Radio Ö1 Radiokolleg 16.-19 Jänner 2017
Die Welt wächst zusammen. Migration als Chance und Bedrohung (4 Teile)
Globalisierung. Diesen Begriff machte der US-amerikanische Trendforscher John Naisbitt Anfang der 1980er Jahre mit seinem Buch "Megatrends" populär, in dem er beschrieb, wie die nationalen Wirtschaften in einen weltweiten Wettbewerb eintreten und wer ihn gewinnen wird. Wer später gegen den Abbau von Handelshemmnissen zu Lasten schwächerer Ökonomien und eine gerechtere Besteuerung von Unternehmensgewinnen eintrat, wurde als "Globalisierungsgegner" bezeichnet, ja sogar beschimpft. Eine grenzenlose Welt für Güter, Gewinne, Kommunikation und Daten wird als Ideal hingestellt, während gleichzeitig wieder Grenzbalken geschlossen und Mauern errichtet werden - aber nur für Menschen. Menschen dürfen sich in der Welt frei bewegen, solange sie eine Kreditkarte in der Tasche haben und nach ihrem Urlaub oder geschäftlichen Aufenthalt wieder nach Hause fahren. Wollen sie langfristig oder gar dauerhaft in einem anderen Land leben als in jenem, in dem sie geboren wurden, also migrieren, wird es schwierig. Dabei ist Migration dem Menschen immanent. Menschen sind immer schon migriert, wenn sie sich anderswo bessere Lebensbedingungen erhofft haben oder in ihrer Heimat nicht mehr leben konnten. Sie sind mit ihren Weidetieren gewandert, für die Ausbildung, den Handel, saisonal oder dauerhaft für eine Arbeitsmöglichkeit, weil Herrscher neue Gebiete besiedeln wollten und deshalb Menschen dorthin gelockt haben, weil sie aus ihrer Heimat vertrieben wurden oder einfach, weil sie neugierig waren. Sie haben ihre Sprache, ihre Fertigkeiten, ihre Ideen und ihr Wissen in ihre neue Lebensumgebung gebracht und von dort Wissen, Waren und Fertigkeiten zurück in ihre ursprüngliche Heimat. Migration kann eine Chance für die Migrierenden sein, für ihre zurückgebliebenen Familien und Dörfer und für die Gesellschaften an ihren Zielorten. Gleichzeitig wurde sie aber immer auch als Bedrohung erlebt. Das Fremde verunsichert - alle Seiten gleichermaßen, die Sesshaften aber meist mehr als die Übersiedelnden. Und weil oft jene Menschen einer Gesellschaft migrieren, die besonders robust und flexibel sind, haben Menschen an den Zielorten Angst vor Konkurrenz. Eines ist jedoch klar: In Zeiten der Globalisierung von Waren, Informationen, Sprachen und Kulturen wächst die Menschheit zusammen - for better or for worse.