Meine Reise durch die Nacht beginnt im Six Dogs, einer Bar mitten im Ausgehviertel Psirri, in dem sich früher die Unterwelt traf und das heute voller Bars und Tavernen ist. Durch die Gassen ziehen auch abends noch die Gerüche des historischen Fisch- und Fleischmarkts Varvakios Agora. Ich lasse sie erst hinter mir, als ich aus einer Nebenstraße in eine Hinterhofoase trete. Das Six Dogs ist eine versteckte Gartenbar, eingekesselt von Mietshäusern, beschirmt von hohen Bäumen. Hinter der Bar steht ein bärtiger Typ mit Männer-Dutt und Holzfällerhemd und shaked sehr fokussiert."Ja sas", grüßt er. Ich warte, bis ich bedient werde - perímene, sich einen Augenblick gedulden, gehört in der aufgedrehten Hauptstadt Griechenlands dazu. Und wer will sich an einem schönen Abend schon hetzen.
Allein 30 verschiedene Sorten Gin stehen auf der Karte. Ich sehe einen Cocktail namens "Bubble Chaos" und denke automatisch an Finanzblasen. Ich frage den Barkeeper, ob der Name etwas mit der Krise zu tun habe. Er antwortet: "Nein, mehr mit Fantasie", Cocktails seien für die Fantasie da.
Während er mir den "Bubble Chaos" mixt, schwärmt er von den Zutaten. Die Basis sei selbst gemachter Honiglikör gemischt mit Masticha, einem Likör aus dem Gummiharz der Mastix-Pistazienbäume, die nur auf der griechischen Insel Chios in der Ostägäis wachsen. "Sehr gut für den Magen", sagt er. Hinzu kommen Ananas- und Zitronensaft, Kokosnuss, irgendwelche Bitterstoffe, Salz und Pfeffer. Vor mir steht ein Cocktail mit schneeweißer Krone und schwarzem Salz am Glasrand. Sieht gut aus, ist nicht zu süß, und das Salz gibt dem Ganzen einen Spezialeffekt.
Um mich herum lassen sich die Athener müde vom Tag auf die Holzbänke zwischen den Bäumen fallen. Ich sehe Anzugträger, Künstlertypen und auch Touristen. Das Publikum ist angenehm gemischt, für jeden gibt es hier eine Nische. Außerdem hat der Garten mehrere Etagen. Ich beschließe aber, sie nicht zu erkunden, und frage den Barkeeper lieber nach einer weiteren Bar. Er empfiehlt mir das Clumsies auf der Praxitelous-Straße. Es liegt zwischen Psirri und dem Syntagma-Platz, dem Platz der Verfassung, zu Fuß keine 500 Meter entfernt.
Im The Clumsies flitzt mein Blick über den Tresen: Hier dampfende Stickstoffwolken, dort wird irgendwas flambiert, dazwischen gefüllte Gläser in ungewöhnlichen Formen und Farben. Das Clumsies ist eine Mischung aus molekularer Küche und mittelalterlicher Chemie, modern und mystisch zugleich, Metall und Holz. Meine Augen fühlen sich direkt unterhalten. Ich bin aber skeptisch, als mir der tätowierte Barkeeper wortlos die Karte und eine kleine Schwarzlichtlampe reicht, damit ich die fluoreszierende Schrift lesen kann. Bisschen zu cool, denke ich. Andererseits auch sicher praktisch, in einem Land, in dem selbst jeder Zehner argwöhnisch auf seine Echtheit geprüft wird. Unter Schwarzlicht kann man Falschgeld erkennen.
Ich blättere mich durch das Menü, und nebenbei fällt mein Blick auf die Serviette unter dem obligatorischen Glas Wasser. Prost steht darauf, in verschiedenen Sprachen, cin cin, chai yo, auf Griechisch sagt man yamas. Das erinnert mich daran, wie international eigentlich ist. Eine Stadt voller Expats und Künstler, und die unter 40-jährigen Griechen sprechen größtenteils gut Englisch. Man kommt hier auch ohne Griechischvokabeln durch die Nacht.