Sarah Stein

Head of Search Experience, SWR, Mainz

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Hört auf zu glauben, dass das normal ist!

Schauspielerin Cameron Diaz ist mit 47 zum ersten Mal Mutter geworden. Statistisch gesehen ist es so gut wie unmöglich, dass das auf normalem Wege geklappt hat. Auch eine künstliche Befruchtung ist in diesem Alter schwierig. Darüber sollte gesprochen werden!

Hollywood-Star Cameron Diaz (47, "Verrückt nach Mary") hat am vergangenen Wochenende auf Instagram überraschend verkündet, dass sie und ihr Ehemann Benji Madden (40) Eltern geworden seien. Sie seien "glücklich und dankbar" für ihre Tochter Raddix.

Die Medien überschlugen sich sogleich mit Gratulationen. "Cameron Diaz ist zum ersten Mal Mutter geworden", heißt es. Ja, wann soll sie denn zum zweiten Mal Mutter werden? Mit 50?

Den Kinderwunsch problemlos nach hinten verschieben

Frauen wird durch eine solche Art der Berichterstattung vorgegaukelt, den Kinderwunsch problemlos immer weiter nach hinten schieben zu können.

Und tatsächlich: Der Trend, den Kinderwunsch in das höhere Alter zu verlagern, besteht. In Deutschland betrug 2017 das Alter der Mutter bei der ersten Geburt 30 Jahre. Im Jahr 2014 war der überwiegende Teil der Frauen, die sich in die Hände eines Kinderwunschzentrums begeben haben und eine künstliche Befruchtung in Angriff genommen haben, älter als 35 Jahre.

Und dass es dann problemlos klappen wird - dafür wird die modernste Reproduktionsmedizin schon sorgen. So denkt man. Aber das ist ein Trugschluss, über den nicht offen genug diskutiert wird und Frauen nicht genügend aufgeklärt werden.

Mit 47 Jahren auf natürlichem Wege schwanger werden

Cameron Diaz ist 47 Jahre alt. Mit 47 Jahren auf natürlichem Wege schwanger zu werden gleicht einem 6er im Lotto. Die prozentuale Wahrscheinlichkeit in einem Menstruationszyklus eine Schwangerschaft zu erreichen liegt schon bei einer 40-jährigen Frau bei nur noch zwei Prozent. Und die Wahrscheinlichkeit sinkt mit jedem Zyklus. Zum Vergleich: Um das 20. Lebensjahr liegt die Wahrscheinlichkeit auf natürlichem Wege in einem Menstruationszyklus schwanger zu werden bei 60 Prozent und bei 30 Prozent bei 30-jährigen Frauen.

Das Geschäft mit dem Kinderwunsch

Zu den Ursachen der geringer werdenden Fruchtbarkeit zählen unter anderem die Verringerung der noch zur Verfügung stehenden Eizellen in den Eierstöcken sowie die Abnahme der Eizellenqualität.

Aber darüber spricht niemand! So sind bereits mehr als 80 Prozent der Embryonen von Frauen im Alter von 43 Jahren genetisch nicht mehr intakt. Dies führt zwangsläufig zu einer verminderten Schwangerschaftsrate sowie zu einer gesteigerten Fehlgeburtenrate.

Das sind Zahlen und Fakten, denen Frauen mit spätem Kinderwunsch in die Augen sehen sollten, um ein realistisches Bild von ihrer Situation zu bekommen.

Auch Erfolgsrate bei künstlicher Befruchtung gering

Denn auch die Erfolgsrate der sogenannten künstlichen Befruchtung (IVF/ICSI-Therapie) ist im höheren Alter relativ gering. Nach aktuellen Daten beträgt die Schwangerschaftsrate bei Frauen älter als 45 Jahren etwa 5,6 Prozent pro Embryotransfer. Allerdings mit einem Fehlgeburtsrisiko von etwa 65 Prozent. Dementsprechend gab es in dieser Altersgruppe nach insgesamt 699 Embryonenübertragungen lediglich 12 Geburten im Jahr 2017.

Unbestritten: Es ist großartig, dass es die Mittel der Reproduktionsmedizin gibt. Aber auch deren Möglichkeiten sind begrenzt. Hier muss die Gesellschaft offen über weitere Möglichkeiten wie die der Eizellenspende oder der Leihmutterschaft diskutieren - beides in Deutschland derzeit verboten, in anderen EU-Ländern erlaubt.

Diskutiert werden sollten auch die Kosten für eine künstliche Befruchtung, die Frauen jenseits der 40 selbst tragen müssen. Und über die Kosten der Eizellenspende. Diese liegen im höheren fünfstelligen Bereich. Das ist sicher auch ein Grund, warum sich vor allem gut situierte Promi-Paare den Traum vom (eigenen) Kind spät erfüllen - und es solche Nachrichten wie die von Cameron Diaz gefühlt relativ häufig gibt. Aber natürlich redet da niemand offen drüber.

Vernünftiges Signal an Frauen

Dabei wäre es ein vernünftiges Signal an andere Frauen und überhaupt nicht verwerflich - ganz im Gegenteil - wenn man sagen würde: "Wir haben uns den Traum vom eigenen Kind erfüllt. Es hat uns viel Nerven, Zeit und vor allem viel Geld gekostet - unsere Tochter/unseren Sohn haben wir mit Hilfe einer Eizellenspende und einer Leihmutter bekommen. Denn mit 47 ist es für Frauen so gut wie unmöglich, ein genetisch eigenes Kind zu bekommen."

Aber sowas sagt (noch) niemand.

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