Wie sie darauf gekommen sind, weiß er nicht mehr. „Wir müssen wohl besoffen gewesen sein", sagt Tilman Birr. Das sei jedoch ganz gut. So lasse sich vermeiden, dass ein anderer die Idee für sich reklamiere. In der Tat ist das Konzept, von dem er spricht, so simpel wie genial: Tilman Birr und Elis Bihn covern Welthits auf Hessisch. „Umbrella" von Rihanna wird bei ihnen zu „Reschescherm". „I Will Survive" von Gloria Gaynor wird zu „Isch werd's überlebe". Und „I Shot The Sheriff" von Bob Marley wird zu „Isch hab de Wachtmeister erschosse". Zurzeit sind Birr und Bihn unter dem Motto „Die Verhessung der Welt" unterwegs.
Das klingt erst einmal ulkig, doch wer genau hinhört, entdeckt ein bemerkenswertes Detail: Was die zwei da singen, ist kein unsinniges Gebabbel, sondern eine inhaltlich nahezu deckungsgleiche Übersetzung. Eine akribische Arbeit, die sich die beiden untereinander aufteilen. Mal übersetzt der eine, mal der andere, je nachdem, wer die Idee hatte.
Schwierige Umsetzung bei einigen TextenEs gibt es auch Songs, an denen sie sich die Zähne ausgebissen haben. Manche Texte, sagt Birr, funktionierten eben mehr auf einer lautlichen oder assoziativen Ebene. „London Calling" von The Clash sei so ein Fall gewesen. „London is drowning and I, I live by the river", lautet eine ikonische Textzeile aus dem Original. „Frankfurt ertrinkt und isch, isch wohn an de Nidda", dachte sich Birr. „Dann habe ich mir den Rest des Textes angeschaut und gemerkt: Ich weiß gar nicht genau, worum es da geht", sagt er und lacht.
Birr stammt aus Frankfurt und ist eigentlich Kabarettist und Autor. Mit dem aus Oppenheim stammenden Rheinhessen Elis Bihn gründete er 2002 die „Lesebühne Ihres Vertrauens", eine monatliche Reihe in Frankfurt. Ihr Welthits-Projekt wurde vor allem über Youtube bekannt. Ein typisches Video der beiden sieht so aus: Birr und Bihn stehen auf einer Dachterrasse vor der Frankfurter Skyline. Birr guckt in die Kamera, Bihn in die Ferne. Birr spielt Gitarre, Bihn spielt Bass. Birr singt die Hauptmelodie, Bihn die Harmonien. Ihr beliebtester Song „Rescheschirm" wurde mehr als 200.000 Mal angeklickt. Das hat mit der Komik zu tun. Aber auch musikalisch überraschen die beiden. Miley Cyrus' pompös produzierter Schmachtfetzen „Wrecking Ball" gewinnt als entschlackte Akustik-Version „Abrissbern" unvermutete Tiefe. Und der Metallica-Klassiker „Enter Sandman" klingt in der Americana-Version „Ufftritt Sandmännsche" weitaus sympathischer als das breitbeinige Original.
„Lesebühne Ihres Vertrauens"Sucht man auf Google nach dem Duo, steht ein Suchvorschlag ganz weit oben: „welthits auf hessisch cd". Doch ein Album wird es vorerst nicht geben. Urheberrechtlich gesehen, handelt es sich bei ihren Übersetzungen nämlich nicht um Cover-Versionen, sondern um Bearbeitungen. Wer Stücke einfach nur nachspielt, kann sie problemlos auf CD pressen lassen oder bei Streamingdiensten anbieten. Bearbeitungen hingegen müssen von den Komponisten und Textern des Originals freigegeben werden. Allein an „Wrecking Ball" haben sechs Leute mitgeschrieben. „Das ist völlig aussichtslos", sagt Birr.
Konzerte aber sind erlaubt. 2012 haben die beiden ihren ersten Welthit bei der „Lesebühne Ihres Vertrauens" gespielt. Vier Jahre später setzten sie die Idee erstmals abendfüllend um. Verkennt man nicht den immensen Aufwand, wenn man ihre Cover nur als Gags wahrnimmt? Birr, der am 11. März in der Käs auch solo auftritt, verneint: „Wenn die Leute daran Spaß haben, reicht uns das schon." Um Lokalpatriotismus geht es ihnen aber ausdrücklich nicht. Birr sagt, auf der Bühne zitierten sie deshalb stets den langjährigen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn: „Hesse ist, wer Hesse sein will."