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Was man gegen Prüfungsangst und Blackouts tun kann

Die Hände schwitzen. Der Magen rumort. Das Herz rast. Und auf einmal geht gar nichts mehr. Ein Blackout während eines Tests ist höchst unangenehm und hat bei manchen Menschen eine nachhaltige Wirkung. Sie entwickeln Prüfungsangst.

Etwas aufgeregt sein, das sei sogar wichtig, meint Annerose Dietz, die an der TU Clausthal Langzeitstudierende coacht. Mit etwas Aufregung funktioniere der Abruf von Informationen aus dem Gedächtnis besonders gut. „Unter einer Prüfungsangst leide ich, wenn das globale Funktionsniveau so eingeschränkt ist, dass ich wirklich gar nicht denken kann, obwohl ich gut gelernt habe“, sagt die Diplom-Psychologin.

Muster aus der Steinzeit

Dass Studierende während einer Prüfung plötzlich keinen klaren Gedanken mehr fassen können, daran ist das limbische System maßgeblich beteiligt. Im Gegensatz zum analytischen und rationalen Neocortex ist dieser Teil des Gehirns für Emotionen und schnelle, automatische Reaktionen zuständig. Es arbeitet nach Mustern, die in der Steinzeit überlebenswichtig waren, uns in der heutigen Gesellschaft aber oft im Weg stehen.

„Das limbische System unterscheidet nicht zwischen Säbelzahntiger und Klausur“, sagt Dietz. Es wählt blitzschnell zwischen „Fight“, „Flight“ und „Freeze“. Also kämpfen, flüchten oder erstarren. Kämpfen oder fliehen funktionieren in der Klausur nicht. So kommt der Blackout zustande.

Um beim Steinzeit-Beispiel zu bleiben: Wenn der Säbelzahntiger schon den Arm abknabbert, ist es sinnvoll, dass der Mensch nicht mehr viel spürt und denkt. Sondern in den „Freeze“-Zustand übergeht und erstarrt. Läuft dieser Automatismus bei einer Klausur ab, merkt sich das limbische System, dass diese Situation existenziell lebensbedrohlich sei. Auf solche Weise kann sich eine Prüfungsangst verselbstständigen.

Massive Prokrastination

Was früher Aufschieberitis hieß, nennen Studierende heute Prokrastination. Beide Begriffe meinen das Gleiche: lieber die Wohnung putzen, als für die Klausur zu lernen. Das passiert jedem mal – bei Prüfungsangst ist das Vermeidungsverhalten massiver. Manche Studierende bemerken erst am Abend, dass es Zeit zum Lernen wird. Oder es bereitet ihnen wortwörtlich Kopfschmerzen, wenn sie die Übungsblätter für die Klausur nur angucken.

Was hilft, genauso wie bei allen Ängsten, ist Konfrontation. „Studierende müssen sich der Thematik stellen, aber als Experten und mit spezifischen Techniken“, sagt Annerose Dietz. Obwohl es Standardtechniken gäbe, müsse für jeden Studierenden ein Programm individualisiert werden. Außerdem würden mindestens 90 Tage benötigt, um ein neues Verhalten zu erlernen und zu automatisieren.

Untrainiert statt dumm

Deshalb seien zwei Aspekte besonders wichtig: frühzeitig anfangen und Volition, also Durchhaltevermögen. „Beim Lernen trainiere ich mein Gehirn wie eine Muskulatur. Es wird also besser im Verlauf des Studiums. Es kann aber nicht am Anfang so sein. Zu Beginn knirscht es. Nicht, weil jemand dumm ist, sondern weil er oder sie untrainiert ist“, erklärt Dietz. Ganz im Gegenteil: Die Studierenden seien „wirklich, wirklich schlau“.

Prüfungsangst verschwindet also nicht von heute auf morgen. Einige grundsätzliche Tipps für die Klausurenphase hat Dietz dennoch parat. Der Arbeitsplatz sollte aufgeräumt und strukturiert sein. Effiziente Lerntechniken wie Intervalllernen, Abruf- und Anwendungstraining sollten bekannt sein. Regelmäßige Pausen seien wichtig. Sie empfiehlt, in Lerngruppen zu pauken. So könnten Studierende sich gegenseitig helfen und merken, dass auch andere über den Aufgaben schwitzen. Es falle zudem schwerer, das Lernen zu vermeiden, wenn man verabredet ist. Außerdem: Sich mit Zeitmanagement befassen, langfristige Ziele planen – und wissen, wieso man sein Fach studiert.

Beim Blackout tief durchatmen

Bei einem akuten Blackout helfe es, kontrolliert langsam in den Bauch statt in die Brust zu atmen. Beim Einatmen bis vier, beim Ausatmen bis sechs zählen. So wird der Herzschlag verlangsamt, das limbische System registriert, dass es einen Fehlalarm ausgelöst hat – und die Blockade verschwindet.

Wichtig sei es zudem, zu verinnerlichen, dass es zum Lernprozess gehört, etwas noch nicht zu verstehen oder durch eine Klausur zu fallen. Auch, wenn der gewünschte Erfolg nicht sofort eintritt, Misserfolge seien hilfreich. Dietz verweist auf eine Figur aus der Popkultur, Meister Yoda aus „Star Wars“. Denn der hat etwas sehr Kluges gesagt: „Scheitern der größte Lehrer ist.“




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