Sonja Pham

Redakteurin / Journalistin, München

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Interview

Jessica Dettinger & Maximilian Heitsch: FINE FEATHERS MAKE FINE BIRDS

Dass Jessica Dettinger sowie auch Maximilian Heitsch sich ungern mit einem saturierten, salonfähigen Status Quo in Sachen Münchner Kulturprogramm zufriedengeben, hat der Stadt nicht lange verborgen bleiben können. Das scharfsinnige Konzeptmodelabel Form of Interest. respektive die virtuose Kreativagentur Moby Digg interagieren, kollaborieren und zelebrieren gerne, und nach allerhand Fashionfilmen wie „Dis - connect - utopia“ oder „Human Readymade“, einer Dekade des jährlich stattfindenden, politisch wie musikalisch brückenschlagenden Panama Plus-Festivals, zahlreichen Postern, Kleidungsstücken, Schriften, Illustrationen und Collagen tat sich spontan die Möglichkeit auf, sich im großen Stil zusammenzutun. (Und wie so häufig steht am Anfang einer richtig guten Idee ein aufgeregter Hubertus Becker mit einem größenwahnsinnigen Plan.)

Im Rahmen des FNY-Festivals baten Jessica Dettinger und Max Heitsch die Münchner Labels Kilenz, Saskia Diez, J’ai mal à la tête, VOR shoes, A kind of guise, Haltbar / Murkudis, Akjumii und WE.RE um jeweils ein Teil oder Kleidungsstück zur filmischen Inszenierung für die Exposition „Fine feathers make fine birds“.



Sonja: Was hat den Entwurf eurer multimediale Ausstellung ins Rollen gebracht?

Jessica: Hubertus Becker lotste mich vor einigen Wochen auf das Werksviertelgelände mit der Frage, ob ich ein Editorial für die Printausgabe betreuen würde. Ich entgegnete, wie viel Platz doch auf dem Gelände sei, „wollen wir nicht einen Raum gestalten, in dem man Mode auch anfassen kann?“ – „Ja klar, Jessica!! Überleg’ dir einfach etwas“, forderte er mich auf, und so verwandelte sich die zweidimensionale Modestrecke in einen 3D-Kunst-Musik-Fashion-Raum. Es lag auf der Hand, mir Max ins Boot zu holen, denn wir wollten bereits vor einem Jahr eine Ausstellung gemeinsam konzipieren. Der Impuls kam auch von Mirko Hecktor, der von der Virtual Reality Ausstellung erzählte, denn unser ursprüngliches Projekt „Unexpected“ sollte sich mit Internet Art befassen.

Sonja: Wie kam eurer Zusammenarbeit und Freundschaft zustande?

Max: Eigentlich kennen wir uns schon seit dem AABER Award....
Jessica: Eigentlich sind Max und seine Schwester wie mein Vater und meine Mutter. (beide lachen)
Jessica: In der alten Polizeiwache hat Max vor einigen Jahren den AABER Award kuratiert. Damals hatte ich noch keinen Job hier in München, war gerade frisch in der Stadt und habe mich mit einem Film aus dem Studium beworben. Es hat direkt funktioniert und so gelang mein erstes Projekt hier in München; wir sind seither gut befreundet. Deswegen gibt Max’ Schwester gerne damit an, dass ich deren Ziehkind bin.

Sonja: Ist eine enge Freundschaft immer auch eine gute Voraussetzung für gemeinsame Arbeit?

Jessica: Mit manchen Freunden kann man sehr gut, mit anderen eher schlecht arbeiten, aber das nimmt man eben hin und wiederholt die Kooperation nicht. Wir hingegen ergänzen uns fantastisch! In der Kürze der Vorbereitungszeit für diese Ausstellung haben wir einen tollen Job geleistet. Es war wie gedankliches Pingpong spielen, das Raumkonzept, die Fotos, die Interaktivität.

Sonja: Beschreibt doch mal, was man interaktiv erleben konnte.

Max: Prinzipiell muss man vorweg sagen, dass Jessica und mich die Liebe zum Zusammenführen verschiedener Elemente stark verbindet. Fashion ist von außen betrachtet extrem kompetitiv. Ich finde es spannend, dass ein Raum als Plattform dienen kann, verschiedene Designer und geniale Leute zusammenzubringen. Das Video hat alle auf eine gleichwertige Ebene gehoben. Die Artefakte sind das Relikt der Zusammenarbeit, weil sie übergreifend für alles versinnbildlichend sind. Eigentlich funktioniert das Projekt daher wie eine Performance, denn es geht ums Handwerkliche.

Jessica: Es war nicht Ziel, die Labels in den Vordergrund zu rücken, sondern den Grundbaustein Kleidung zum Leben zu erwecken. Deswegen das Aktive und die absurde, Erwin Wurm-artige Atmosphäre mit surrealistischen Momenten. Es ergab sich ein schöner Bezug zur Band POLIZEI, so dass wir Textfragmente des Sprechgesang im Raum integrierten. Wir wollten es erst „Tinder-Lyrik" nennen, aber das haben wir doch nicht gemacht. (lacht)

Sonja: Was muss ich mir unter Tinder-Lyrik vorstellen?

Max: Wir stellten uns die Frage, wie zeitgemäße Lyrik eigentlich klingt. Das ist ja am ehesten unsere SMS-Sprache mit komischem Balzverhalten. Wir wollten mit solchen Fragmenten arbeiten, die wir emotionalisieren können. Als Gegensatz zum harschen Raum. Und auch zur Band, deren Musik so fulminant im Raum stehengelassen wurde als performativer Akt.

Sonja: Wie gelang es, die Band POLIZEI zum Bestandteil der Ausstellung zu machen?

Jessica: Eine Freundin nahm mich eines samstags mit in die Akademie, wo die Band aufgetreten ist; wir kamen schnell ins Gespräch. Ich erfuhr, dass Michi Meisterschüler bei Jürgen Teller ist und die Band als solche auch sehr kunstaffin. Es hat stilistisch großartig gepasst, dass Michi auf den Bildern modelt.

Max: Vom Stil her passten die Jungs auch wunderbar zum Raum mit einer Anmutung von Detroit im Regen, leerstehende Lagerhalle, skurrile Objekte.

Sonja: Welchen Zweck erfüllen die besagten Objekte?

Jessica: Ich bin ein großer Fan von Dingen, die quasi uninteressant sind und daher einen Überraschungsmoment erzeugen, wie etwa die Sprühsahne auf einem Teller ohne den Kuchen.

Max: Diese Zweckentfremdung von Dingen in einem anderen Kontext hat auch etwas Humoristisches.

Jessica: Es nimmt den Konkurrenzdruck weg, sich selbst als Label nicht zu ernst zu nehmen; gemeinsam schafft man viel größere Dinge. Diese Metaebene generiert einen Mehrwert durch Zusammenhänge.

Max: Ich hätte es auch langweilig gefunden, die Sachen einfach nur auszustellen. Für mich ist Mode per se vor allem ein Spiel, eine Persiflage. Du musst Mode nicht tragen, um sie zu verstehen und andersherum. In diesem Kontext war ein gewisser Humor total wichtig. Vor allem ist es von Bedeutung, in der Zusammenarbeit Qualität zu erleben! Jessica und ich hatten viel Spaß, haben uns gegenseitig Input gegeben; das ist die schönste Form von Austausch mit einem Produkt am Ende des Tages.

Sonja: Was hat es denn mit dem Titel auf sich?

Jessica: Ich wollte der Ausstellung keinen bedeutungsschwangeren Namen geben. Zuletzt stöberte ich viel in britischen Zitatesammlungen. Das deutsche Äquivalent für „Fine feathers make fine birds“ wäre „Kleider machen feine Leute“. Das ist der Gegensatz davon, wofür mein Label steht. Ich kritisiere die These, dass Kleider einen Menschen definieren. Für mich sind sie eine Form der Kommunikation. Ich streife mir Federn über und definiere Schönheit selbst. Im Film kommt es gut rüber, denn die Kleidung wirkt leblos, bevor sie jemand anzieht.

Sonja: Ihr beide nehmt euch gerne Aufgaben an, an deren Ende gegenseitige Ermutigung und kreative sowie technische Befruchtung steht. Wie steuert das eure Auswahl von Projekten?

Max: Mein Ziel ist langfristiger Mehrwert. Ich kuratiere viele Ausstellungen und habe schon oft erlebt, dass der Schaffensprozess dabei vor lauter Stress verloren geht. Wenn der Weg davor scheiße ist, dann bringt es das schöne Endprodukt auch nicht so sehr. Das ist dann ziemlich frustrierend. Mit Hubertus Becker, Marc Meden und Mirko Hecktor stimmte die Chemie sofort; es ist eine tiefe Verbundenheit da, man bekommt einen Raum und viel Vertrauen. Das habe ich auch schon anders erlebt...

Sonja: Brauchte „Fine feathers make fine birds“ den Festivalkontext? Oder hätte es auch autark stattfinden können?

Jessica: Ich denke nicht, dass es allein für sich stehend so gewirkt hätte. Das Engagement war vom flow her total neu für uns, und ich denke auch für München. Wir stellen uns oft die Frage: „Wo wohne ich? Was passiert hier? Was kann ich beitragen?“ Die Energie war sehr motivierend; viele Konzerte, kultureller Input, die Location an sich. Alle Organisatoren und Helfer haben sehr spontan und mit Herzblut agiert.

Max: Es war großartig, ein Teil davon zu sein und überhaupt erst nach einem Konzept gefragt zu werden! Wir wünschen uns, dass die künstlerischen Ideen, die entstanden sind, weiter wachsen und gedeihen können.