Sonja Pham

Redakteurin / Journalistin, München

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Artikel

Konstantin Grcic: „THE GOOD, THE BAD, THE UGLY“

Begreift man zeitgenössisches Industriedesign insgemein nicht als Lösung für ein gestalterisches Problem, sondern vielmehr als assoziativen Umgang mit Fragmenten, Zufällen, Entdeckungen und Experimenten, dann ist es ein Ding der Unmöglichkeit, am Œuvre Konstantin Grcics vorbei zu kommen.

Insbesondere in München, wo Mirko Borsche dem halbwegs aufmerksamen Passanten derzeit ein überlebensgroßes „GRRRRRRRRRRRCIC!“ vom komplementärfarbigen Ausstellungsplakat für die Neue Sammlung entgegenbrüllt.

Subtiler und filigraner geht es dann erfreulicherweise in der Pinakothek der Moderne zu, in welcher Konstantin Grcic auf drei Ebenen seine schöpferischen Inspirationsquellen, das Prinzip seiner Konstruktionen in deren verschiedenen Gestaltungsphasen, sowie formvollendete Designklassiker präsentiert.


Den Titel der Ausstellung einem populären Italo-Western zu entlehnen, möchte vielleicht zunächst suggerieren, Grcic verträte mit seinem postmodernen Design dieselbe Zynik, dieselbe Härte, denselben Humor wie es Sergio Leone als Filmregisseur stets tat. 

Die Persiflage des eigenen Genres.

Klare Kompositionen. 

„Nicht minimalistisch, sondern schlicht“, wie Grcic selbst betont.

Sekundär ist die Interpretation eventuell aber auch die naheliegendste: „THE GOOD, THE BAD, THE UGLY“ gibt sprichwörtlich die Autonomie an den Betrachter ab, selbst über den formal-ästhetischen Wert eines Exponats zu entscheiden.


„Voll ungemütlich, ey“, urteilt ein pummeliger Teenager, neben mir aus dem begehbaren TT-Pavillon tretend, und stößt dabei beinahe die „Mayday“-Leuchte um.

Und ja; Konstantin Grcics Designobjekte polarisieren ganz bewusst, wenn es um die subjektive Beurteilung ihres Nutzens und ihrer Schönheit geht.

Wird im Industriedesign klassischerweise zwischen praktischer, sinnlicher, ökologischer und ökonomischer Funktion unterschieden, so verschiebt Grcic diese Parameter absichtlich und oft ins Absurde.

„Das Problem ist“, monierte er jüngst im Radiointerview, „dass wir nicht wissen, was schön ist.“


Mit Sicherheit schön ist jedenfalls, wie facettenreich und klug und vielschichtig in der dreiteiligen Ausstellung Einblick in Elemente seiner Arbeit gegeben wird: allem voran der äußerst sinnliche Umgang mit mannigfaltigen Materialien von Stahlblech, Holz über Pappe und Polypropylen bis hin zu 3D-Drucken. Beinahe hypnotisierend wirkt hier der Paternoster, der temporäre Stadien eines jeweiligen Designs am Besucher vorbeizockeln lässt.


Nicht nur ist Grcic dank Kollaborationen mit industriellen Protagonisten wie etwa Magis, Krups, Muji oder Flos das kontemporäre Aushängeschild für Vitra, sondern auch die Stadt München selbst; laut Kuratorin Angelika Nollert war die Hommage in Form einer Einzelausstellung hier also längst überfällig. Grcics Bescheidenheit zum Trotz entwickelte sie das Format peu à peu über die Idee, den TT-Pavillon zu rekonstruieren, sonst, so der Designer, „hätte ich wahrscheinlich nein gesagt.“


Die zehnmonatige Schau fügt sich äußerst homogen in derzeitige Bestrebungen seitens der Neuen Sammlung, einen inhaltlichen Fokus auf erneuerbare Materialien und innovative Methoden zu lenken, wie unlängst auch die Tagung der „Future Talks“ deutlich machte, bei der allerlei hochkarätige Kreativschaffende die Nachhaltigkeit in der Kunstszene diskutierten.


Ungeachtet dieser geradezu philosophischen Komponente besticht „THE GOOD, THE BAD, THE UGLY“ besonders durch Haptik: der gelernte Möbelschreiner lädt zum Anfassen, Probesitzen und Verweilen ein und zitiert die ambivalente Schönheit seiner Konsumgüter als zutiefst dialektisch und humorvoll.