk arbeitet noch heute gültige Dynamiken heraus, wie totalitäre Regierungen Macht erlangen. Außerdem schildert sie eindrucksvoll, wie Menschen ihrer sozialen und politischen Identität beraubt werden. Eigentlich ein Klassiker, der in jeder Schule gelesen werden sollte.


7. Simone de Beauvoir (1908 - 1986)

Simone de Beauvoir ist vor allem für ihr philosophisches Hauptwerk bekannt: Das andere Geschlecht. Eines der meistverkauften Bücher in der Geschichte der Philosophie. Im Grunde eine, nach wie vor aktuelle Abhandlung darüber - obwohl schon 1949 erschienen - wie Frauen durch die patriarchalen Strukturen erst zu „Frauen" gemacht werden, und Männern unterworfen werden, nur um deren Wünsche zu befriedigen, anstatt frei zu sein und ihre eigenen zu verwirklichen.


Doch nicht nur ihre Philosophie, sondern auch ihre Literatur ist ein anschaulicher Beweis dafür, wie Fiktion und Philosophie verschmelzen können. Aber auch dafür, wie das Intellektuelle mit dem Unterhaltenden verbunden wird und dennoch äußerst intelligente Geschichten entstehen. Geschichten, die dazu in der Lage sind auf literarische Weise komplexe soziale und zwischenmenschliche Dynamiken zu entlarven. Ihre Romane sind wirklich Werke, mit denen man lernen kann, sich selbst besser zu verstehen und vor allem, zu reflektieren.


8. Angela Davis (1944 - heute)

Angela Davis ist eine der symbolträchtigsten Protagonistinnen der Black-Power-Bewegung aus den 1970er Jahren und der Neuen Linken. Sie hat ihr Leben lang daran gearbeitet, „das Ausmaß der Unterdrückung durch den kapitalistischen Staat in den USA zu ergründen und zu beschreiben", wie die Professorin für Recht und Philosophie Anita L. Allen erklärt. Ihre Forschungen und ihr politisches Engagement zentriert sich auf die Ausgestoßenen der Gesellschaft: Schwarze, Frauen, Arme und Machtlose.


Genauso wichtig wie ihr politisches Engagement ist aber auch ihr wissenschaftlicher Beitrag zum Thema Kapitalismuskritik. In ihrem Werk stellt sie unter anderem. eine Verbindung zwischen Antirassismus, Gleichberechtigung der Geschlechter und Abschaffung der Gefängnisse her.


Mehr Philosophinnen, die man kennen sollte findet ihr in dem schon erwähnten Buch: Philosophinnen: Herausragende Frauen der Philosophiegeschichte.


In der Serie "Unlearning patriarchy" verlernen wir uns beigebrachte Geschichte und lernen sie aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Das Schreiben einer gemeinsamen „We-Story" beginnt damit die alten Geschichten zu verlernen. Sanft, freundlich und vor allem mit dem Vorsatz wenig zu werten. Article Podcast
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