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Einigende Feindbilder

Selbst ernannte Friedensfreunde auf der Berliner Veranstaltung; YouTube-Screenshot

Sören Kohlhuber und Theo Schneider


Seit einigen Wochen haben sich, ursprünglich anlässlich der Ukraine-Krise, in verschiedenen deutschen Städten am Montag so genannte „Friedensmahnwachen" etabliert, so auch in Berlin. Waren es Mitte März nur knapp hundert Teilnehmer, fanden sich nach Polizeiangaben am Ostermontag mittlerweile rund 1500 Menschen zu der auch „Montagsdemonstration" genannten Versammlung am Potsdamer Platz in der Hauptstadt zusammen. Doch inhaltlich dominieren weniger Forderungen nach Frieden als krude Verschwörungstheorien und Antisemitismus das Zusammentreffen.

Die Organisatoren wie auch viele der Teilnehmer entstammen nämlich dem Spektrum der Verschwörungsideologen, wie der so genannten „Truther-Bewegung" aber auch „Reichsbürgern" und Anhängern der „Chemtrail"-Theorie. Daneben fanden sich am Potsdamer Platz sogar rund ein Dutzend organisierter Neonazis um den Berliner NPD-Vorsitzenden Sebastian Schmidtke ein.

Agitation gegen die „fremdgesteuerten" Medien

Der Kitt der alle zusammenbringt, sind antisemitische Kapitalismuskritik und ein verschwörungstheoretisches Weltbild, nach dem angeblich Großkonzerne und Banken in jüdischer Hand andere Länder besetzt halten. In Berlin konzentriert sich die Montagsdemo vor allem auf die Federal Reserve Bank, welche hinter allen Kriegen und Konflikten stecken soll, so in der Ukraine oder Syrien. Auch die Medien sind Ziel der Agitation, da diese „fremdgesteuert" seien. Neben Teilnehmern mit Schildern, welche ein Ende der „70-jährigen US-Besatzung in Deutschland" oder auf T-Shirts den Kampf gegen Geheimbünde wie den so genannten Illuminaten forderten, waren diesmal auch organisierte Neonazis dabei. Kein Wunder: Gegen vermeintliche „Medienlügen" und den „US-Imperialismus der Banken" demonstrierten bisher vor allem bekennende Rechtsextremisten.

Angeführt wurde der Tross vom Berliner NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke und der lokalen Vorsitzenden des „Rings Nationaler Frauen" (RNF) Maria Fank. Beide freuten sich sichtlich über den Zuspruch zu ihren klassischen NPD-Forderungen. Unter den Neonazis im Schlepptau von Schmidtke befanden sich aus Berlin unter anderem der hafterfahrene Gewalttäter Christian B. und der ehemalige Rechtsterrorist Marcus Alexander B. In jüngster Zeit fiel Christian B. regelmäßig mit Provokationen gegen linke Fans des „SV Babelsberg 03" auf: Zuletzt versuchte er mit weiteren sieben Neonazis beim Halbfinale des Landespokals in Schöneiche die Fans des SVB anzugreifen, wobei zwei der Täter durch die Polizei festgenommen wurden.

Sprachrohr der rechten Verschwörungskreise

Marcus B. dagegen stand im vergangenen August im Fokus der rechtslastigen Zeitschrift „Compact", deren Chefredakteur Jürgen Elsässer an diesem Montag sogar auf der Berliner Versammlung sprach und gegen „die Finanzoligarchie" aus Rockefeller, Rothschild und so weiter wetterte. „Compact" gilt als ein Sprachrohr der rechten Verschwörungskreise. Der Autor Kai Voss bezichtigte in dem Heft Marcus B. der Spitzeltätigkeit für den Verfassungsschutz. Im aktuellen NSU-Verfahren geht es auch um Informationen durch einen Spitzel „Stauffenberg", hinter dem sich laut Voss der Berliner Neonazi Marcus B. verbergen soll.

Auch aus Brandenburg waren NPD-Politiker angereist, um an der braunen „Friedensmahnwache" teilzunehmen: Aus Oberhavel kamen neben dem Kreispressesprecher der NPD Steve Schmidt weitere Begleiter aus Oranienburg und Velten. Unter ihnen NPD-Kandidaten für die Brandenburger Kommunalwahl am 25. Mai wie Robert Wolinski (Kandidat für den Kreistag Oberhavel und das Stadtparlament Velten) und Manuel Bartel (Kandidat für das Stadtparlament Oranienburg). Szenekenner berichten, dass Robert Wolinski in den vergangenen Jahren Neonazi-Konzerte in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg organisiert haben soll. Im November 2011 durchsuchte die Polizei bei ihm zudem Räume, die als Lager für illegale Musik-CDs der Rechtsrock-Band DST („Deutsch, Stolz, Treue") fungiert haben sollen. ( bnr.de berichtete)

Reden konnten die Rechtsextremisten am Ostermontag in Berlin allerdings nicht, dennoch störte sich offensichtlich niemand an ihrer Anwesenheit. Im Internet findet ihr Auftritt sogar Verteidiger, die meinen, dass auch die Neonazis das Recht hätten, dort teilzunehmen. Denn in klassischem „Querfront"-Denken wird dabei nicht nur gegen eine Aufteilung in „Links und Rechts" argumentiert, sondern ein Zusammenschluss gegen einen gemeinsamen Feind eingefordert.

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