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MIRell Photonics will Laserdioden besser machen

MIRell-Photonics-Mitgründerin Caroline von Andrian-Werburg zeigt den Prototyp des laser-basierten Ellipsometers. Foto: Sebastian Schwarz/B4BMAINFRANKEN

„Wir messen mit einem Laser etwas, damit andere Laser besser werden“. So beschreibt Caroline von Andrian-Werburg die Geschäftsidee von MIRell Photonics. Das Würzburger Startup hat ein sogenanntes laser-basiertes Ellipsometer entwickelt. Mit diesem Messgerät können die Schichtdicke und der Brechungsindex von Materialen im mittleren Infrarotbereich bestimmt werden.


Der Nicht-Physiker wird sich nun wohl erst einmal fragen, wofür das denn gut sein soll. Etwas vereinfacht ausgedrückt kann damit die Herstellung von Laserdioden verbessert werden. Solche Dioden finden sich in vielen alltäglichen Elektronikgeräten, wie etwa DVD-Laufwerken oder Abstandssensoren von Autos. Auch beim Datenverkehr über Glasfaserkabel kommen die Laserquellen zum Einsatz. Mit Hilfe des Messinstruments der Würzburger wäre es möglich, solche Laserdioden genauer zu kalibrieren und dadurch zum Beispiel eine höhere Datenrate bei Glasfaserkabeln zu erreichen.

Gegenüber möglicher Konkurrenz sehen sich die Würzburger vor allem dadurch im Vorteil, dass mit ihrem Apparat Messungen im mittleren Infrarotbereich möglich sind. „Das ist ein ganz starker Wachstumsmarkt, auf dem wir momentan noch alleine unterwegs sind", sagt Caroline von Andrian-Werburg. Daneben will das Unternehmen bei seiner Lösung auch an anderer Stelle mit Geschwindigkeit punkten. Das System soll Messungen rund 200 mal schneller durchführen können als vergleichbare Konkurrenzprodukte (sogenannte Weißlicht-Ellipsometer).

Einfache Technik und komplexe Simulation

Doch wie funktioniert das Messgerät eigentlich genau? „Ellipsometrie ist eine sehr elegante Methode", erklärt die Mitgründerin. Eine Probe wird mit Licht beleuchtet. Die Wellenlänge und Polarisation des Lichts muss dabei bekannt sein. Das Licht wird an der Oberfläche oder den Grenzschichten der Probe reflektiert, dabei ändert sich seine Polarisationsrichtung. „Das ist eine Größe, die man relativ einfach mit einem Polarisationsfilter messen kann, wie man ihn etwa aus Sonnenbrillen oder Fotokameras kennt." Aus dieser Messung wird anschließend ein Softwaremodell gebildet, welches Brechungsindex und Schichtdicke abschätzt. Das Modell wird dann solange variiert, bis der gemessene Polarisationsverlauf perfekt widergegeben wird. Sind Modell und Messung deckungsgleich, hat der Anwender auch die gesuchten Werte der beiden Materialeigenschaften. „Das ist ein Zusammenspiel zwischen einfacher Technik und komplexer Simulation", so Caroline von Andrian-Werburg.

Rund ein Jahr arbeitet die 27-Jährige gemeinsam mit Nicolai Seubert an dem Prototyp des Messgeräts. Unterstützt werden sie dabei von Andreas Heger, der mittlerweile nur noch eine beratende Funktion bei dem Startup innehat. Auf die Idee für das Ellipsometer kommen die drei studierten Physiker, als Heger für seine Doktorarbeit den Brechungsindex von ein paar Materialien benötigt, es aber schlicht kein passendes Messgerät gibt. Sie beschließen einfach, selbst eines zu bauen. „Wir Physiker basteln und entwickeln gerne Sachen", merkt Andrian-Werburg mit einem Schmunzeln an. Neben Physik hat sie in Würzburg auch noch Nanostrukturtechnik studiert.

Viel Handarbeit

In dem voll funktionstüchtigen Prototyp steckt neben jeder Menge Technologie auch viel Handarbeit. Das liegt aber nicht nur an der Bastelfreude der Gründer, sondern auch daran, dass viele der benötigten Komponenten entweder zu teuer oder schlicht nicht in der benötigten Qualität zu bekommen sind. So müssen die Jungunternehmer eben des Öfteren selbst zum Lötkolben greifen. Die notwendigen Elektronikkenntnisse eignen sie sich im Selbststudium an.

Neben dem eigentlichen Messgerät entwickelt MIRell Photonics auch die komplette Steuerung selbst. Diese steckt in einem kleinen, schwarzen Computer-Gehäuse. Darin ist eine Platine, wie man sie auch vom Mainboard in einem handelsüblichen Computer kennt, nur etwas kleiner. Sämtliche Widerstände, Dioden und Kondensatoren darauf haben die drei Physiker mit viel Fingerspitzengefühl selbst festgelötet. „Das ist sozusagen das Herzstück des Geräts", erklärt Caroline von Andrian-Werburg. Für die Auswertung der Messdaten ist in dem Gehäuse außerdem noch ein sogenannter Odroid verbaut. Dabei handelt es sich um einen Mini-PC, dessen sämtliche Komponenten auf einer kleinen Platine untergebracht sind. Eine komplette Eigenentwicklung ist die Steuerungs- und Anwendungssoftware, die Andreas Heger programmiert hat.

Neben zusätzlichen Elektronikkenntnissen müssen sich die drei Jungunternehmer vor allem einiges Wissen in Betriebswirtschaftslehre aneignen. Denn dieser Bereich ist für sie mehr oder weniger Neuland, als sie ihr Unternehmen 2016 mit Hilfe des Exist-Gründerstipendiums aus der Taufe heben wollen. Um für die Förderung überhaupt in Frage zu kommen, müssen sie einen Businessplan vorlegen. „Wir hatten damals aber keine Ahnung, was genau das überhaupt ist", erinnert sich Caroline von Andrian-Werburg. Davon lassen sie und ihre Mitstreiter sich aber nicht beirren, sondern lernen sich das nötige Wissen stattdessen einfach an. „Es gab Phasen, wo ich mehr bei Fortbildungen im Gründerzentrum war als bei meiner Masterarbeit", erzählt die Mitgründerin, die sich bei MIRell Photonics um Management, Marketing und Vertrieb kümmert. Innerhalb von zwei Jahren hat sie mittlerweile bereits 28 verschiedene Fortbildungen besucht. Auf dem Programm stehen neben dem Businessplan auch Themen wie technischer Vertrieb, Finanzplanung und Kalkulation, Marketing, Teamführung und Vertragsrecht.

Doch die Mühe lohnt sich: Einen ersten Erfolg erlebt das Unternehmen beim nordbayerischen Businessessplan-Wettbewerb. Dort gewinnt MIRell Photonics die ersten beiden von insgesamt drei Phasen. Die drei Physiker sind nach diesem Ergebnis überzeugt, auch den geschäftlichen Teil bei der Gründung hinzukriegen. Mitte 2016 beantragen sie die Exist-Gründerförderung, im Herbst erhalten sie den Zuschlag. Der offizielle Startschuss für ihr Startup fällt am 1. Januar 2017.

Test unter realen Bedingungen

Mit der Fertigstellung des Prototyps hat das Jungwuchsunternehmen einen ersten großen Schritt gemacht. Mittlerweile haben die Gründer außerdem auch schon einen Pilotkunden, bei dem das Gerät unter realen Laborbedingungen getestet werden soll. Der Zeitplan für die nächsten Wochen und Monate ist indes prall gefüllt. Auf technischer Seite wollen sie zunächst ab Herbst Zusatzmodule entwickeln, um damit das Ellipsometer mit weiteren Funktionen auszustatten. Außerdem wollen sie ein Kombi-System entwickeln, für das sie noch zwei neue Messgeräte bauen wollen.

Ihr künftiges Geschäftsfeld sehen Caroline von Andrian-Werburg und Nicolai Seubert im Bereich Forschung & Entwicklung. „Unser Ziel ist es, für Kunden individuelle Messlösungen zu entwickeln". Das Ellipsometer soll dabei sozusagen der Türöffner in diesen Markt sein. „Damit haben wir gezeigt, dass wir aus einer Idee ein funktionierendes Gerät entwickeln können, dass man anschalten und benutzen kann", sagt die 27-Jährige. Die Fertigung der Messgeräte in größeren Stückzahlen wollen die Würzburger allerdings nicht selbst übernehmen. Sie könnten sich nach eigener Aussage eher vorstellen, ihre Lösungen zu lizensieren und den Bau so an Dritte auszulagern.

Als Zielgruppe hat MIRell Photonics zunächst kleine und mittelständische Unternehmen im Bereich der Photonik im Visier. Aber langfristig wären natürlich auch große Halbleiterhersteller als potenzielle Kunden sehr interessant.


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