Den Pullover hat Jamal Amar* als Beweisstück aufgehoben. Hellblau, aus dünner Wolle. Am Rücken sind graue Farbspuren zu sehen. "Dort hat mein Chef seine schmutzigen Hände an mir abgewischt", sagt Jamal Amar. Obwohl direkt vor ihm ein Lappen hing, habe der Chef dafür lieber den Pullover seines Angestellten verwendet.
Jamal Amar stammt aus Mali und kam im Jahr 2014 nach Deutschland. Er bekam ein Visum, lernte Deutsch, baute sich allein ein neues Leben auf. Im Jahr 2019 beginnt der 29-jährige schließlich eine neue Arbeitsstelle in einem Berliner Metallverarbeitungsbetrieb, in dem er Maschinenteile anfertigt und lackiert. "Am Anfang habe ich mich über den Job gefreut." Doch schon nach wenigen Wochen habe sein Chef begonnen, sich über ihn lustig zu machen, ihn zu beschimpfen und zu diskriminieren. Amar sagt, sein Chef habe ihn als "bekloppt" bezeichnet, "Papagei" genannt und behauptet, "der schwarze Mann" mache seine Maschinen kaputt. Häufig musste Jamal Amar Überstunden machen. Sein Chef sei cholerisch gewesen, habe ihn immer wieder angeschrien und beschuldigt, schlecht zu arbeiten. Jamal Amar solle seinen Job endlich ordentlich machen, man sei hier ja "nicht in Afrika".
Für Amar wird die Arbeit zu einer Tortur. "Es gab Tage, an denen ich dachte, ich kann heute nicht zur Arbeit gehen. Ich konnte einfach nicht mehr." Trotzdem hält er die Beleidigungen seines Chefs acht Monate lang aus. Denn Amar hat ein Arbeitsvisum. Seine Angst: Ohne Job wird das Visum nicht verlängert und er muss Deutschland verlassen. Also arbeitet er weiter.
Die Angst, den Job zu verlieren, ist großAllein bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gingen im Jahr 2019 rund 1.176 Beratungsanfragen zum Thema Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft ein. In über 300 Fällen davon ging es um Diskriminierung am Arbeitsplatz. Die Zahl der Anfragen steigt seit Jahren. Dennoch ist laut Antidiskriminierungsstelle davon auszugehen, dass sich nur ein Bruchteil der Betroffenen Hilfe sucht - und die Dunkelziffer damit sehr viel höher liegt.
"Rassistische Diskriminierung im Arbeitsumfeld ist ein weit verbreitetes Problem", sagt Shemi Shabat, der das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB) leitet, das Betroffene von Diskriminierung berät. Wer bei seiner Arbeit Diskriminierungserfahrungen mache, fühle sich oft besonders hilflos, sagt Shabat. "Im Job besteht ein Abhängigkeitsverhältnis. Die Leute sind auf ihre Arbeit angewiesen." Die Angst, den Job zu verlieren, ist groß. Und macht es Betroffenen schwer, sich gegen Diskriminierung zu wehren.
Auch Moussa Dao* hat sich lange nicht gewehrt. Der 28-Jährige ist ebenfalls aus Mali geflohen. Seit acht Jahren wohnt er nun in Deutschland. Am Anfang sei Deutschland für ihn ein Paradies gewesen, sagt Moussa Dao. "Ich habe mich sehr wohl und sicher hier gefühlt." In Berlin fand Dao eine Ausbildungsstelle in einem Malerbetrieb, der Gebäude und Innenräume verspachtelt und streicht. Dort erfuhr Dao zum ersten Mal . Seine Kollegen hätten sich abfällig über seine Hautfarbe und Herkunft geäußert. Leute wie Moussa Dao kämen doch nur nach Deutschland, weil sie Geld wollten. Moussa Dao arbeite wie "ein Affe". Moussa Dao stinke.
Einmal, erzählt Moussa Dao, habe ihn ein Kollege im Pausenraum gefragt, wie lange er in Deutschland bleiben wolle. "Solange es geht", sagte er. "Bis zur Rente?" "Ja, bis zur Rente." Daraufhin habe sein Kollege geantwortet, so erinnert sich Dao: "Ich hoffe, du hast vorher einen Unfall und stirbst, damit du keine Rente hier bekommst." "Ich bin danach auf die Toilette gegangen und habe geweint", sagt Dao.