Sascha Rose

Journalist, Finanzredakteur, München

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Euro-Einführung: Die Esten nehmen Abschied von der Krone - Euro-Einführung

„Das fühlt sich aber schwer an", sind Liinas erste Worte, als sie den handgroßen Plastikbeutel mit den Euro-Münzen in den Händen hält. Die gut 200 Kronen, die die junge Estin für das Starterkit im Wert von rund 12,80 Euro am Bankschalter eingetauscht hat, waren deutlich leichter. „Wenn ich mir vorstelle, dass ich ab Januar statt der zwei 100-Kronen-Geldscheine soviel Kleingeld in der Tasche habe, sollte ich mich wohl besser jetzt schon nach einem größeren Portemonnaie umschauen." An den Umgang mit den neuen Münzen müssen sich die meisten der 1,3 Millionen Esten erst gewöhnen. Gerade einmal zwei Prozent der Bargeldmenge besteht in dem kleinsten Staat des Baltikums, der kaum größer als Niedersachsen ist, aus Hartgeld. Das wird sich ändern: Ein Euro entspricht 15,6466 Kronen. Statt einer 10-Kronen-Banknote wie bisher, werden die Esten künftig gut 64 Euro-Cent im Portemonnaie haben - also beispielsweise ein 50-Cent-Stück, ein 10-Cent-Stück und zwei 2-Cent-Stücken.

Busticket per Handy

Riho Unt, Vorstandsmitglied der schwedischen SEB-Bank in Estland, geht daher davon aus, dass „ab nächstem Jahr noch mehr Esten ihre Rechnungen auf elektronischem Wege begleichen werden". Bereits heute erledigen vor allem die Menschen in den Städten den Großteil ihrer Einkäufe vorwiegend per Plastikkarte - ganz gleich, ob sie im Coffeeshop den Latte Macchiato bezahlen oder im Internet das Kinoticket samt Popcorn und Cola buchen. Auch Bus- und Parktickets lösen Esten nicht mehr in bar. Per Handy geht das viel bequemer und schneller. „Wir wollen es daher Geschäftsleuten und Unternehmern leichter machen, Kreditkarten als Zahlungsmittel zu akzeptieren", erklärt Unt.

Viel Zeit bleibt den Esten nicht, sich an das neue Geld zu gewöhnen. Die Regierung in Tallinn hat sich für das sogenannte „Вig-Bang-Szenario" entschieden, bei dem die Umstellung auf den Euro ohne große Übergangszeit erfolgt. Punkt Mitternacht werden am 1. Januar 2011 alle Bankkonten von estnischer Krone auf Euro umgestellt. Damit das reibungslos klappt, haben die großen Banken im Land Teams aus IT-Spezialisten, Sicherheitsexperten und Kaufleuten zusammengestellt, die statt mit Champagner auf das neue Jahr anzustoßen, den elektronischen Beitritt des 17. Mitglieds der Eurozone überwachen. Einzig wer am Neujahrstag ganz in der Früh dem Bankautomaten die neuen Euros entlocken will, könnte enttäuscht werden. Denn die Kassetten mit den Banknoten auszutauschen, wird auch in einem so modernen Land wie Estland seine Zeit brauchen.

Informationskampagne der Regierung

Um seinen Bürgern die Währungsumstellung so einfach wie möglich zu machen, hat Estlands Regierung früh begonnen, über das neue Geld aufzuklären. „Zuerst hatte ich eine Broschüre und einen kleinen, weißen Taschenrechner im Briefkasten, mit dem ich einen Betrag in Euro ganz einfach in Kronen umrechnen kann, und umgekehrt natürlich" erzählt Raul, ein junger Unternehmer aus der Universitätsstadt Tartu, als er im angesagten Restaurant „Vilde" gerade ein neues Glas Wein bestellt. Und seine Freundin ergänzt: „Später gab es auch noch eine zweite Informationsbroschüre mit einem Überblick über die Banknoten und Münzen." Auch eine spezielle Umrechnungstabelle im Kreditkartenformat sei dabei gewesen, so Kristi, die, wenn man sie hin und her bewegt, wichtige Geldbeträge mal in Kronen und mal in Euro anzeigt.

Bereits Anfang 2010 hat die estnische Regierung in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission eine umfassende Aufklärungskampagne zum Thema Euro gestartet. Ziel sollte es sein, mindestens 90 Prozent der Esten fit für den Euro zu machen. „Außer den Infomaterialien, die jeder Haushalt bekommen hat, und der kostenfreien Hotline, gab es in den größeren Städten des Landes spezielle Informationsveranstaltungen, Seminare und Diskussionsrunden mit den Bürgern", erklärt Rainer Laurits vom estnischen Finanzministerium. Dort hätten die Menschen unter anderem die Möglichkeit gehabt zu erfahren, wie man einen echten von einem falschen Euro unterscheidet.

Auch in Fernsehspots und im Internet wird auf die Echtheitsmerkmale der neuen Geldscheine hingewiesen. Denn selbst in einem kleinen Land wie Estland dürfte es durchaus den einen oder anderen Gauner geben, der versucht, falsche Euro-Banknoten unters Volk zu bringen. Das weiß auch die estnische Polizei, die beispielsweise nicht nur die Menschen auf der Straße, sondern auch Händler und Geschäftsleute über die Vorgehensweise und Tricks der Fälscherbanden aufklärt. Eine Schwemme an Falschgeld wird allerdings nicht befürchtet.

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