In der letzten DDR-Fußballsaison verpasste der FC Vorwärts Frankfurt als Tabellenletzter den Sprung in den Profi-Fußball. Auch unter neuem Namen konnte nicht an alte Erfolge angeknüpft werden. Heute setzt der Brandenburg-Ligist 1. FC Frankfurt auf den Nachwuchs. Von Robert Schwaß
Die letzte Oberligasaison 1990/91 war für viele Ostklubs eine schicksalhafte Spielzeit. Ziel war die Qualifikation für den gesamtdeutschen Profifußball. Der FC Vorwärts Frankfurt stand nach der Wende jedoch plötzlich vor existenziellen Problemen. Die Nationale Volksarmee wurde aufgelöst, in der Bundeswehr gab es keinen Platz und Strukturen, um den einstigen Armeesportklub zu übernehmen. Die Zukunft für Spieler und Angestellte des Vereins war ungewiss.
Vereins-Steckbrief- 1971 nach Frankfurt (Oder) delegiert
- 2012 Fusion zum 1.FC Frankfurt
- aktuell in der Brandenburgliga
Abschied vom Profi-FußballDass es eine schwierige Saison werden würde, war schnell klar, sagt Fred Liebholz. Der 57-Jährige ist jahrelanger Vorwärts-Fan. 1979 sah er das erste Mal ein Spiel seiner Lieblingsmannschaft im Stadion. An die Oberliga-Saison 1990/91 kann er sichgut erinnern. Vorwärts Frankfurt ging als Aufsteiger in die NOFV-Oberliga, nach zuvor zwei Jahren in der DDR-Liga, der zweithöchsten Spielklasse. "Schon am ersten Spieltag wurde bekanntgegeben, dass die Bundeswehr den Verein nicht sponsoren kann", erzählt Liebholz. Man habe gemerkt, dass die ehemalige Armeemannschaft nicht mehr den Rückhalt in der Bevölkerung hat, pflichtet Uwe Zühlsdorf bei. Der 52-jährige Vorwärts-Fan bezeichnet die Spielzeit als "Abschiedssaison".
Denn sportlich wollte es für den FCV einfach nicht laufen. Nach zunächst ordentlichem Saisonauftakt war vor allem in der Rückrunde der Wurm drin. Nur vier Punkte holte die Mannschaft aus 13 Partien. Zwischendurch wurde der Verein umbenannt und neugegründet: Aus Vorwärts wurde Victoria Frankfurt. Am Saisonende stand die Mannschaft abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz. Der Traum vom Profi-Fußball war ausgeträumt. Zunächst ging es in die drittklassige Oberliga. Viele Spieler verließen den Verein.
Mehr zum Thema Sechsfacher DDR-MeisterDabei hat der Verein eine lange Erfolgsgeschichte vorzuweisen. 1951 wurde Vorwärts in Leipzig gegründet und sollte als sportliches Aushängeschild der nationalen Streitkräfte dienen. Schon zwei Jahre darauf erfolgte die Delegierung nach Berlin. Hier erlebte der Armeesportklub seine erfolgreichste Epoche, wurde sechsfacher DDR-Fußballmeister und holte zwei Mal den FDGB-Pokal. Zu dieser Zeit war Vorwärts die erfolgreichste Mannschaft in Ost-Berlin und dominierte neben Jena den DDR-Fußball der 60er Jahre.
Die erneute Delegierung 1971 nach Frankfurt kam damals überraschend. Öffentlich wurde die Versetzung nie begründet, doch einige glauben, dass Stasi-Chef Erich Mielke dahintersteckte. Dem bekennenden BFC-Dynamo Fan Mielke war der Lokalrivale ein Dorn im Auge.
In Frankfurt konnte der FCV nicht mehr an die großen Erfolge anknüpfen. Einige sportliche Höhepunkte gab es im Stadion der Freundschaft trotzdem zu sehen. 18.000 Zuschauer bejubelten 1974 einen 2:1-Heimsieg gegen Juventus Turin in der ersten Runde des UEFA-Pokals. 1982/83 wird Vorwärts Vizemeister - die beste Platzierung der Frankfurter Ära. Zum 50-jährigen Jubiläum von Vorwärts in Frankfurt, dieses Jahr im August, wollen Fans und Spieler von damals bei einem Treffen die alten Zeiten aufleben lassen.
Mehr zur Serie 1. FC Frankfurt als Ausbildungsverein für die RegionHeute erinnern Fotos im Vereinsheim an die erfolgreicheren Tage. Nach mehreren Umbenennungen und einer Fusion wurde aus Vorwärts/Victoria Frankfurt im Jahr 2012 der 1. FC Frankfurt. Einige Fans hat man damit verärgert, erzählt Vorwärts-Anhänger Thomas Fröhlich. Er hätte sich gewünscht, dass beispielsweise die Vereinsfarben Gelb-Rot beibehalten worden wären. Vizepräsident Thomas Bleck ist sich der Historie bewusst. Er hat die letzten Oberliga-Jahre als junger Spieler selbst miterlebt.
Trotzdem müsse man unter den jetzigen Bedingungen nach vorne gucken. Der Verein will den Weg der "kleinen Schritte gehen", betont Bleck. Gefördert werden E-Sports, Fraußenfußball und der eigene Nachwuchs. Der Brandenburg-Ligist strebt zudem den Aufstieg in die fünftklassige Oberliga an, doch wegen der Corona-Pandemie musste das Saisonziel dieses Jahr frühzeitig begraben werden.
Sendung: rbb UM6, 28.05.2021, 18 UhrBeitrag von Robert Schwaß