Für ihren Report hat die Krankenkasse die Versichertendaten von 17.000 Hamburger Kindern und Jugendlichen aus dem Jahr 2016 auswerten lassen. Dabei kam heraus: Jedes vierte Hamburger Kind ist chronisch krank, es gibt mehr junge Depressive als in anderen Großstädten. Und: Die soziale und wirtschaftliche Situation der Eltern spielt für die Gesundheit der Kinder eine wichtige Rolle.
Bild vergrößern
Die Zahlen aus dem Bericht sind dramatisch. Die Kinder von Eltern ohne Bildungsabschluss haben ein um bis zu 278 Prozent erhöhtes Karies-Risiko als Kinder von Eltern mit hohem Bildungsabschluss. Die Wahrscheinlichkeit für starkes Übergewicht liegt bei Kindern aus bildungsfernen Familien bei bis zu 247 Prozent. Bei Entwicklungs- sowie Verhaltensstörungen ist das Vorkommen 45 Prozent höher, bei Allergien 34 Prozent, bei Asthma bis zu 31 Prozent.
„Bildung, Einkommen und Herkunft der Eltern stehen in direktem Zusammenhang mit der Entwicklung der Kinder", sagt auch Dr. Susanne Epplée. Die Kinderärztin leitet das „Institut für Neuro- und Sozialpädiatrie" an der Legienstraße (Billstedt). Hier werden rund 2000 Familien pro Jahr betreut, deren Kinder entwicklungsverzögert sind, eine Behinderung haben oder davon bedroht sind.
„Manchen Eltern fehlt die Kraft, sich um ihre Kinder zu kümmern"„Manchen Eltern fehlt durch mangelnde Perspektiven, Arbeitslosigkeit, Sprachprobleme oder Fluchttrauma die Kraft, sich intensiv um ihre Kinder zu kümmern", sagt die Medizinerin. Sie hat Eltern kennengelernt, die ihren quengelnden Kleinen nachts eine Nuckelflasche mit Süßgetränk geben, um Ruhe zu haben - obwohl sie um die Gefahren wissen. Allein, es fehlt die Kraft. Kinder mit Kronen mit Mund, das hat die Ärztin schon erlebt.
„Auch beengte Wohnverhältnisse und Bewegungsmangel können zu gesundheitlichen Folgen führen", sagt Dr. Epplée. Die Kinder spielen nicht draußen, sondern daddeln zu Hause mit dem Handy herum oder sitzen vor der Glotze. Sie werden dick und verkümmern in ihren motorischen Fähigkeiten. Die Ärztin hat schon Zweijährige erlebt, die sich auf dem Handy selbst Spiele anmachen können - und Sechsjährige, die weder einen Ball fangen noch auf einem Bein hüpfen können.
Bewegungs- und Tanztherapie können IQ steigernIn dem Institut kümmern sich Ärzte, Psychologen, Physio- und Ergotherapeuten um die Kleinen. „Es lohnt sich, in sie zu investieren. Durch Therapien werden die Kinder fit für die Schule. Je früher man damit anfängt, desto schneller ist es auch beendet", so die Ärztin. Ihr fällt eine Schülerin aus problematischem Elternhaus ein, die einen unterdurchschnittlichen IQ hatte. Drei Jahre lang war sie in Behandlung, bekam dort unter anderem eine Bewegungs- und Tanztherapie. Danach hatte sie einen höheren IQ und kam in der Schule besser mit.
Eltern werden ermutigt, die Kinder im Sportverein anzumelden, Hilfen anzunehmen oder Elterngruppen zu besuchen. Die Ärztin sagt: „Wir erleben die Eltern als dankbar und zugewandt. Es ist ein angenehmes Arbeiten."
Das könnte Sie auch interessieren Besorgniserregende Studie Dick und depressiv: So krank sind Hamburgs Kinder Kinder- und Jugendreport Mehr als jedes vierte Hamburger Kind chronisch krank