Eine der diversesten Teenie-Komödien aller Kino-Zeiten!
Vor genau zehn Jahren habe ich zum letzten Mal als Schülerin mein Gymnasium betreten. 2019 sitze ich in einem Kino und zieh mir einen Film über genau diesen lebensverändernden Tag rein. Wie krass es damals war, mit dem Gefühl zur Schule zu gehen, nie wieder danach dorthin zu müssen. NIE WIEDER. Endlich seine Träume verwirklichen können. Endlich cool sein.
Das denken sich auch die beiden BFFs Molly (Beanie Feldstein) und Amy (Kaitlyn Dever), und die machen 2019, also immerhin ein Jahrzehnt nach mir, ihren Schulabschluss. Die Komödie "Booksmart" von Olivia Wilde nimmt uns mit auf die wohl durchgeknalltesten 24 Stunden, die die beiden Teenager jemals erlebt haben. Denn eigentlich sind Molly und Amy das, was die meisten wohl als klassischen Streber bezeichnen würden.
Jahrgangssprecherin, immer bestens vorbereitet – Molly meditiert sogar jeden Morgen zu ihrem etwas gruseligen "Fuck them all"-Mantra – und mit ehrgeizigen Karrierezielen: Molly will Jura an der Elite-Uni Yale studieren, Amy wiederum hat sich einen Studienplatz an der Columbia University in New York gesichert und will davor noch in Botswana Entwicklungshilfe leisten.
Eigentlich glauben beide, dass sie die High School ziemlich gut gemeistert haben – bis sie die traurige Erkenntnis einholt, dass all ihre Klassenkameraden, die sonst eher Party gemacht und sich volllaufen haben lassen, genauso an die Elite-Unis des Landes gekommen sind. Ohne langweilig zu sein. Amy und Molly haben vergessen, Teenager zu sein. Das wollen sie nun nachholen. In einer einzigen Nacht.
Hier gibt's den Trailer zu "Booksmart"
Da ist das Chaos eigentlich vorprogrammiert. Auf ihrem Weg zur coolsten After-Prom-Party in der Stadt, wo sowohl Amys als auch Mollys Schwarm wartet, erleben die beiden allerhand. Die irre aber eigentlich liebenswürdige Gigi (Billie Lourd) jubelt ihnen ohne ihr Wissen halluzinogene Drogen unter, sie müssen Pornos im Uber-Taxi ihres Direktors schauen, und, und, und. Es ist eine wilde, turbulente Nacht, bei der es Spaß macht, als Zuschauer dabei zu sein. Am Ende finden die beiden Freundinnen natürlich woanders die Liebe – und auch ihre Freundschaft wird auf die Probe gestellt.
Ja, es ist manchmal etwas albern
Aber Gott, es ist ein High-School-Film. Das. Muss. So. Umso schöner, dass zwischen all den Übertreibungen noch genug Raum ist für ein bisschen, zaghafte Authentizität. Ganz ehrlich: Hätte ich mich als Teenager mit meiner Clique filmen lassen und man hätte mir zehn Jahre später die Szenen nochmal gezeigt, bei manchem wäre ich mir auch sicher gewesen: Oh Gott, wie übertrieben. Als ob das in echt passiert wäre. Aber es ist so passiert.
Gerade dieses naive albern sein, die "I don't care"-Attitüde der Darsteller, machen diesen Film so besonders. Liegt vielleicht auch daran, dass der Cast während der Dreharbeiten zu einer echten Clique geworden ist, wie Kaitlyn Dever, die Amy in der Komödie spielt, NOIZZ am Telefon erzählt:
"Die Energie am Set war einfach unglaublich. Wir haben miteinander abgehangen, auch wenn wir eigentlich nicht hätten am Set sein müssen. Es fühlte sich ein bisschen an, als wäre man selbst wieder an der High School. Als ob wir keinen Moment vergeuden wollten von der gemeinsamen Zeit."
Am Ende ist "Booksmart" wohl einer der witzigsten Filme des Jahres, der dabei auch nicht nur albern daher kommt, sondern richtig in die Tiefe geht und in der sich jeder wieder erkennen kann. Bereits vor fünf Jahren habe Kaitlyn das Drehbuch zum ersten Mal in die Hand bekommen und war sofort begeistert: "Es hat seine ganz eigene Dynamik. Ich wusste sofort, das ist etwas Besonderes." Das Gefühl ist während des Drehs nicht verschwunden, Beanie Feldstein und sie hätten währenddessen auch viel ihrer Freizeit miteinander verbracht:
"Alles war so lustig am Set. Ich glaube, am lustigsten waren die ganzen Szenen, die wir in dem Auto gedreht haben. Die ganze Zeit da vorm Greenscreen in der Karre, das war schon ein witziger Anblick. Das war so witzig mit Beanie zusammen. Wir haben uns voll versucht, dabei zusammenzureißen ."
"Friends"-Ikone Lisa Kudrow spielt in dem Streifen übrigens Amys Mutter – nicht nur ihr Charakter Phoebe Buffay in der Sitcom ist die Mutter der kuriosen-derben Frauenrollen, im Kult-Film "Romy und Michele" erlebt sie bei einem Klassentreffen in etwa das, was Amy und Molly bei ihrem High-School-Abschluss durchmachen müssen. Insofern hat Regisseurin Olivia Wilde bei ihrer Rollenbesetzung zwei Generationen Leinwand-Frauen und ihre High-School-Images aufeinander treffen lassen.
Divers, witzig und unheimlich klug
Noch dazu ist der Film eine der diversesten Teenager-Komödien, die weltweite Leinwände jemals sehen durften. Es gibt People of Colour, es spielt keine Rolle, welche Kleidergröße irgendjemand trägt (Molly-Darstellerin Beanie Feldstein ist im besten Sinne das, was Bodypositivity meint), und Amy ist ein so selbstverständlich lesbischer Hauptcharakter, dass ich am liebsten gleich schreien würde: Zeigt diesen Film bitte in jedem Kino!
Zum anderen ist "Booksmart" aber auch ein Portrait einer unsicheren Generation. Einer, die getrieben wird von dem Gedanken, dass ihnen alle Wege, alle Berufe und Karrieren offen stehen, so lange sie genug leisten. Dieser Selbstoptimierungs-Drang wird Molly und Amy ein bisschen zum Verhängnis. Für Kaitlyn gehören diese Zweifel zum Erwachsenwerden auch dazu. Zwar habe sie eine ganz andere High-School-Zeit als die Vorzeigeschülerinnen Amy und Molly erlebt, mit vielem könne sie sich aber auch identifizieren:
"Man hat einfach Angst, ob man alles richtig macht, die Erwartungen erfüllt. Man hat keine Ahnung, was als nächstes kommt, und gleichzeitig versucht man irgendwie, herauszufinden, wer man wirklich ist und sein will. Das einzige Verrückte, was ich vielleicht mal gemacht hab, war den Abschlussball meiner Schwester zu crashen."
Die Magie weiblicher Freundschaft
Die Stärke ihrer Freundschaft finden Molly und Amy daher auch erst nach ihrem großen Streit im Film. Die Nacht, in der sie beide einfach nur mal cool sein wollten, verändert für sie wirklich alles. Sie finden mehr zu sich und entdecken gleichzeitig auch, wie wichtig sie füreinander sind. Filme, vor allem Komödien über weibliche Freundschaften, sind selten, und wenn, dann werden sie nur selten unverblümt und derb dargestellt. Aber, oh ja, auch so können Girls sein!
Eine meiner Lieblingsszenen aus dem Film ist etwa, als Amy ihrer Freundin offenbart, dass sie ihren uralten Plüsch-Panda aus Kindheitstagen, bei dem ein Auge wirklich nur noch am seidenen Faden hängt, manchmal dazu benutzt, um sich selbst zu befriedigen. Das kommt auf der einen Seite zwar richtig cringe daher, aber auch so brillant witzig, dass man einfach nicht anders kann, als lauthals loszulachen.
"Es ist so toll, Frauen in einem ganz normalen Kontext zu sehen. Dass zwei starke Frauen eine Hauptrolle in einer Komödie spielen, das gibt es nicht so häufig", sagt auch Kaitlyn. Ein bisschen kann man den Film als weibliche Antwort auf Seth Rogens Komödie "Superbad" sehen. Auch da machen sich die beiden Außenseiter Seth und Evan endlich auf, um pünktlich zum Schulabschluss der Welt zu zeigen: "Hey, wir sind cool!"
Was aber "Booksmart" von "Superbad" unterscheidet, sind die viele Nuancen, die zwischen den Zeilen erzählt werden und die Tiefen weiblicher Freundschaft zeigen, die sonst nur selten im Mainstream-Kino zu sehen sind.
"Freundschaften zwischen zwei Frauen sind so wichtig, und es ist voll gut, dass so etwas mal im Kino gezeigt wird. Sie ist so stark und hingebungsvoll – ich glaube, es ist etwas anderes als zwischen Männern. Frauen geben sich gegenseitig etwas, sie unterstützen sich, egal was kommt", erklärt Kaitlyn gegenüber NOIZZ. Das decke sich auch mit ihrer eigenen Erfahrung, wie sie weiter erzählt:
"Für mich sind meine besten Freundinnen meine zwei Schwestern. Die Verbindung, die ich zu ihnen habe, ist fast surreal. Es ist mehr als das typische Familien-Ding. Wir sehen uns wirklich eher als Freundinnen. Wir streiten uns sehr selten – untypisch für Schwestern, oder? Und wenn wir es tun, dann ist es wirklich schlimm und herzzerreißend. Fast so wie bei Molly und Amy."
Eben weil es leider noch immer recht selten ist, dass Frauen und ihre Freundschaften im Film so erfrischend bedingungslos dargestellt werden, findet man den Film am Anfang vielleicht auch etwas seltsam. Eben weil er so derb rüberkommt. Aber in den Flow von Molly und Amy findet man sich schnell ein.