Pandemiebedingt hat die Digitalisierung sowohl im Studium
als auch in der Arbeitswelt einen großen Sprung gemacht.
Rein digitales Arbeiten oder Studieren ist für die meisten auf
Dauer keine Option, aber wie sieht es mit einer Kombi aus?
Schlagwort hybrid! Soll dieses neue Modell in den Bereichen
Studium und Beruf etabliert werden? Die drei TU-Studierenden Serap, Ferdinand und Dragana erzählen, was sie während
der extremen Umstellungen der letzten Monate gefühlt haben
und verraten, wie, zumindest laut ihnen, der Alltag der
Zukunft aussehen soll.
Die 25-jährige Architekturstudentin Serap Kaya ist seit Anfang 2020 in einem Wiener Architekturbüro tätig und schreibt aktuell an ihrer Diplomarbeit. Neben ihrem Vollzeitjob hat sie in den vergangenen Monaten noch nebenbei an diversen Projektübungen an der TU teilgenommen. Sie wollte ursprünglich eine Studienpause einlegen, um sich vollkommen auf ihren neuen Job zu fokussieren, hat sich allerdings im letzten Jahr rasch umentschieden, als sie gehört hat, dass die Österreichischen Hochschulen auf Distance Learning umstellen. Die ersten Wochen waren, wie für die meisten, sehr überfordernd. Die fleißige Studentin hatte anders als zuvor enorme Konzentrationsschwierigkeiten, vor allem, da sie in den Lockdown-Phasen nie alleine zu Hause war und ihr die Pandemie an sich zu schaffen gemacht hat. Serap hat jedoch nach einer Weile versucht umzudenken und das Beste aus der Situation herauszuholen. Nach und nach hat sie die digitale Lehre als Vorteil bzw. Entlastung betrachten können: „Ich habe verstanden, dass ich Vollzeitjob und Uni nur deshalb gut managen konnte, weil es eben die Möglichkeit gab, alle Lehrveranstaltungen online zu machen. Ich hätte ansonsten später alle Lehrveranstaltungen mit Anwesenheitspflicht nachholen müssen. Ich habe mit meiner Chefin gesprochen, ihr die Lage erklärt 20 | L E B E N und von ihr das Okay bekommen, meine Lehrveranstaltungen während der Arbeitszeit online besuchen zu dürfen. Ich konnte dadurch sozusagen an beiden Orten gleichzeitig sein, was früher für so viele leider undenkbar gewesen ist. Der Switch auf Distanzlehre war das Beste, das mir passieren konnte.“ Dennoch erklärt sie an dieser Stelle in ernstem Ton, dass ihr bewusst ist, dass ihre Situation als ältere Msterstudentin leichter ist als die der jüngeren. Die schönen sozialen Aspekte eines Studiums hat sie in den letzten Jahren bereits reichlich genießen können: „Ich habe so viele super Leute kennengelernt, tolle Freundschaften geschlossen, da wir damals eben die Möglichkeiten dazu hatten. Meine jüngere Schwester studiert auch an der TU und ist jetzt im 3. Semester. Sie kann das Studium leider gar nicht so genießen, wie ich es konnte. Die für Uni-Neulinge so wichtige Interaktionen mit den anderen sind fast komplett weggefallen. Sie kennt nur ihre Projektpartner*innen. Ich hoffe, das ändert sich durch die hybride Studienvariante.“ „Die digitale Lehre alleine wird sich auf Dauer nicht durchsetzen“ Ähnlich wie Serap hat auch die 22-jährige Dragana Sunaric die erste Umstellung auf Distance Learning für sich selbst als vorteilhaft empfunden. Sie studiert seit sechs Semestern Softwareengineering und Technische Mathematik an der TU, ist in der Studienvertretung aktiv und arbeitet Teilzeit als Softwareentwicklerin. Zur aktuellen hybriden Lehre sagt sie: „Die Möglichkeit, hybrid studieren zu können, ist die totale Entlastung für mich persönlich. Man kann von überall aus Lehrveranstaltungen besuchen und Prüfungen machen, egal, ob man zu Hause ist oder man die Familie außerhalb besucht. Ich kann mir gar nicht vorstellen, mir wieder andauernd extra mehr Zeit nehmen zu müssen, um zu Lehrveranstaltungen zu fahren. Für mich ist die Lage ideal, weil ich online einfach viel flexibler bin. Hybrid ist noch besser, da man zusätzlich die Wahl hat, ob man Lehrveranstaltungen vor Ort oder eben digital machen will.“ Anschließend möchte sie klarstellen, dass die Fernlehre nur Sinn ergibt, wenn Lehrkräfte sich auch entsprechend darauf vorbereiten. Sie hat schon erlebt, dass einige (vor allem ältere) Professor*innen bloß einige Folien und keine dazugehörigen Vorträge für Vorlesungen zur Verfügung gestellt haben. Als Teil der Studienvertretung tauscht sich Dragana regelmäßig mit ihren Mitstudierenden aus. Sie beobachtet hierbei, dass sich trotz der zeitsparenden Vorteile des Distance Learning viele noch immer stark nach Social Experiences sehnen und nimmt an, dass sich die digitale Lehre nicht auf Dauer durchsetzen wird, weil Studierende, laut ihr, sofern es möglich ist, eher wieder in den Hörsälen statt vor den Computern sitzen werden. Kameraüberwachung während der Prüfung Der 30-jährige Ferdinand arbeitet in einem Ziviltechnikbüro als Gutachter, studiert berufsbegleitend an der TU Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau Serap Kaya (25) studiert Architektur und sieht in der Distanzlehre viele Vorteile. Dragana Sunaric (22) studiert Softwareengineering und Technische Mathematik und arbeitet als Softwareentwicklerin. 21 und ist derzeit damit beschäftigt, seine Abschlussarbeit zu schreiben. Im Großen und Ganzen war er eher weniger begeistert vom Distance Learning: „Ich habe in den letzten Semestern einige Gruppenarbeiten mit Leuten machen müssen, die ich vorher nicht gekannt habe, und das war einfach ein ganz eigenartiges und unnatürliches Zusammenarbeiten. Die Leute kamen in den virtuellen Raum hinein, waren halbwegs fertig und wollten dann so schnell wie möglich wieder raus. Im realen Leben spricht man bei den Gruppentreffen am Ende doch so gut wie immer über Privates, sobald die Arbeit getan ist. Irgendwann war mir das zu blöd und ich habe die Leute dann direkt gefragt, ob wir uns nach der Aufgabenbesprechung noch kurz Zeit nehmen wollen und ein bisschen über uns reden, damit wir zumindest eine Vorstellung davon haben, mit wem wir hier zusammenarbeiten.“ Auch die Prüfungen hätte er lieber direkt an der Uni gemacht, da die verschiedenen Setups mit zwei bis drei Kameras, die sicherstellen sollten, dass nicht geschummelt wird, ebenso eine mentale Herausforderung für viele Studierende darstellten. Einerseits wurde das Equipment nicht zur Verfügung gestellt und andererseits stellt das Ganze natürlich einen enormen Eingriff in die Privatsphäre dar. „Spätestens hier war mir die Auswahlmöglichkeit der Prüfungen vor Ort deutlich lieber“, fügt Ferdinand lachend hinzu. Er ist außerdem davon überzeugt, dass die Auswahlmöglichkeit der Vor-Ort-Lehre für Studierende, die die Grundlagenfächer machen, viel sinnvoller wäre, da hier erfahrungsgemäß immer Fragen aufkommen. Dragana erwähnt, dass an dieser Stelle auch das Thema soziale Gerechtigkeit von großer Bedeutung ist, da selten darüber gesprochen wird, dass nicht alle Studierenden sich das ganze technische Equipment leisten können und auch nicht jede*r eine eigene Wohnung hat, in der man sich sicher sein kann, dass absolut niemand sonst während der Prüfungsaufnahme in den Raum stürmt, wie von vielen Lehrkräften verlangt wurde. Sie sagt dazu: „Manche wohnen zu Beginn des Studiums auch noch bei den Eltern, andere in winzigen WGs, und darauf wird in den Debatten leider gar keine Rücksicht genommen. Das stört mich sehr!“ Neben der hybriden Lehre hat sich mittlerweile auch die hybride Arbeitswelt weitgehend etabliert. Für viele Arbeitgeber*innen, aber auch Arbeitnehmer*innen, war im Homeoffice zu arbeiten lange Zeit nicht wirklich auf der Liste der Möglichkeiten. „Ich habe im Jänner 2020 begonnen und es gab zu dem Zeitpunkt in unserem Büro nicht einmal eine Homeoffice-Option“ „Ich habe beim Bewerbungsgespräch, das eben nicht lange vor der Pandemie stattgefunden hat, gar nicht darüber nachgedacht, von zu Hause aus zu arbeiten. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen. Ich habe im Jänner 2020 begonnen und es gab zu dem Zeitpunkt in unserem Büro nicht einmal eine Homeoffice-OpFerdinand Berger (30) studiert Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau und arbeitet in einem Ziviltechnikbüro als Gutachter. 22 | L E B E N tion. Man arbeitet vor allem bei großen Projekten nicht alleine, aber dann mussten wir uns an die Situation anpassen.“ Seit Beginn der Pandemie ist der Arbeitsalltag für Serap und ihre Teamkolleg*innen komplett hybrid. Serap ist davon überzeugt, dass sie ohne die Umstellung auf Homeoffice deutlich weniger selbstständig arbeiten würde und ist froh über die Auswahlmöglichkeit: „Im Lockdown war ich bei allen Fragen praktisch auf mich alleine gestellt. Für die Arbeit an unserem TeamWorkfile habe ich zu Beginn im Büro immer meinen Projektleiter gefragt, bevor ich auch nur Kleinigkeiten hinzugefügt habe, aber im Homeoffice konnte ich natürlich nicht alle zehn Minuten anrufen.“ Den Workspace komplett in die eigenen vier Wände zu verlagern, würde Serap jedoch nicht in den Sinn kommen. Hybrid arbeiten ist ihr am liebsten. Sie genießt den Austausch mit den Kolleg*innen, das gemeinsame Mittagessen, die Kaffeepausen, aber eben auch die Freiheit, zu Hause bleiben zu können, wenn sie will, vor allem wenn sie weiß, dass sie zwischendurch private Termine hat und die verlorene Zeit direkt danach in den eigenen vier Wänden nacharbeiten kann. Flexibilität und Freiheit erwünscht Ferdinand, der zwar ebenfalls aufgrund der Pandemie die Möglichkeit für Homeoffice hatte, hat das Angebot zwar sehr geschätzt, aber selten genutzt, da er aus dem Haus kommen wollte. Auch seine Tätigkeit als Gutachter, bei der er oft ältere Daten benötigt, die es nur in Printform gibt, wäre von zu Hause umständlicher gewesen. Dennoch versteht er, warum eine hybride Arbeitswelt so attraktiv für junge Leute ist: „Ich glaube, dass die jetzige Generation im Vergleich zur Generation unserer Eltern viel mehr Fokus auf persönliche Flexibilität, Freiheit und Privatsphäre legt.“ Dragana, bei der es schon zuvor die Option gab, von zu Hause aus zu arbeiten, geht zwar lieber ins Büro, findet aber trotzdem, dass Arbeitgeber*innen die Option hybrid stets in Erwägung ziehen sollten, sofern es für den jeweiligen Beruf Sinn ergibt. Auch sie ist der Meinung, dass man vor allem jungen Erwachsenen mehr Raum für Freiheit und Flexibilität lassen muss. „Es wird immer über das Konzept Vollzeitstudium gesprochen. Studieren als Vollzeitaktivität zu betrachten, finde ich ein bisschen albern. Wenn man mir echt erzählen will, dass ich nebenbei nicht arbeiten sollte, möchte ich einfach fragen, wie ich sonst meine Miete bezahlen soll. Es ist einfach sinnlos, uns dazu drängen zu wollen, bei Lehrveranstaltungen immer physisch anwesend zu sein“, beschwert sie sich. Serap fügt hinzu, dass hybride Modelle das größte Potenzial haben, den Alltag der neuen Generation auf lange Sicht zu vereinfachen, und man dies in so vielen Bereichen wie möglich nutzen sollte. Zum Original
Die 25-jährige Architekturstudentin Serap Kaya ist seit Anfang 2020 in einem Wiener Architekturbüro tätig und schreibt aktuell an ihrer Diplomarbeit. Neben ihrem Vollzeitjob hat sie in den vergangenen Monaten noch nebenbei an diversen Projektübungen an der TU teilgenommen. Sie wollte ursprünglich eine Studienpause einlegen, um sich vollkommen auf ihren neuen Job zu fokussieren, hat sich allerdings im letzten Jahr rasch umentschieden, als sie gehört hat, dass die Österreichischen Hochschulen auf Distance Learning umstellen. Die ersten Wochen waren, wie für die meisten, sehr überfordernd. Die fleißige Studentin hatte anders als zuvor enorme Konzentrationsschwierigkeiten, vor allem, da sie in den Lockdown-Phasen nie alleine zu Hause war und ihr die Pandemie an sich zu schaffen gemacht hat. Serap hat jedoch nach einer Weile versucht umzudenken und das Beste aus der Situation herauszuholen. Nach und nach hat sie die digitale Lehre als Vorteil bzw. Entlastung betrachten können: „Ich habe verstanden, dass ich Vollzeitjob und Uni nur deshalb gut managen konnte, weil es eben die Möglichkeit gab, alle Lehrveranstaltungen online zu machen. Ich hätte ansonsten später alle Lehrveranstaltungen mit Anwesenheitspflicht nachholen müssen. Ich habe mit meiner Chefin gesprochen, ihr die Lage erklärt 20 | L E B E N und von ihr das Okay bekommen, meine Lehrveranstaltungen während der Arbeitszeit online besuchen zu dürfen. Ich konnte dadurch sozusagen an beiden Orten gleichzeitig sein, was früher für so viele leider undenkbar gewesen ist. Der Switch auf Distanzlehre war das Beste, das mir passieren konnte.“ Dennoch erklärt sie an dieser Stelle in ernstem Ton, dass ihr bewusst ist, dass ihre Situation als ältere Msterstudentin leichter ist als die der jüngeren. Die schönen sozialen Aspekte eines Studiums hat sie in den letzten Jahren bereits reichlich genießen können: „Ich habe so viele super Leute kennengelernt, tolle Freundschaften geschlossen, da wir damals eben die Möglichkeiten dazu hatten. Meine jüngere Schwester studiert auch an der TU und ist jetzt im 3. Semester. Sie kann das Studium leider gar nicht so genießen, wie ich es konnte. Die für Uni-Neulinge so wichtige Interaktionen mit den anderen sind fast komplett weggefallen. Sie kennt nur ihre Projektpartner*innen. Ich hoffe, das ändert sich durch die hybride Studienvariante.“ „Die digitale Lehre alleine wird sich auf Dauer nicht durchsetzen“ Ähnlich wie Serap hat auch die 22-jährige Dragana Sunaric die erste Umstellung auf Distance Learning für sich selbst als vorteilhaft empfunden. Sie studiert seit sechs Semestern Softwareengineering und Technische Mathematik an der TU, ist in der Studienvertretung aktiv und arbeitet Teilzeit als Softwareentwicklerin. Zur aktuellen hybriden Lehre sagt sie: „Die Möglichkeit, hybrid studieren zu können, ist die totale Entlastung für mich persönlich. Man kann von überall aus Lehrveranstaltungen besuchen und Prüfungen machen, egal, ob man zu Hause ist oder man die Familie außerhalb besucht. Ich kann mir gar nicht vorstellen, mir wieder andauernd extra mehr Zeit nehmen zu müssen, um zu Lehrveranstaltungen zu fahren. Für mich ist die Lage ideal, weil ich online einfach viel flexibler bin. Hybrid ist noch besser, da man zusätzlich die Wahl hat, ob man Lehrveranstaltungen vor Ort oder eben digital machen will.“ Anschließend möchte sie klarstellen, dass die Fernlehre nur Sinn ergibt, wenn Lehrkräfte sich auch entsprechend darauf vorbereiten. Sie hat schon erlebt, dass einige (vor allem ältere) Professor*innen bloß einige Folien und keine dazugehörigen Vorträge für Vorlesungen zur Verfügung gestellt haben. Als Teil der Studienvertretung tauscht sich Dragana regelmäßig mit ihren Mitstudierenden aus. Sie beobachtet hierbei, dass sich trotz der zeitsparenden Vorteile des Distance Learning viele noch immer stark nach Social Experiences sehnen und nimmt an, dass sich die digitale Lehre nicht auf Dauer durchsetzen wird, weil Studierende, laut ihr, sofern es möglich ist, eher wieder in den Hörsälen statt vor den Computern sitzen werden. Kameraüberwachung während der Prüfung Der 30-jährige Ferdinand arbeitet in einem Ziviltechnikbüro als Gutachter, studiert berufsbegleitend an der TU Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau Serap Kaya (25) studiert Architektur und sieht in der Distanzlehre viele Vorteile. Dragana Sunaric (22) studiert Softwareengineering und Technische Mathematik und arbeitet als Softwareentwicklerin. 21 und ist derzeit damit beschäftigt, seine Abschlussarbeit zu schreiben. Im Großen und Ganzen war er eher weniger begeistert vom Distance Learning: „Ich habe in den letzten Semestern einige Gruppenarbeiten mit Leuten machen müssen, die ich vorher nicht gekannt habe, und das war einfach ein ganz eigenartiges und unnatürliches Zusammenarbeiten. Die Leute kamen in den virtuellen Raum hinein, waren halbwegs fertig und wollten dann so schnell wie möglich wieder raus. Im realen Leben spricht man bei den Gruppentreffen am Ende doch so gut wie immer über Privates, sobald die Arbeit getan ist. Irgendwann war mir das zu blöd und ich habe die Leute dann direkt gefragt, ob wir uns nach der Aufgabenbesprechung noch kurz Zeit nehmen wollen und ein bisschen über uns reden, damit wir zumindest eine Vorstellung davon haben, mit wem wir hier zusammenarbeiten.“ Auch die Prüfungen hätte er lieber direkt an der Uni gemacht, da die verschiedenen Setups mit zwei bis drei Kameras, die sicherstellen sollten, dass nicht geschummelt wird, ebenso eine mentale Herausforderung für viele Studierende darstellten. Einerseits wurde das Equipment nicht zur Verfügung gestellt und andererseits stellt das Ganze natürlich einen enormen Eingriff in die Privatsphäre dar. „Spätestens hier war mir die Auswahlmöglichkeit der Prüfungen vor Ort deutlich lieber“, fügt Ferdinand lachend hinzu. Er ist außerdem davon überzeugt, dass die Auswahlmöglichkeit der Vor-Ort-Lehre für Studierende, die die Grundlagenfächer machen, viel sinnvoller wäre, da hier erfahrungsgemäß immer Fragen aufkommen. Dragana erwähnt, dass an dieser Stelle auch das Thema soziale Gerechtigkeit von großer Bedeutung ist, da selten darüber gesprochen wird, dass nicht alle Studierenden sich das ganze technische Equipment leisten können und auch nicht jede*r eine eigene Wohnung hat, in der man sich sicher sein kann, dass absolut niemand sonst während der Prüfungsaufnahme in den Raum stürmt, wie von vielen Lehrkräften verlangt wurde. Sie sagt dazu: „Manche wohnen zu Beginn des Studiums auch noch bei den Eltern, andere in winzigen WGs, und darauf wird in den Debatten leider gar keine Rücksicht genommen. Das stört mich sehr!“ Neben der hybriden Lehre hat sich mittlerweile auch die hybride Arbeitswelt weitgehend etabliert. Für viele Arbeitgeber*innen, aber auch Arbeitnehmer*innen, war im Homeoffice zu arbeiten lange Zeit nicht wirklich auf der Liste der Möglichkeiten. „Ich habe im Jänner 2020 begonnen und es gab zu dem Zeitpunkt in unserem Büro nicht einmal eine Homeoffice-Option“ „Ich habe beim Bewerbungsgespräch, das eben nicht lange vor der Pandemie stattgefunden hat, gar nicht darüber nachgedacht, von zu Hause aus zu arbeiten. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen. Ich habe im Jänner 2020 begonnen und es gab zu dem Zeitpunkt in unserem Büro nicht einmal eine Homeoffice-OpFerdinand Berger (30) studiert Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau und arbeitet in einem Ziviltechnikbüro als Gutachter. 22 | L E B E N tion. Man arbeitet vor allem bei großen Projekten nicht alleine, aber dann mussten wir uns an die Situation anpassen.“ Seit Beginn der Pandemie ist der Arbeitsalltag für Serap und ihre Teamkolleg*innen komplett hybrid. Serap ist davon überzeugt, dass sie ohne die Umstellung auf Homeoffice deutlich weniger selbstständig arbeiten würde und ist froh über die Auswahlmöglichkeit: „Im Lockdown war ich bei allen Fragen praktisch auf mich alleine gestellt. Für die Arbeit an unserem TeamWorkfile habe ich zu Beginn im Büro immer meinen Projektleiter gefragt, bevor ich auch nur Kleinigkeiten hinzugefügt habe, aber im Homeoffice konnte ich natürlich nicht alle zehn Minuten anrufen.“ Den Workspace komplett in die eigenen vier Wände zu verlagern, würde Serap jedoch nicht in den Sinn kommen. Hybrid arbeiten ist ihr am liebsten. Sie genießt den Austausch mit den Kolleg*innen, das gemeinsame Mittagessen, die Kaffeepausen, aber eben auch die Freiheit, zu Hause bleiben zu können, wenn sie will, vor allem wenn sie weiß, dass sie zwischendurch private Termine hat und die verlorene Zeit direkt danach in den eigenen vier Wänden nacharbeiten kann. Flexibilität und Freiheit erwünscht Ferdinand, der zwar ebenfalls aufgrund der Pandemie die Möglichkeit für Homeoffice hatte, hat das Angebot zwar sehr geschätzt, aber selten genutzt, da er aus dem Haus kommen wollte. Auch seine Tätigkeit als Gutachter, bei der er oft ältere Daten benötigt, die es nur in Printform gibt, wäre von zu Hause umständlicher gewesen. Dennoch versteht er, warum eine hybride Arbeitswelt so attraktiv für junge Leute ist: „Ich glaube, dass die jetzige Generation im Vergleich zur Generation unserer Eltern viel mehr Fokus auf persönliche Flexibilität, Freiheit und Privatsphäre legt.“ Dragana, bei der es schon zuvor die Option gab, von zu Hause aus zu arbeiten, geht zwar lieber ins Büro, findet aber trotzdem, dass Arbeitgeber*innen die Option hybrid stets in Erwägung ziehen sollten, sofern es für den jeweiligen Beruf Sinn ergibt. Auch sie ist der Meinung, dass man vor allem jungen Erwachsenen mehr Raum für Freiheit und Flexibilität lassen muss. „Es wird immer über das Konzept Vollzeitstudium gesprochen. Studieren als Vollzeitaktivität zu betrachten, finde ich ein bisschen albern. Wenn man mir echt erzählen will, dass ich nebenbei nicht arbeiten sollte, möchte ich einfach fragen, wie ich sonst meine Miete bezahlen soll. Es ist einfach sinnlos, uns dazu drängen zu wollen, bei Lehrveranstaltungen immer physisch anwesend zu sein“, beschwert sie sich. Serap fügt hinzu, dass hybride Modelle das größte Potenzial haben, den Alltag der neuen Generation auf lange Sicht zu vereinfachen, und man dies in so vielen Bereichen wie möglich nutzen sollte. Zum Original