Sarah Stein

Head of Search Experience, SWR, Mainz

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Airbnb: Beim Reisen wie zu Hause fühlen

Cochem-Zell. Die Region ist definitiv nicht die Hochburg des Übernachtungsportals Airbnb, aber die Seite wird auch hier, vollkommen abseits der hippen Großstädte, immer beliebter. Ein anderes Publikum drängt damit in die Tourismusregion. Nicht alle sind glücklich damit.


Von unserer Reporterin Sarah Kern

Christine Bauers (Name von der Reaktion geändert) Wohnung ist eine kleine Perle. In ihrem modernen Haus auf einem Hügel liegt sie, unweit des Cochemer Stadtzentrums mit perfektem Blick über die jetzt saftig grünen Hänge der Weinberge. Auf die Gäste der Wohnung (bis zu vier können hier übernachten) warten neben Küche, Schlaf- und Wohnzimmer eine Waschmaschine, Trockner, Flatscreen-Fernseher und WLAN für 55 Euro pro Nacht.


Cochem-Zell ist definitiv nicht die Hochburg des Übernachtungsportals Airbnb, aber die Seite wird auch hier, vollkommen abseits der hippen Großstädte, immer beliebter. Wenn man "Cochem" in der Eingabemaske bei Airbnb eingibt, dann spuckt die Suchmaschine 422 Inserate aus - Wohnungen und Häuser in Cochem und der angrenzenden Umgebung. Bauer vermietet seit Anfang Februar ihre Wohnung auf Airbnb, seit Jahren ist sie schon auf anderen Vermietungsportalen gelistet. 


"Mit Airbnb hat sich alles verändert", berichtet sie. "Recht international" seien ihre Gäste schon immer gewesen, aber jetzt kommen sie von richtig weit her: aus Kalifornien, Texas, Florida und Australien. Sie erläutert: Airbnb-Gäste sind unkompliziert, möchten gern flexibel bei der Buchung sein, entscheiden sich häufig spontan und erwarten eine Sache unbedingt - perfekt funktionierendes WLAN.

Die größte Veränderung aber: Sie sind alle sehr jung. "Zwischen Mitte 20 und Mitte 30", so Bauer, die mit dem Portal positivere Erfahrungen als mit den anderen Portalen gemacht hat. "Es kommt ein junges internationales Publikum in die Region, das unglaublich offen ist. Sie sind in den sozialen Medien aktiv, haben auf Instagram Bilder von der Region, von der Mosel und dem Wein gesehen, jetzt wollen sie das selbst erleben. "Sie sind auch immer auf der Suche nach hochwertiger regionaler Küche, was nicht so einfach ist", räumt Bauer ein. "Sie wollen Cochem und die Region einfach so erleben, wie man hier als Einheimischer, als ,Local' lebt."


Das ist das Konzept hinter Airbnb. Ein Konzept, das in Cochem-Zell kontrovers diskutiert wird. Von ungleichem Wettbewerb, weil private Vermieter über Airbnb nicht zu Brandschutzauflagen und Hygienevorschriften verpflichtet sind, Schwarzarbeit und Urlaub zu Dumpingpreisen spricht beispielsweise Liselotte Arnicot, Vorsitzende des Kreisverbandes des Dehoga in Cochem-Zell, die die Interessen der Hoteliers vertritt. Arnicot ist wütend. Sie sieht keinen Zugewinn für die Region: "Es kommen Menschen, die zu Billigpreisen Urlaub machen wollen", empört sich die Besitzerin des Waldhotels Kurfürst in Kaisersesch.

Ganz anders sieht es Harald Bacher, Leiter der Tourist-Information Ferienland Cochem: "Es ist definitiv ein großer Trend, der immer mehr unsere Region erfasst." Bacher arbeitet intensiv mit den Vermietern von Ferienwohnungen zusammen, aber mit dem Portal Airbnb hatte er bisher noch nicht so viele Berührungspunkte. Er glaubt aber: "Airbnb wird immer mehr Teil unserer touristischen Vermarktungsstrategie in der Region Cochem-Zell." Er ist sich sicher: "Der Wandel ist da, nach alternativen Übernachtungsmöglichkeiten sowie nach regionalen Produkten wird verstärkt nachgefragt - in einer Tourismusregion, in der auch immer mehr Betten fehlen und der zusätzliche, alternative Übernachtungsmöglichkeiten guttäten."


Das mit den fehlenden Übernachtungsmöglichkeiten sieht Michael von Aschwege, Geschäftsführer der Zeller Land Tourismus GmbH, ähnlich. "Jährlich verlieren wir im Schnitt 30 Betten, ältere Ferienwohnungsvermieter melden ihr Gewerbe ab." Allerdings ist von Aschwege, der sich mit Airbnb noch nicht auseinandergesetzt hat, überzeugt, dass sich solche Portale in der Region nicht durchsetzten werden: "Die Region ist zu klassisch strukturiert, zu konservativ, man muss sich fragen: ,Brauchen wir das?'" "Ja, wir brauchen das", davon ist Airbnb-Vermieterin Bauer überzeugt. Mit einer Einschränkung: "Wenn das kulinarische und kulturelle Angebot vielfältiger wird und Vermieter aufgeschlossener werden." Beim Thema Schwarzarbeit ist Bauer auf der sicheren Seite. Ihre Wohnung hat sie als Gewerbe angemeldet.

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