Roboter sprechen Recht, Automaten ersetzen Advokaten. Ein Gespräch mit dem britischen Anwaltsschreck Richard Susskind über die Digitalisierung des Rechtsgeschäfts.
B Herr Susskind, Sie sagen das Ende des Anwaltsberufs voraus: Wer, bitte, soll künftig Erbverträge aufsetzen, Eheleute und Mörder vor Gericht vertreten?
Bis Anwälte überflüssig werden, wird es ja noch 30, 40 Jahre dauern. Aber schon 2030 wird das Rechtswesen nichts mehr mit jener Welt gemein haben, wie wir sie aus Grisham-Romanen kennen oder aus Fernsehserien wie „Suits“ und „The Good Wife“ …
B … die mit der Wirklichkeit auch wenig zu tun haben.
Die Digitalisierung und die Fortschritte auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz werden den Anwaltsberuf von Grund auf verändern und den Bedarf an Anwälten selbst erheblich senken. Nicht Köpfe, sondern Programme werden Rechtsprobleme lösen.
B Um Gottes willen, kommt jetzt auch noch der Google-Advokat?
Es werden jedenfalls nicht mehr nur Anwälte Rechtsdienste anbieten, sondern auch Technikunternehmen.
B Aber die müssten sich, weil sie weder von Sozial- und Rechtsnormen noch von Moral und Ethik etwas verstehen, auf standardisierte Prozesse beschränken, wie Bußgeldverfahren.
Ich kenne diesen Einwand, Anwälte sagen mir auch immer: „Online-Gerichtsverfahren könnten bei einfachen Delikten vielleicht funktionieren, aber nicht bei wirklich großen Fällen.“
B Denn vor Gericht zählen auch Einfallsreichtum, Erfahrung und Überzeugungskraft.
Wie gesagt, Ihre Argumente kommen mir bekannt vor – und in allen Branchen wurden sie widerlegt. Zunächst hat sich die Technik bei wenig komplexen Aufgaben durchgesetzt, um dann doch alle Teile zu erfassen. Und letztendlich geht es ja auch darum, was die Kunden wollen: Technik macht Rechtsberatung billiger, sie demokratisiert den Zugang zum Rechtssystem und bietet Konzernen fortschrittlichere Lösungen. Warum sollte man einen Anwalt bezahlen, dessen Tagessatz höher ist als der Streitwert, um den es geht?
B Weil es ums Recht geht?
Und warum sollte ein Unternehmen 30 Anwälte dafür bezahlen, Hunderttausende Dokumente zu prüfen, wenn ein gutes Programm und ein einziger Anwalt das für ein Zehntel der Kosten übernehmen könnten?
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Zuerst erschienen in BILANZ 04/2016.
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