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Es sollte nur noch darum gehen, ihnen das Handwerk zu legen

Seit Pegida auf die Straße geht, gibt es einen deutlichen Anstieg bei Anschlägen auf Asylbewerberheime

Bei der rassistischen Vereinigung Pegida zeigen sich die Abgründe Deutschlands. Ihre großen Tage sind zwar vorbei, aber sie hat den Rechtsextremismus wieder salonfähig gemacht. Ein Kommentar.

Seit Herbst 2014 fürchten sich verwirrte Menschen in Deutschland vor der Islamisierung des Abendlandes. Wer genau wann und wie die Idee hatte, aus einem solchen Hirngespinst gleich einen Verein zu machen, ist nicht klar. Aber am meisten Angst hatte wohl ein vorbestrafter Schwerstkrimineller namens Lutz Bachmann.

Er gründete am 11. Oktober 2014 eine geschlossene Gruppe auf Facebook namens „Friedliche Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Er protestierte damit gegen eine Solidaritätskundgebung für die PKK und deren bewaffneten Kampf gegen den Islamischen Staat (IS). Die Gründung von Pegida basiert somit im Prinzip darauf, dass Bachmann sich gegen den Kampf gegen den IS positionieren wollte. Das ist so blöd, das kann man sich nicht ausdenken.

Bachmann gilt damit als Initiator der rassistischen Vereinigung Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) und ist bis heute ihr Vorsitzender.

Am 20. Oktober 2014 standen also die ersten Patrioten in Dresden zusammen, riefen rechtsradikale Parolen und feierten ihr Recht auf rassistische „Meinungsäußerung". Und weil in ganz Deutschland weiße Rassist*innen nur darauf gewartete haben, endlich ihr wahres Wesen auch in der Öffentlichkeit zeigen zu dürfen, sich mit Gleichgesinnten in immer extremere Höhen von abartigen rechtsradikalen Forderungen (inklusive Hitlergrüße, „Wollt ihr den totalen Krieg?"-Sprechchöre und Tiraden über „Migrantenschweine") zu steigern, gab es Pegida bald in vielen größeren Städten in Deutschland.

Die Liste der Menschen, die sich über die Jahre seit der Gründung als Pegida-Akteure feiern ließen, liest sich wie ein Who-is-who rechtsextremer und teils vorbestrafter Totalausfälle. Götz Kubitschek, Martin Sellner, Akif Pirinçci, Jürgen Elsässer, Michael Stürzenberger und viele weitere „politische" Möchtegerns, die Angst um die weiße Herrenrasse und deren Vorherrschaft haben.

Natürlich ist es einfach peinlich und traurig, wenn wir heute vereinzelte Pegidioten*innen auf Plätzen stehen sehen, die verzweifelt die Deutschland-Fahne schwenken und nach einer Bühne für ihr Nazi-Gehabe suchen. Die großen Tage von Pegida sind vorbei.

Aber: Pegida hat den Rechtsextremismus in Deutschland in die breite Öffentlichkeit getragen und wieder salonfähig gemacht. Die islam- und menschenfeindliche, völkische und rassistische Ideologie liegt längst in den Händen von Politiker*innen. Die Politik der AfD schließt sich in Schärfe und inhaltlicher Nähe zum Nationalsozialismus eins zu eins an die Forderungen von Pegida an. Und Werteunion und Teile der CDU und CSU springen auf den Zug auf.

Die Politik hat erst zugesehen, dann hat sie es zugelassen und nun sitzen Rechtsextreme in den Landtagen und im Bundestag.

Seit Pegida auf die Straße geht, gibt es einen deutlichen Anstieg bei Anschlägen auf Asylbewerberheime. Dresdner*innen mit Migrationshintergrund berichten, dass seit 2014 Alltagsrassismus stärker und sichtbarer geworden ist. Pegida bereitete den geistigen Boden für den Mordanschlag auf die damalige Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker. Nino Köhler, Redner auf einer Pegidakundgebung, werden zwei Bombenanschläge - auf eine Moschee und auf das Kongresszentrum in Dresden - zur Last gelegt. Kurz nach dem Mord an Walter Lübcke befragte die ARD Pegida-Demonstrant*innen zu dem Fall. Der Mord wurde mehrfach relativiert, ein Demonstrant sagte, im Vergleich zur linksextremen Gefahr sei ein Mord, „alle zwei, drei Jahre, aus irgendwelchen Hass-Gründen, relativ normal". Ein anderer sagte, es handle sich ja um eine „menschliche Reaktion". Denn: „Wie es in den Wald hinein gerufen wird, so schallt's wieder raus." Ein anderer Demonstrant sagte: „Ich sehe den Herrn Lübcke als Volksverräter".

„Nicht Hitler, Göring, Goebbels und Himmler haben mich verschleppt und geschlagen. Nein! Es war der Schuster, der Nachbar, der Greisler, der Milchmann, der Postmann, der eine Uniform bekommen hat, eine Binde und eine Haube auf den Kopf, und dann glaubten, sie seien die Herrenrasse.", sagte Karel Stojka, Ausschwitz-Überlebender.

Heute, zum fünften Geburtstag, marschieren sie wieder durch Dresden, schwingen Deutschland-Flaggen und skandieren menschenfeindliche Parolen. Das sind keine besorgten Bürger, denen man Verständnis entgegenbringen sollte. Das sind die Abgründe Deutschlands, die sich da auftun. „Man kann und darf mit diesen Leuten gar nicht mehr reden, es sollte nur noch darum gehen, ihnen das Handwerk zu legen", rappt die Antilopen Gang in ihrem Song „Beate Zschäpe hört U2". Vielleicht ist das alles, was man dazu noch sagen kann.

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