Silke Jaeger

Freie Journalistin und Texterin für Gesundheitsinformationen, London

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Wie du eine gute Entscheidung übers Impfen triffst

„Deutschland sucht den Impfpass." So lautet das Motto einer Kampagne, die dazu aufruft, den eigenen Impfstatus zu überprüfen und auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Doch im Moment hat man eher den Eindruck, dass viele Menschen ihren Impfpass gar nicht finden wollen.


In Europa gibt es so viele Masernfälle wie seit acht Jahren nicht mehr. Über die Angst vor Impfschäden wird in Online-Foren emotional diskutiert, Pro-und-Contra-Artikel erscheinen zuhauf. Zu dieser Stimmung scheint der vor Kurzem in den Kinos angelaufene Film „Eingeimpft" genau zu passen: Darin geht der Dokumentarfilmer ausführlich auf die Suche nach den Risiken des Impfens. Doch was ist eigentlich mit dem Nutzen? Sind uns die Vorteile des Impfens nicht mehr klar?


In diesem Text schaue ich mir gängige Argumente und Fragen zum Impfen näher an und stütze mich dabei - wie ihr das aus einigen meiner früheren Texte schon kennt - auf gesichertes Wissen. Mich interessiert aber auch, warum die Diskussion so emotional geführt wird. Kaum ein medizinisches Thema wird derart kontrovers und leidenschaftlich diskutiert wie das Impfen - trotz der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Denn viele der Rauf-und-runter-diskutierten Zweifel sind längst widerlegt. Ich frage mich, was die Debatte so langlebig macht - und so aufreibend für viele. Das schaue ich mir zu Beginn des Textes an, bevor ich einige der häufigsten Fragen zum Impfen beantworte.


Wenn du nur die gesicherten medizinischen Fakten wissen willst, kannst du gleich zur Überschrift "Fragen über Fragen: Welchen Nutzen und Risiken haben Impfungen?" gehen.


Die Eltern sind verunsichert

Ich habe selbst Kinder und kann mich erinnern, dass ich zu der Zeit, als ich eine Impfentscheidung treffen musste, verunsichert war. Das hat mich selbst etwas überrascht, denn die Geschichten meiner Oma aus ihrer Kindheit waren mir noch gut in Erinnerung: Ihre beste Freundin war an Diphterie gestorben, und sie erzählte immer sehr ehrfürchtig von dem Tag, als sie ihre Diphterie-Impfung bekam. Und nun war ich unsicher, ob meine Kinder geimpft werden sollen. Wie war das möglich?


Eltern wollen keine Fehler machen - vielleicht sind auch sie Opfer des Optimierungswahns geworden, der immer mehr um sich greift: Alles soll noch besser als perfekt sein, nämlich optimal. Sie denken schnell, dass Kleinigkeiten einen großen Unterschied machen werden. Die Frage, die mir damals am meisten Stress machte, war: Was, wenn ich meinen gesunden Kindern einen Schaden zufüge? Nur weil ich Sorge habe, sie könnten sich anstecken mit Krankheiten, die in Deutschland nur noch selten oder gar nicht mehr vorkommen?

Ich würde diese Frage heute so nicht mehr stellen. Aber damals ergab sie für mich Sinn. Als Neuling in der Gruppe „Eltern" orientiert man sich um. Dort werden andere Dinge diskutiert, als man es gewohnt ist ohne Kind, plötzlich ist alles viel ernster. Man hat Verantwortung für einen anderen Menschen übernommen. Das ist ziemlich beeindruckend. Und alle Meinungen, auf die man trifft, sind es auch. Unsicher zu sein ist der Normalzustand. Warum sollte es anders sein, wenn es ums Impfen geht?


Heute bin ich aus vielen Unsicherheiten herausgewachsen, zusammen mit meinen Kindern. Und ich kann deutlich gelassener mit Gesundheitsfragen umgehen. Auch weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass Fieber um die 40 Grad nicht gleich einen Fieberkrampf auslösen muss, dass Kinder vom Baum fallen können, ohne einen einzigen Kratzer zu haben, und dass es Zeiten gibt, in denen eine Familie über Monate im Erkältungskarussell festhängt, ohne dass irgendetwas dabei hilft, diesen Ansteckungskreisel lange genug zu unterbrechen. Gerade in solchen Zeiten habe ich eine Ahnung davon bekommen, was ein guter Schutz gegen schwere Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel Masern, ganz praktisch bedeutet: viele Sorgen weniger. Ich weiß heute auch, dass es in Familien keinen Optimal-Modus gibt: Irgendwas ist immer. Neue Eltern haben diese Erfahrungen noch vor sich und machen sich viel mehr Sorgen um die Kleinen. Vor allem um frische Babys. Total normal.

Es hilft aber nichts, man muss nun mal eine Impfentscheidung treffen, wenn die Kinder noch sehr klein sind. Was mir bei der Entscheidung geholfen hat, waren vor allem zwei Dinge: verlässliche Infos und Vertrauen. Ich hatte bei unserem Kinderarzt nie den Eindruck, es gebe Fragen, die ich nicht stellen dürfte. Ich habe ihm vertraut. So viel Glück hat natürlich nicht jeder. Aber verlässliche Infos übers Impfen gibt es zuhauf, darauf kann jede und jeder zugreifen.


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