Sandra Weber

Freie Journalistin, Stuttgart/Mexiko-Stadt

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(Un)Typisch Mexiko! Mehr als Tacos, Tequila und Totenkult | Urlaubsheld

Du spielst mit dem Gedanken, nach Mexiko zu reisen, weißt aber nicht recht, was dich dort erwartet? Stimmen die Klischees, die man sich über die Mexikaner erzählt? Wie sicher ist es, dort zu reisen? Dies und mehr erfährst du in unserem Insider-Länderporträt „Unbekanntes Mexiko": Das Land der Tacos, des Tequila und des Totenkultes hat viel mehr zu bieten, als du denkst!

Kakteenlandschaft oder Dschungel?

In Mexiko findest du nicht nur Wüste, nein - kontrastreicher könnten seine atemberaubenden Landschaften kaum sein: Weiße Karibiktraumstrände samt faszinierender Unterwasserwelt für Beachfans und Taucher. Feinsandige Pazifikstrände für Surfer und Sonnenhungrige. Zauberhafte Kolonial- und Silberstädte in den Bergen für Entdecker. Mächtige Gebirgszüge, schneebedeckte Vulkane und majestätische Berge - drei davon 5000er - für die Aktiven. Tropische Regenwald-Vegetation in Küstengebieten sowie Laub- und Kiefernwälder auf den Hochplateaus für Naturliebhaber. Savannen im Tiefland von Tabasco und Yucatán, die tiefen Schluchten des Kupfer-Canyon in Chihuahua, der Wasserfall Agua Azul im üppigen Urwald von Chiapas, dessen türkisblauen Becken Badegäste anziehen - die Anzahl der Naturspektakel scheint unendlich. Selbst Skifahren geht: im nördlichen Städtchen Bosques de Monterreal liegt im Winter echter Schnee, sonst Kunstschnee. Und ja - die kargen Wüstenlandschaften mit ihren unzähligen Kakteenarten gibt es tatsächlich, vor allem im Norden. Für jeden Reisetyp ist also etwas dabei.

Rückständiges Schwellenland oder moderne Industrienation? 

Wer Mexiko für ein rückständiges Land hält, das nicht mehr zu bieten hat als Mariachis und faul an Kakteen gelehnte tequilatrinkende Sombrero-Träger, hat sich gründlich geirrt. Spielt sich diese Szenerie in ländlichen Gebieten vielleicht auch wirklich mal ab, in weiten Teilen des Landes geht es moderner zu: Mexiko gilt als fortgeschrittenes Schwellenland und versteht sich selbst als Industrienation. Es nimmt den 15. Platz der größten Volkswirtschaften der Erde ein und zählt zehn Millionenstädte. Die touristische Infrastruktur ist hervorragend, die jährlich über 30 Millionen Urlauber und Besucher anzieht - vielleicht auch bald dich?

Mexiko-Stadt: Stinkender Moloch oder lebenswerte Metropole? 

Mexikos Hauptstadt ist mit ihren 8,9 Millionen Einwohnern (21 Millionen Einwohner in der gesamten Metropolregion) eine der größten Städte der Welt. Sie ist voller Leben, bunt, schnell, pulsierend. Moderne Wolkenkratzer ragen neben Bauten aus der aztekischen, kolonialen und vorrevolutionären Zeit in den Himmel. In kaum einem anderen Land der Welt kannst du so viele spannende Museen besuchen, außerdem unzählige Denkmäler, Prachtbauten, Heiligtümer und Ausgrabungsstätten - Mexiko-Stadt wurde von den spanischen Konquistadoren auf den Ruinen der Aztekenstadt Tenochtitlán erbaut. Bekannt ist das Verkehrs- und Umweltproblem der Stadt, aber nicht jeder weiß, wie grün sie ist mit ihren vielen Parks. Hippe Wohnviertel und ein vielseitiges Kultur- und Partyprogramm ziehen immer mehr junge Leute aus der ganzen Welt an - im Ranking der globalen Jugendinitiative YouthfulCities steht „CDMX" auf Platz neun der lebenswertesten Städte der Welt für junge Leute von 15 bis 21.

Chili con Carne oder mexikanische Küche? 

Nein - Chili con Carne ist weder ein typisch mexikanisches Gericht, noch besonders scharf, sondern der bekannteste Verteter der von den US-Südstaaten beeinflussten Tex-Mex-Küche. Die traditionelle mexikanische Küche - eine der vielfältigsten Küchen weltweit - fusioniert Rezepte der Azteken und Maya mit europäischen Einflüssen. Im Süden dominiert die präkolumbianische Küche, im Norden spanische Kochkunst und an den Küstengebieten gibt's vor allem Fischgerichte und Meeresfrüchte. Tortillas, Tacos, Enchiladas, Quesadillas - Fladen aus Weizen- oder Maismehl - sind allgegenwärtig, mal hart, mal weich, gerollt oder platt und mit den unterschiedlichsten Füllungen. Kakao, Vanille, Avocado, Erdnüsse, Tomaten, Chili und Mais gedeihen en masse in Mexikos reicher Vegetation. Die unzähligen Chilisorten in grün und rot gehören natürlich zu jedem Essen. Da sie aber meist als Beilage in Form von Schoten, Salsas oder Pulver gereicht werden, kann der sensible Europäer seine Chili-Dosis selbst bestimmen. Wenn du abnehmen willst, bist du in Mexiko falsch. Mexikaner essen immer und überall - am liebsten auf der Straße, und in schön viel Fett gebacken. An jeder Ecke duftet es unwiderstehlich nach Quesadillas, Tacos, Kartoffelchips, Churros und vielem mehr. Wer kann hier schon Nein sagen?

Tequila oder Mezcal? 

Nicht ständig wird in Mexiko Tequila getrunken - auch am Mezcal berauscht man sich. Tequila darf nur aus einer bestimmten Agavenpflanze gewonnen werden (Agave tequilana Weber), Mezcal dagegen aus allen. Tequila-Agaven werden in riesigen Druckbehältern wenige Stunden gedämpft, Mezcal-Agaven mit schwacher Hitze bis zu fünf Tage lang in natürlichen Erdgruben über Steinen. Im Mezcal findest du im Gegensatz zum Tequila keinen oder nur eine geringe Menge an Fremdzucker. Sein typisch aromatisch-vollmundiger und rauchiger Geschmack erfreut sich immer größerer Beliebtheit - auch in Deutschland wird der Mezcal als neues Hip-Getränk gefeiert. Und um ein weiteres Missverständnis beiseitezuräumen: Der Tequila heißt nicht Tequilla, wie in unseren Breiten oft ausgesprochen, sondern tatsächlich Tequila mit langem „i".

Siesta oder Fiesta? 

Den Mittagsschlaf zelebrieren die Mexikaner seltener als angenommen. Zwar fällt die Mittagspause länger aus als bei uns und wird für eine ausgiebige Mahlzeit genutzt, faul ist der Mexikaner aber keineswegs. Die Arbeitswoche beträgt im Schnitt über 40 Stunden. Mit sechs freien Tagen im Jahr ist Mexiko-Stadt zusammen mit Bangkok die Stadt mit den wenigsten Urlaubstagen. Gefeiert wird trotzdem viel. Was kein Klischee ist: Die Mexikaner sind wahre Feier-Weltmeister. Sie lieben ihre Fiestas, laute Musik, Tanz, bunte Umzüge, Essen, Trinken, Geselligkeit. Im ganzen Land wird fast ununterbrochen gefeiert, denn einen Anlass gibt´s immer: ob zu Ehren des Ortsheiligen, Stadtteilfeste, Karneval, Jahrmarktrummel, christliche Feiertage oder auch private Fiestas: Mit ungefähr 5000 Festen im Jahr ist der mexikanische Festtagskalender einer der umfassendsten weltweit. Es gibt nichts, was nicht bunt, laut und voller Hingabe an das Leben gefeiert wird - am Día de Muertos sogar der Tod. Die gastfreundlichen und geselligen Mexikaner werden dich im Handumdrehen zum Teil einer Fiesta machen. Die Einladungen zu Essensorgien, Mezcal-Runden und Tänzen solltest du auf keinen Fall ausschlagen, denn die ausgelassenen Feste geben einen tiefen Einblick in die mexikanische Seele. Tanzen musst du, ob du willst oder nicht. Neue Bekanntschaften sind garantiert - denn nichts ist einfacher, als mit Mexikanern in Kontakt zu kommen.

(Un)sicheres Reisen? 

Immer wieder gibt es Schreckensmeldungen aus Mexiko. Drogenkartelle liefern sich einen erbitterten Krieg um die Vormachtstellung im Land. Nicht selten sind Sicherheitskräfte und Politiker ins Organisierte Verbrechen involviert, Korruption ist weitverbreitet. Manch einer überlegt es sich doppelt und dreifach, dort seinen Urlaub zu verbringen. Lass dich aber nicht allzu sehr verunsichern - für Touristen ist Mexiko weitgehend sicher, denn die Gewalt zirkuliert hauptsächlich regional zwischen Mitgliedern der Kartelle und Sicherheitskräften. Die Wahrscheinlichkeit, als Urlauber zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, ist verschwindend gering. Eine interessante Untersuchung zur Sicherheitslage in Mexiko kam zum Ergebnis, dass es für US-Amerikaner sicherer ist, in Mexiko Urlaub zu machen als zu Hause zu bleiben. Mexiko ist weit besser als sein Ruf - halten Traveller einige simple Verhaltensregeln ein, reisen sie sicher. Wertsachen sollte man nicht zur Schau stellen und einsame Straßen in der Nacht zu meiden. Auch wenn man sich fast überall gut mit Englisch durchschlagen kann: Einige Brocken Spanisch schaden nicht, genauso wenig Freundlichkeit und ein Lächeln - und schon macht man Bekanntschaft mit einem „wahren Klischee": der allgegenwärtigen Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Mexikaner.

Das Land der Azteken und Maya hat weitaus mehr zu bieten, als seine Klischees - also: ¡Nos vemos en México!

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