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Es geht um Vibratoren: Hamburger Wissenschaftlerin forscht unter der Gürtellinie

Wenn sie erzählt, über welches Thema sie ihre Doktorarbeit schreibt, erntet Nadine Beck (42) aus Ottensen überraschte Blicke. Und sehr oft auch ein breites Grinsen. Trocken und abstrakt wie andere Dissertationen wird ihre Arbeit nämlich nicht. Nadine Beck forscht unter der Gürtellinie: Sie promoviert über Vibratoren.

„Als Kulturwissenschaftlerin mag ich abseitige Themen", sagt Nadine Beck, eine selbstbewusste Frau, die gern T-Shirts mit dem Aufdruck von Rockstars trägt. Wie man auf die Idee kommt, sich wissenschaftlich mit den surrenden Lustspendern zu beschäftigen?

Nadine Beck schreibt ihre Doktorarbeit über Vibratoren

Beruflich schreibt und erforscht Nadine Beck die Geschichte von Unternehmen. Als sie sich mit dem Erotik-Versand „Beate Uhse" beschäftigte, fiel ihr auf, dass der erste Vibrator in Phallus-Form dort ab 1969 im Programm war. So entstand die Idee zu der Doktorarbeit mit dem schönen Titel „Der vibrierende Dildo - Eine Spurenlese durch den Moment, als der phallische Vibrator die deutsche Bühne betritt".

Seitdem hält die Wissenschaftlerin auf Flohmärkten und im Internet Ausschau nach den Geräten, die der Großmutter-Generation Spaß gemacht haben. „Der Vibrator ist ein ganz tolles Gerät, das nur positive Effekte hat", findet Nadine Beck.

Schwerpunkt der Forschung ist das Jahr 1969

Schwerpunkt ihrer Forschung ist das Jahr 1969, als die ersten kabellosen Vibratoren in Penis-Form auf den Markt kamen. Damals durfte noch nicht offiziell für die prickelnden Eigenschaften des Geräts geworben werden. Nadine Beck hat Werbeanzeigen aus der Zeit gesammelt. Sie zeigen Frauen, die sich die Stäbe mit schmachtendem Blick an die Wange halten.

Die Vibratoren, die es vorher gab, erinnerten eher an Gerätschaften, die man in der Küche benutzt - und nicht im Bett. Beworben wurden sie als Massage- und Gesundheitsgeräte. Nadine Beck interessiert vor allem, inwiefern die sexuelle Verwendung der Geräte bekannt war. Wer kaufte einen diesen Apparate, seien sie nun phallisch oder nicht? Wo kaufte man sie? Wie sprach man über sie? Waren sie verpönt?

Nadine Beck hat mit vielen Zeitzeugen gesprochen und interessante Geschichten erfahren. „Eine Frau bewahrte ihren Vibrator im Handschuhfach ihres Autos auf. Eines Tages guckte ihr Vater hinein und fragte: ‚Was ist das denn?' Sie sagte schnell: ‚Ein Stift'", erzählt Nadine Beck.

In der DDR gab es keine Sexspielzeuge

Sexspielzeuge gab es in der damaligen DDR nicht, die Frauen mussten sich anders behelfen, wie die Wissenschaftlerin erfahren hat. „Es gab eine Wäscheschleuder mit einem ganz bestimmten Verschlussknopf. Auf den haben sich die Frauen raufgesetzt und sich stimuliert", erzählt sie.

Mit ihrer ungewöhnlichen Forschungsarbeit hat Nadine Beck noch viel vor: In diesem Jahr ist mit ihren alten Geräten eine Ausstellung im Erotic Art Museum geplant. Anlässe gäbe es genug: Vor 150 Jahren wurde in Amerika der erste Massage- und Vibrationsapparat erfunden, vor 50 Jahren kam der erste Vibrator in Penis-Form auf den Markt. Aus den historischen Fotos, die sie gesammelt hat, soll ein Buch werden, für das sie noch einen Verlag sucht.

Ende 2019 soll die Dissertation fertig sein

Ende des Jahres soll die Doktorarbeit dann fertig sein, die sie am Institut für Europäische Ethnologie/ Kulturwissenschaft der Philipps-Universität Marburg schreibt.

Ihr Doktorvater hat damals übrigens ein ähnlich ungewöhnliches Thema für seine Dissertation gewählt - er promovierte über das Thema Selbstbefriedigung.

Wer weiß mehr über die Massagegeräte, die es im Jahr 1969 gab? Wer Nadine Beck Auskunft geben kann (auf Wunsch auch anonym), meldet sich bitte per E-Mail unter beckn@students.uni-marburg.de.
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