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Die Spargeläcker sind ausgezehrt

Spargelkraut sprießt nach der Ernte-Saison - zumindest bei gesunden Spargelpflanzen. Foto: Lenhardt

Von Sebastian Blum


Schwetzingen. Mit Sorgenfalten blickt Ulli Renkert auf den Spargelacker vor seinem Haus. Schon seit zwei Wochen hat er hier keinen Stich mehr getan. Er ist enttäuscht. Mit dem Ernteschluss sollten auf dem Feld eigentlich hohe Triebe mit feinem grünen Laub sprießen, wie auch auf seinen anderen Äckern. Bisher ist aber kaum Spargelkraut gewachsen.

Für den Schwetzinger Spargelbauer ein schlechtes Omen: "Vielleicht müssen wir nächstes Jahr diese gute Spargelsaison büßen." Die Pflanzen im Acker vor dem Haus könnten wegen Überlastung kaputt sein. Seine erste Analyse der vergangenen zwei Monate fällt eigentlich positiv aus. Renkert hat viel Spargel geerntet, wie viele Kilos weiß er nicht genau. Seine Böden haben alles hergegeben, die Pflanzen zwei Monate lang ohne Pause durchproduziert.

Doch in der vergangenen Woche sind die Stangen auch auf den anderen Äckern dünner geworden. Erste Vorboten. Am Samstag hat er die Arbeit dann komplett eingestellt, die Erntegeräte verstaut. Und das eigentlich zu früh.

350 Jahre Spargelanbau feierte Schwetzingen in diesem Jahr. Und ausgerechnet in Deutschlands Spargelmetropole haben die Bauern ihre Arbeit zehn Tage vor dem traditionellen Stichtag, dem Johannistag am 24. Juni, eingestellt. "Da ist einfach die Kraft in der Pflanze weg", berichtet auch Elfriede Fackel-Kretz-Keller. Die Schwetzinger Gemeinderätin betreibt nebenbei einen kleinen Spargelhof im Familienbesitz.

Genau wie Ulli Renkert spricht sie von einem "außergewöhnlich ertragreichen Spargeljahr". Eines, das Verbrauchern und Kleinbauern niedrige Preise und eine glückliche Stammkundschaft bescherte, aber Großbauern und die Absatzgenossenschaft ziemlich angefressen zurücklässt.

Die Schwetzinger Familienbetriebe konnten zweimal am Tag ergiebig ernten, ihre Kunden im Ort zufriedenstellen. Als "außergewöhnlich" bezeichnen sie die Saison aus zwei Gründen. Erstens: Es war schon sehr früh sehr heiß. "Schlagartig sind die Stangen Mitte April binnen vier Tagen geschossen", berichtet Max Brenner, Vorsitzender der Schwetzinger Spargelgenossenschaft, beinahe euphorisch.

Auch er bestellt Äcker und kann den zweiten Grund für die ertragreiche Saison benennen: "Normalerweise bringt der Kälteeinbruch über die Eisheiligen den Pflanzen eine Ruhephase." Doch diesen Kälteeinbruch gab es 2018 nicht. Die Temperaturen sanken im Mai nachts auf maximal zehn bis 15 Grad ab. "Milde Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit - solche Bedingungen liebt das Nachtschattengewächs Spargel."

Und führte dieses Jahr zur Überproduktion. Die Nachfrage für das "königliche Gemüse" war groß, berichten die Bauern. Doch sie kann noch so hoch sein: Wenn es ein Überangebot am Markt gibt, sinken die Preise. Zum großen Nachteil für die Erzeuger. So viel Bilanz zieht auch die Obst- und Gemüse-Absatzgenossenschaft Nordbaden (OGA) bereits.

Deren Geschäftsführer Hans Lehar ist sichtlich angefressen: "Wir sind sehr unzufrieden mit diesem Jahr." Denn eines steht fest: Das ertragreiche Jahr hat den Markt mit Spargel überflutet - und damit für "historische Tiefstpreise" gesorgt, wie Lehar moniert.

Genau davon hat Armin Rohr profitiert. Der Schwetzinger Händler betreibt seit vierzig Jahren einen Spargelversand in vierter Generation und will seine Freude nicht verbergen: "Ich hatte die beste Saison meines Lebens." Es gab also Gewinner und Verlierer. Doch auch Rohr teilt die Sorgen seiner Kollegen. Das Jahr bezeichnet er aus Sicht der Erzeuger als "irre schlecht".

Trotz riesiger Nachfrage: "Die Großbauern müssen mit ihrem immensen Erzeugnis zur OGA nach Bruchsal, weil sie den Spargel gar nicht mehr selbst vermarkten können", erklärt der Händler. Wochenlang sei der Kilopreis für Spargel der Klasse I im einstelligen Bereich gewesen, und damit zwei bis drei Euro unter dem Schnitt. Besserung gebe es aktuell: "Für alle, die noch ernten: Das Preisniveau ist gestiegen."

Historische Tiefstpreise, ausgelaugte Pflanzen. Eine Bilanz steht noch aus. Doch wenn es hart auf hart kommt, muss Ulli Renkert den Acker vor seinem Haus umpflügen. Er hat nicht viel mehr als ein Bauchgefühl. Vielleicht wächst das Kraut noch. Andernfalls muss der Acker zehn Jahre ruhen.

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