Wenns was nützt, zeigt sich das Kapital auch mal weltoffen - so ganz aktuell 50 Familienunternehmen, die wirklich nichts mit dem schnuckeligen Familienbetrieb von nebenan zu tun haben, sondern vielmehr in Milliardendimensionen kalkulieren. Ende März schalteten diese als Familenunternehmen getarnten Global Player große Zeitungsanzeigen und ließen in deutschen Großstädten schöne Plakate verkleben: „Made in Germany - made by Vielfalt". Protektionistisches Gebaren und EU-feindliche Rechte sind für exportorientierte Firmen eben schlecht fürs Geschäft.
Das Lower Class Magazine wies darauf hin, dass einige der unterzeichnenden Unternehmen in der Vergangenheit einen etwas eigenwilligen Begriff von Weltoffenheit hatten. Bei Vorwerk etwa schufteten während des Zweiten Weltkriegs Hunderte Zwangsarbeiter, um Flugabwehrgeschütze effektiver zu machen. Unter den Unterzeichnern ist auch die Würth-Gruppe, bei der es gerade nicht so dufte läuft, denn die Bundesregierung hat einen Rüstungsstopp nach Saudi-Arabien verhängt.
Solche Kampagnen liegen gerade im Trend. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände erklärten Mitte März gemeinsam, dass Zuwanderung den Standort Deutschland bereichere. Bereichernd fanden einige Unternehmer im Herbst 2015 auch Geflüchtete - und versuchten sogleich Mindestlohn-Ausnahmen für sie durchzusetzen.
Es ist keine neue Erkenntnis, dass das Kapital sich über viele Arbeitskräfte freut - Konkurrenz belebt das Geschäft. Schon vor langer Zeit diskutierten daher in Stuttgart fast 1.000 Menschen aus vielen Ländern über den Einfluss von Arbeitsmigration auf das Proletariat der Herkunfts- und Zielländer. Ihre Resolution stellte klar, dass es keine Ausschlüsse geben dürfe. Ihre Empfehlungen: Arbeitsschutz, Einführung eines Minimallohns für alle sowie die Abschaffung aller Beschränkungen, welche Menschen vom Aufenthalt in einem Lande und den sozialen, politischen und ökonomischen Rechten der Einheimischen ausschließen oder sie ihnen erschweren. Es war der internationale Sozialistenkongress. Im Jahr 1907.
Heute wollen viele, auch Linke, die Schotten lieber dicht machen. Der Gedanke: Wenn aufgrund eines deregulierten und entsicherten Arbeitsmarktes der Konkurrenzdruck zwischen den Einheimischen ohnehin schon stark ist, dann sollten nicht noch mehr Ellbogen hinzu kommen. Doch wo Ellbogen sind, können sich Menschen auch einhaken - und gemeinsam gegen das neoliberale Hier und Jetzt streiten.