1 Abo und 0 Abonnenten
Artikel

Tolle Fotos aus Hamburg: Er war der König der Tätowierer

Adrett sieht der ältere Herr aus, der lächelnd hinter dem Tresen steht. Und ein bisschen spießig. Er trägt einen Anzug, darunter eine zugeknöpfte Weste und am Hals eine gepunktete Fliege. Man könnte ihn sich gut in einem Heinz-Erhardt-Film vorstellen. Der brave Eindruck aber täuscht. Christian Warlich war international berühmt als König der Tätowierer! Nun wird sein Werk mit einem Buch und einer Ausstellung gefeiert.

„In Deutschland ist er so etwas wie der Urvater der Tattoo-Szene. Er hat die Tätowierung professionalisiert und auf eine neue Ebene gehoben", sagt der Kunsthistoriker Ole Wittmann, der sein Werk erforscht. Noch heute lassen sich Hautkünstler von seinen Vorlagen inspirieren, Kunden und Sammler lieben die Motive.

Christian Warlich (1891-1964) stammte aus der Nähe von Hannover. Ab 1919 tätowierte er in der heutigen Clemens-Schultz-Straße 44, 1921 meldete er sein Gewerbe an. Es handelte sich um eine Schankwirtschaft mit angeschlossener Tätowierstube. Damit war er einer der ersten, der seine Kunden an einer festen Adresse empfing.

„Tätowierer, das war zuvor ein mobiler Beruf. Man muss sich das wie bei einem Schuhputzer vorstellen, der mit seinem Koffer durch die Lande zog", sagt Kunsthistoriker Ole Wittmann. Die Kneipe trug den schlichten Namen „Gastwirtschaft Christian Warlich". „Dort wurden Bier und Rum ausgeschenkt. Separat, abgetrennt durch einen Vorhang, hat er tätowiert", sagt Ole Wittmann. Besonders beliebte Motive: Segelschiffe, Ankerherzen, Frauenköpfe.

Bei seinen Entwürfen ließ er sich von der Formensprache asiatischer Tätowierungen und von amerikanischen Motiven inspirieren. Sein Motto: „Streng reell! Wundervollste Muster! Giftfrei! Und unverwüstlich bis über den Tod hinaus!" Der Tattoo-Forscher lobt die Qualität der Zeichnungen und deren Umsetzung. Die Presse feierte ihn, er wurde als bester Tätowierer Deutschlands bejubelt.

Anders war er sowieso. Der König der Tätowierer, wie er genannt wurde, war stets korrekt und akkurat gekleidet, bei der Arbeit trug er Anzug und Weste. Er war gut vernetzt und tauschte sich mit Tätowierern auf der ganzen Welt aus. Der Hamburger war außerdem der erste, der der die bunten Bilder wieder entfernen konnte. Mit Hilfe einer Tinktur löste er die Haut ab.

Im Museum für Hamburgische Geschichte, wo Ole Wittmann forscht, lagern allerhand Objekte aus dem Nachlass von Christian Warlich, unter anderem zehn tätowierte Hautstücke. Wichtiges Stück ist allerdings sein berühmtes Vorlagealbum, aus dem seine Kunden die Motive auswählten - es ist das wohl bekannteste Dokument der deutschen Tätowiergeschichte.

Dieses Vorlagealbum gibt Ole Wittmann nun neu heraus, erstmals in der Originalgröße. „Christian Warlich. Tattoo Flash Book" erscheint am 2. September (108 Seiten, 38 Euro, Prestel Verlag). Einen Rum wird es auch geben. Und am 27. November beginnt im Museum für Hamburgische Geschichte die Sonderausstellung „Tattoo-Legenden: Christian Warlich auf St. Pauli", in der Ole Wittmann seine mehrjährigen Forschungsergebnisse präsentiert.

Je älter er wurde, desto weniger Tätowierungen hatte Christian Warlich übrigens, vermutlich hat er sie selber entfernt. Auch Tattoo-Forscher Ole Wittmann hat viele bunte Bilder auf der Haut, darunter natürlich Warlich-Motive: einen Dolch, um den sich eine Schlange windet, sowie einen Drachenkopf.

Zum Original