Vor allem freiberufliche Hebammen sorgen sich um ihre Zukunft. Ab dem kommenden Juli zahlen sie rund 6300 Euro Versicherungsprämie; das sind 23 Prozent mehr als bisher. Doch nicht nur Hebammen geben reihenweise auf: Auch Frauenärzte steigen aus der Geburtshilfe aus, weil sie sich ihre Haftpflichtversicherung nicht mehr leisten können.
Über 2000 Hebammen und Frauenärzte trafen sich am Wochenende in Mannheim beim Kongress "Geburtshilfe im Dialog", um die Situation zu erörtern. Die Kampagne des DHV habe die Probleme publik gemacht und die Politik sensibilisiert, berichtete eingangs der Mannheimer Frauenarzt Dr. Ansgar Römer. Ein geplanter Sicherstellungszuschlag solle die gestiegenen Kosten ab Mitte 2015 abfedern; das Bundesgesundheitsministerium fordere einen Regressverzicht der gesetzlichen Krankenkassen sowie eine Einführung von Haftpflichtobergrenzen. "Es ist viel geredet worden im vergangenen Jahr, aber passiert ist nicht viel", stellte Römer fest und sprach von einer Verunsicherung der Frauen durch die Kampagne des DHV.
"Die Frauen haben allen Grund, Angst zu haben", entgegnete DHV-Präsidentin Martina Klenk. Hebammen müssten vor dem Monitor oft fünf Geburten gleichzeitig überwachen. "Es ist das Recht der Frau, den Geburtsort frei wählen und informiert entscheiden zu können", betonte sie. Dazu brauche es die nötige Zeit für eine gute Aufklärung von Frauenarzt und Hebamme. Als einen Knackpunkt bei den Verhandlungen mit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nannte sie Ausschlusskriterien bei Hausgeburten.
Warum sind die Haftpflichtprämien gerade in Deutschland so stark angestiegen? Grundsätzlich ist es Aufgabe der Krankenkassen, bei Schadensfällen im Gesundheitsbereich zu zahlen, machte Professor Dr. Frank Loewen, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, klar. Doch nach seinen Worten wollen sich die Krankenkassen das Geld bei den in der Geburtshilfe tätigen Ärzten und Hebammen beziehungsweise bei deren Haftpflichtversicherung holen. Daher böten sie über den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) großzügig Unterstützung bei vermuteten Behandlungsfehlern an. Trotzdem sieht Loewen die Geburtshilfe in Deutschland "nicht so finster" und spricht sich dafür aus, die Situation auch durch Akademisierung des Hebammenberufes positiv zu befördern.
Dr. Sven Hildebrandt, Mitbegründer eines Geburtshauses in Dresden, forderte in der Diskussion einen Systemwandel: Er will den Schutz der Geburt als gesamtgesellschaftliche Aufgabe im Grundgesetz verankern. Das "Ereignis Geburt" sollte versichert werden.
Die "normale" Geburt als Weltkulturerbe regte der Berliner Chefarzt Professor Dr. Michael Abou-Dakn (52) an. "Die Idee mit dem Weltkulturerbe hatten wir auch", sagte dazu Martina Klenk. Allerdings sei die "eigentliche Kulturleistung" die Begleitung der physiologischen Geburt durch Hebammen. "Das ist eine jahrhundertealte Kunst, die auf gar keinen Fall verloren gehen darf."