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Tousart: „Hertha könnte ein Klub wie Paris werden"

SPORT BILD: Herr Tousart, statt in Lissabon als Stammspieler mit Olympique Lyon das Champions-League-Finalturnier zu spielen, quälen Sie sich mit Hertha BSC durch die Vorbereitung. Erklären Sie mal, warum Ihnen das lieber ist?

Lucas Tousart (23): Für mich war es wichtig, mal etwas Neues kennenzulernen. Ich war fünf Jahre in Lyon, der Kreis hat sich für mich geschlossen. Die Bundesliga hat mich sehr angezogen, dann gab es den Kontakt mit Berlin - und Hertha ist ein Klub mit großen Ambitionen.

Mit welchen Argumenten haben die Hertha-Bosse Sie überzeugt?

Die Verantwortlichen haben mir das Projekt und den Weg vorgestellt. Hertha ist dank des neuen Partners in der Lage, gute Spieler wie zum Beispiel im vergangenen Winter Matheus Cunha zu verpflichten, und das bringt den Klub voran. Der neue Investor stellt die finanziellen Mittel zur Verfügung, die im heutigen Fußball sehr wichtig sind. Das ist die Voraussetzung, damit der Klub stetig wachsen kann.

Sie haben 25 Mio. Euro Ablöse gekostet. Welche Rolle spielt es, dass Sie Herthas teuerster Spieler aller Zeiten sind?

Es schmeichelt mir, dass der Klub so viel Geld für mich bezahlt hat. Ich bin froh über diese Investition. Ich weiß, dass ich dadurch viel Aufmerksamkeit vom Klub und von den Fans bekomme. Ich möchte etwas zurückgeben. Zu Beginn wird es etwas Zeit brauchen. Ich hatte seit vier Monaten kein Spiel, ich habe lange nicht mit dem Team trainiert. Ich brauche etwas Zeit, um wieder in Form zu kommen.

Mussten Sie Ihrer Familie erst erklären, welcher Verein Hertha ist?

(lacht) Nein, man kennt Hertha als Hauptstadt-Klub. In Frankreich wird viel Bundesliga im Fernsehen geschaut. Viele Franzosen spielen hier, das verfolgen und schätzen die Leute.

Vergrößern Tousart ist vom intensiven Training bei Bruno Labbadia (l.) positiv überrascht

Welchen Ruf hat Hertha in Frankreich?

Hertha war in den vergangenen Jahren im Tabellen-Mittelfeld unterwegs. Nachdem letztes Jahr der Investor eingestiegen ist, ist Hertha in eine neue Dimension vorgerückt. Allerdings wirkten die Trainerwechsel im vergangenen Jahr in Frankreich wie ein Zeichen von fehlender Stabilität. Seit der Ankunft von Trainer Bruno Labbadia wirkt der Klub wieder gefestigter und geordneter. Man will jetzt Stabilität zurückgewinnen und in der kommenden Saison eine gute Rolle spielen.

Stichwort Hauptstadtklub: In Frankreich hat es Paris St-Germain mithilfe von Investoren weit gebracht. Glauben Sie, dass Hertha so etwas wie das PSG von Deutschland werden kann?

Das halte ich grundsätzlich für möglich. Vor ungefähr zehn Jahren, bevor Paris die ganzen Titel geholt hat und Champions League gespielt hat, waren sie im Tabellen-Mittelfeld der Ligue 1, ein mittelmäßiger Klub. Die Katarer haben dann sehr viel Geld investiert und herausragende Spieler geholt. Verratti, Thiago Silva, Marquinhos und danach Neymar und Mbappé, sie haben sehr viel investiert. Das ist aktuell noch nicht wirklich vergleichbar, eine andere Dimension. Aber wenn Hertha weiter wächst und solche Spieler mit großer Klasse verpflichten könnte, könnte Hertha ein Klub wie Paris werden.

Kylian Mbappé kennen Sie noch persönlich aus der Junioren-Nationalmannschaft. Haben Sie noch Kontakt?

Ich war sein Kapitän, als wir im Finale in Hoffenheim die U19-EM gewonnen haben. Zu der Zeit hatten wir einen besonderen Kontakt. Danach haben wir uns vor den Spielen im Gang unterhalten, ein bisschen ausgetauscht. Er ist absolut außergewöhnlich, wie ein Außerirdischer.

Als Sie verpflichtet wurden, war Jürgen Klinsmann noch Hertha-Trainer. Wie oft hatten Sie damals Kontakt?

Wir haben einmal telefoniert und danach eine paar Handy-Nachrichten ausgetauscht. Er hat mir erklärt, wie er die Dinge sieht, was er mit dem Klub vorhat.

Was genau hat er Ihnen gesagt?

Er hat mir erklärt, welche Ziele der Investor hat, was das für ein Riesenprojekt für ihn ist, dass ein neues Stadion gebaut werden soll, der Klub nach oben drängt.

Wie haben Sie dann seinen Abgang erlebt?

Das war ein bisschen heikel, denn er war da, als ich meinen Vertrag unterschrieben habe. Von außen, in Frankreich, hat man das alles nicht nachvollziehen können. Ich selbst auch nicht. Ich habe nicht wirklich verstanden, warum er einfach gegangen ist, aber am Ende war es nicht er, der mich geholt hat. Es war ja der Klub, der mich wollte. Ich dachte: Dann wirst du dich eben bei einem anderen Trainer beweisen müssen.

Haben Sie daran gedacht, ohne Klinsmann nicht herzukommen?

Nein, überhaupt nicht! Michael Preetz wollte mich unbedingt holen, hat mir viel Vertrauen geschenkt. Ich habe nicht gezögert. So ist der Fußball: Trainer wechseln viel häufiger als wir Spieler.

Wie ist Ihr Eindruck von Ihrem neuen Trainer Bruno Labbadia?

Er hat eine gute Spielidee. Der erste Eindruck ist sehr gut. Er ist ein sehr guter Coach, sehr geradeheraus und strikt. Ein strenger Deutscher (lacht). Und er will viel mit uns erreichen.

Kannten Sie Labbadia vorher?

Nein, ich kannte ihn noch nicht.

Das heißt, Sie mussten ihn erst googlen?

Ich war zu Hause, als ich erfahren habe, dass es einen neuen Trainer gibt. Dann habe ich natürlich nachgeschaut, wer er ist und wo er überall gearbeitet hat. Ich habe gesehen, dass wir 2018 ein Freundschaftsspiel gegeneinander hatten, Lyon gegen Wolfsburg.

Wie unterschiedlich ist das Training? Sie wirken ein wenig erschöpft, ist die Vorbereitung hier härter?

Definitiv! Das Training ist intensiv und recht lang. Es ist eine andere Art zu arbeiten. Während der Vorbereitung haben wir in Lyon überspitzt gesagt manchmal Wochen mit dreimal Training gehabt. Hier haben wir drei Einheiten am Tag! Das ist am Anfang schwierig, aber es läuft gut.

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