Salomé Meier

Kulturjournalistin, Zürich

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Artikel

Kurtheater ausser Haus: Zwischen Überfluss und Eitelkeit in der Langmatt

Badener Tagblatt, 14. November 2018

Wenn der Ort einer künstlerischen Aufführung so wunderbar mit ihrem Inhalt harmoniert, so passiert etwas Magisches: Gewissermassen beginnt das Theater, die Lesung oder Performance dann schon beim Betreten der Lokalität, oder geht zumindest nahtlos in diese über.

Genau das erlebten am Dienstagabend die zahlreichen Besucher des „Kurtheaters ausser Haus", als sie durch die aneinandergereihten, herrschaftlichen Räume der Villa Langmatt in die Galerie geführt wurden, vorbei an bunten Mustertapeten, polierten Eichenholztischen, schweren Teppichen, teuren Vasen und goldgerahmten Bildern.

Die Geschichten Zelda Fitzgeralds aus dem Erzählband „Himbeeren mit Sahne im Ritz", die Bibiane Beglau an diesem Abend interpretierte, nehmen sich denn just die Welt der wohlbetuchten Gesellschaft der Belle Epoque zum Schauplatz.

Oftmals spielen sie im Dunst New Yorks der 1920er-Jahre. Die Hauptfiguren sind Mädchen und junge Frauen, die, frech, abenteuerlustig und extravagant, so einigen Schabernack im Schilde führen, und die nach der Theaterprobe lieber noch um die Häuser ziehen, als zu Mann und Kind zu eilen.

In einer Suite im Hotel Ritz, das in seiner ganzen, sorgfältig beschriebenen Einrichtung die Opulenz und Oberflächlichkeit der amerikanischen High Society zu spiegeln vermag, sehnt sich eine von ihnen, Gay, „nach etwas Realem", nach etwas, das sie wirklich erlebt hat und sie auf wunderbare Weise aus der Zusammenhanglosigkeit ihres Lebens entliesse.

Einige Stockwerke tiefer träumt eine andere, Caroline, in der Lobby des Hotels noch vom Aufstieg in die oberen Sphären der Gesellschaft. Ein Leben zwischen luxuriösem Hotelzimmer, Ozeandampfer und Champs-Élysées verspricht sie sich von der Liaison mit Barry. Ein attraktiver Junggeselle, der „ein Gesicht hatte, so offen wie ein gesprengter Safe."

Auf unheimlich humor- wie lustvolle Art und Weise erzählen Fitzgeralds Kurzgeschichten vom Lebensgefühl der Roaring Twenties. Irgendwo zwischen Dekadenz und Langeweile, zwischen Schein und Sein ahnen diese Prototypen des „Flappers", der neuen, emanzipierten jungen Frauen der 20er-Jahre, dass sinnloser Konsum und extravagantes Aussehen sie nicht glücklich machen werden.

Bibiana Beglau transportierte diese literarisch-verklärte Welt mitsamt dem ganzen subversiven Humor auf virtuose Weise in die Gegenwart und liess es sich auch nicht nehmen, Harvey Weinstein an einer Stelle als zwielichtigen Theaterregisseur am Broadway in eine Erzählung unterzubringen. Dass Zelda Fitzgerald viel zu lange zu Unrecht im Schatten ihres Ehemanns stand und dringend einer (Re-)Lektüre bedarf, hat Bibiana Beglau damit definitiv bewiesen.

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