Höchst. Als Naheed Ashraf, Vorstandsmitglied des pakistanisch-deutschen Kulturvereins Pakbann, am Freitagabend um kurz nach halb sieben das Buch aufschlägt und daraus vorliest, ahnt sie noch nichts von den Nachrichten aus Paris, die im Laufe der Nacht auch so manchen Menschen in Deutschland wach halten werden.
Sie liest aus dem 2014 erschienen Roman „Wessen Dschihad“ der Schriftstellerin und Urdu-Dozentin Amtul Tahir, der die Geschichte von Sofia erzählt, einer Deutsch-Pakistanerin, die einen Muslim heiratet, der im Verlauf der Ehe immer stärker mit den Taliban sympathisiert und bei einem Anschlag für die Terroristen sein Leben verliert. Sofia, die damit nichts zu tun hat, landet trotzdem auf der Anklagebank – ihr wird Beihilfe vorgeworfen, weil sie in den Augen der Ankläger keine richtige Deutsche ist.
Die Lesung ist Teil einer Veranstaltung, die Pakbann inzwischen zum fünften Mal organisiert hat – diesmal im Rahmen der Interkulturellen Wochen in Frankfurt – die wie jedes Mal voll ausgebucht ist: Ein gemeinsamer pakistanischer Kochkurs mit Hobbyköchin Salma Mansoor, die in Karatschi geboren und aufgewachsen ist und seit 1999 mit ihrem Mann Amir, Vorsitzender von Pakbann, in Frankfurt lebt. Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch soll die Gruppe mit einem guten Dutzend Teilnehmern in der Küche der Kasinoschule vorbereiten, die im Anschluss gemeinsam probiert werden.
Zur Vorspeise gibt es Pakora, Gemüsebällchen, die in Kichererbsenmehl frittiert werden, mit einer Soße aus Minze, scharfen Peperoni, Koriander und Joghurt, die immer wieder mit einem Augenzwinkern als Grüne Soße auf Pakistanisch bezeichnet wird. Der Hauptgang besteht aus gebratenem Fisch, einem Linseneintopf aus Urdbohnen und Kichererbsen sowie Reis. Die Nachspeise ist ein Kuchen aus geröstetem Grieß, Mandeln und Pistazien.
Kein Curry
Die meisten Teilnehmer sind über den Bunten Tisch in Höchst auf die Veranstaltung aufmerksam geworden und hatten große Lust, in die Küche Pakistans mit ihren exotischen Düften hineinzuschnuppern. Auch Sonja Guder und Sylke Dörgeloh gehören dazu. Die beiden Kolleginnen, die bereits große Fans der indischen Küche waren, überlegen nun, regelmäßig pakistanisch zu kochen – eventuell auch im Rahmen eines regelmäßigen Kochkurses.
In der Küche herrscht eine ausgelassene Stimmung. Es wird gelacht, über Gott und die Welt geplaudert, Salma Mansoor muss immer wieder viele Fragen beantworten und Küchentipps austeilen. Etwa, was die pakistanische Küche überhaupt ausmacht: „Im Süden Pakistans isst man tendenziell scharf, seltener Fleisch mit Reis als Beilage, im Norden kommt mehr Fleisch auf den Tisch, dazu eher Brot statt Reis“, erklärt die gelernte Erzieherin, die Freude daran hat, andere an ihrem Hobby und der pakistanischen Küche teilhaben zu lassen. „Vom indischen Essen unterscheidet sich das pakistanische vor allem dadurch, dass wir kein Curry benutzen.“ Der Geschmack des Linsengerichts, das mit reichlich Ingwer und Kreuzkümmel gewürzt wurde, ist der indischen Gewürzmischung allerdings sehr ähnlich.
Es vergeht ein Abend, an dem sich Deutsche und Pakistaner, die alle schon eine ganze Weile in Frankfurt und Umgebung leben, austauschen. Über das, was man in seinem Alltag so tut, über Rezepte, über das Buch von Amtul Tahir, das den Abend einleitete, in einigen Gesprächen auch über die Flüchtlingspolitik und religiöse Vorurteile. Ein kurzweiliger Abend, an dem keiner der Teilnehmer einen Blick aufs Smartphone wirft, wo nach und nach Eilmeldungen auf dem Bildschirm erscheinen.
Integrationspreis
Amir Mansoor, der von Anfang an engagiert bei Pakbann dabei gewesen ist, erzählt beim Essen wie der Verein sich gegründet hat. Mit ersten Theateraufführungen und gemeinsamen Veranstaltungen wollte Pakbann zeigen, wie die pakistanische Kultur aussieht, fernab von Politik und Religion in dem Staat nordwestlich von Indien. Dadurch hat sich der engagierte Verein ausgezeichnet, 2009 sogar den Integrationspreis der Stadt bekommen. Amir Mansoor ist es wichtig, Vorurteile abzubauen, die an diesem Abend niemand mit nach Hause nahm. Dafür jedoch ein Zertifikat über den Kochkurs, einen Stapel Rezepte und einen vollen Magen.
Und die Zeit, auf dem Heimweg, kurz vor Mitternacht, doch mal das Smartphone aus der Tasche zu holen, wo seit Stunden die Anzahl der Toten bei den Terroranschlägen in Paris nach oben korrigiert wurde. Mit den Bildern, Gerüchen und Geschmäckern im Kopf, ist man fassungslos über das, was Hass anrichten kann, während andernorts Integration so mühelos funktioniert. Am nächsten Morgen postet Naheed Ashraf eine Grafik auf Facebook: den Eifelturm, eingerahmt in ein Peacezeichen. Darunter auf Englisch die Worte, die eine Menge Muslime an diesem Samstagmorgen posten: „Ich bin Muslimin. Nicht in meinem Namen!“
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