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Münchens erste #failnight - Greye Consulting

Das Thema Scheitern ist in Deutschland noch immer ein Tabuthema. Keiner gibt es gern zu und offen darüber reden tut erst recht keiner. Daher wurde es dringend Zeit, dass sich hier etwas ändert. Mit der ersten Münchner #failnight wurde ein weiterer Grundstein dazu gelegt.

Während der #failnight berichten Referenten über ihr berufliches oder privates Scheitern und wie man damit umgehen kann, welche Chancen und neue Wege sich daraus ergeben. Hier versteckt sich niemand und gibt bereitwillig darüber Auskunft warum es dazu kam und was sie daraus gelernt haben. Am 19.02.2015 traf man sich daher im Muffatcafé.

Bereits bei den Anmeldungen zur Veranstaltung auf Facebook unter #failnight konnte man sehen, dass das Thema durchaus für viele interessant ist und keineswegs tabuisiert werden sollte. Nicht verwunderlich also, dass der Andrang noch vor Einlassbeginn enorm war.

Nummer 1

Referent Nummer Eins war Florian Deising, er gehörte zu den zehn Besten seines Jahrgangs, hat einen Doktortitel und bereits in jungen Jahren Großprojekte u.a. bei Volvo und MAN geleitet. Doch klassische Konzernkultur war nichts für ihn. Er kündigte seinen Job, um alte Ideale einer grünen und sozialen Wirtschaft wieder aufleben zu lassen, welchen er bereits in Schul- und Studienzeiten zugeneigt war. Nur damals war er nach seinen eigenen Worten einfach „zu früh dran für die Energiewende". Daher vielleicht auch sein damaliger Karriereweg. Der Wechsel in eine neue Branche sollte ihn wieder mehr in den Bereich Politik, Soziales und/oder Umwelt bringen. Doch meist kommt es anders als man denkt: ein Jahr lang arbeitslos, 400 Bewerbungen und 70 Netzwerktreffen verhalfen zu drei Vorstellungsgesprächen, aber keiner Anstellung. Wenn er heute zurückblickt, dann ist für ihn eins klar: in dieser eher konservativen Branche kommt man nur mit viel Demut und Feingefühl weiter, Eigenschaften, die im Projektmanagement eher hinderlich fürs Geschäft sind. Sein erster Versuch, sich mit Grüner Sportförderung selbstständig zu machen, misslang. Doch inzwischen ist er Geschäftsführer der Bienen-Sauna, ein Projekt, was mit Fundraising auf die Beine gestellt wurde und reges Interesse geweckt hat.

Sein Fazit über die vergangenen zwei Jahre: Durchhalten lohnt sich, auch wenn ein Branchenwechsel in Deutschland noch immer schwierig ist. Sein persönliches Scheitern diskutierte er viel und offen mit guten Freunden sowie einen Berufscoach und es half ihm sehr auf verschiedene Netzwerktreffen zu gehen. Er hat inzwischen seinen Weg gefunden, auch wenn es finanziell noch immer nicht die Idealsituation für ihn darstellt.

Nummer 2

Referentin Nummer Zwei des Abends war Annette Rinn. Auch sie berichtete von ihren eigenen Erfahrungen im Scheitern auf beruflicher wie privater Ebene. Sie selbst leitete bereits 25 Jahre ein erfolgreiches Planungsbüro für nachhaltiges Bauen, welches mit Preise ausgezeichnet wurde und ein beliebter Ausbildungsbetrieb war, bis sie durch einen Bauträger in die Insolvenz geriet. Sie verlor daraufhin alles: ihr Unternehmen, ihre Familie und Freunde. Jedoch lies auch sie sich nicht davon klein kriegen. Sie sah ihr Scheitern als ein Sprungbrett zum Wissen erweitern. Sie begann zu studieren, verreiste mit Low-Budget und nahm sich wieder Zeit für ihre noch verbliebenen bzw. neuen Freunde. Ihre bestehenden Projekte leitet sie nach wie vor weiter, aber bei weitem nicht mehr in einer 80 Stunden-Woche, sie nannte dies „sich zu entschleunigen" - langsamer, näher, persönlicher und weniger. Darüber hinaus begann sie sich noch mehr ehrenamtlich zu betätigen. Sie leitet den Münchner Gesprächskreis der Anonymen Insolvenzler. In ihrer Funktion unterstützt sie dort Menschen, die von einer Insolvenz betroffen sind oder kurz davor stehen, gibt ihnen in den Gesprächsrunden des Vereins die Möglichkeit, sich auszutauschen, da Arbeitsämter gar keine Hilfe sind. Die Mitglieder des Gesprächskreises kommen dabei aus allen Branchen und sind zu 90% unverschuldet in die Insolvenz geschlittert. Auch sind gerade jetzt viele junge Menschen dabei, da derzeit Startups immer mehr werden, jedoch auch mehr scheitern. Desweiteren sucht der Gesprächskreis auch immer wieder das Gespräch mit Großunternehmen, da diese meist maßgeblich am Scheitern der Insolvenzler beteiligt sind. Hier muss sich noch einiges in der deutschen Gesellschaft tun. Beispielsweise auch die Gesetzgebung. In Deutschland beträgt die Karenzzeit nach der Insolvenz sieben Jahre, die sich in der Regel jedoch auf zehn Jahre ausweitet. Andere Nachbarstaaten sind da schon weiter. In Frankreich beträgt diese nur ein Jahr und ermöglicht es somit Querdenkern und mutigen Gründern auch nach einem Scheitern nochmal von Vorn zu beginnen.

Nummer 3

Referentin Nummer Drei berichtete diesmal nicht aus beruflicher, sondern privater Sicht des Scheiterns. Cora B. (der Name wurde auf Rücksicht der Familie geändert) erklärte uns ihre Idee einer Familie und wie ihr Modell leider nicht auf ging. Gestartet wurde mit folgendem kleinen Werbespot von Vorwerk:

Eigentlich ist der beste Manager der, der ein solches Familienunternehmen bewältigen kann. Leider gehen Theorie und Praxis in der Realität stark auseinander. Dies durfte auch Cora erfahren. Mann und Frau, beide im Berufsleben stehend, treffen sich und planen ein Startup, eine kleine Familie. Jedoch stellt frau schon nach dem ersten Kind fest, dass sie ihr Berufsleben so nicht weiterführen kann, da in Deutschland noch immer gern das klassische Modell gelebt werden soll, die Frau bleibt daheim und muss somit beruflich zurückstecken. Auch nach einem zweiten Kind ändert sich nicht viel an der Situation und es wird gewiss nicht einfacher. Was aber tun, wenn sich der andere, hier männliche Part diese Unternehmensentwicklung nun genauso vorgestellt hat? Dann kann es dazu führen, wie bei Cora der Fall, dass sich genau hier die Wege trennen, weil die Ziele nicht mehr übereinstimmen. Doch auch eine Trennung ist bei weitem nicht so einfach wie es sich anhört, denn auch hier passen u.U. die Ausstiegspläne nicht zusammen. Cora war in der Zeit besonders froh, dass sie sehr, sehr gute Freunde hatte auf sie sich verlassen konnte und das ihre Kinder mit der Zeit einfach selbstständiger wurden.

Ihr Fazit: Durch ihr Scheitern hat sie vor allem gelernt, dass man Verantwortung auch verteilen kann, auch Kinder können dies zu einem Teil tragen. Ihre Vision der Familie ist zwar gescheitert, aber das neue Modell macht sie umso glücklicher.

Nummer 4

Referent Nummer Vier war Heimo mit einer, sagen wir eher amüsanten Art des Scheiterns. Heimo ist Kommunikationsberater und betreibt als solcher auch einen eigenen Blog. Eines schönen Abends kam er auf die Idee eine Onlinekampagne namens ‪#‎Heimbarade‬ durchzuführen, bei der es darum gehen sollte drei Flaschen Schnaps zu tauschen, die man selbst nicht mag. Wenn man wie er acht Jahre Schnapsfirmen betreut hat und sich in Social Media auskennt, sollte solch eine Kampagne seiner Meinung nach doch ein leichtes sein. Leider war er nach vier Wochen noch immer der einzige Teilnehmer der Kampagne. Schließlich machte ihn sein Tätowierer darauf aufmerksam, dass man mit einer Anti-Idee schlecht andere überzeugen kann mitzumachen. Natürlich gibt es auch Gegenbeweise, die er uns präsentierte. Beispielsweise Makava Eistee und Eule, das Koffeinbier. Sein Fazit: Für Heimo ist das Blog ein idealer Raum zum Scheitern und natürlich für neue Ideen. Sein großer Vorteil war, dass sein Scheitern eigentlich keiner mitbekommen hat, aber trotzdem kratzte es an seinem Ego und es hat seine Zeit gebraucht bis auch er die Geschichte lustig fand.

Unser Fazit

Wir fanden den Abend grandios, endlich mal keine Erklärungen wie man es richtig machen kann/muss, sondern wie man trotz der richtigen Ideen und Wege dennoch scheitern kann und welche Chancen sich wiederum daraus ergeben können. Wer an den Meinungen diverser anwesenden Twitteratis interessiert ist, dem sei die Twitterwall empfohlen. Wer das Ganze nochmals live erleben will, der wende sich bitte unbedingt an das Team der #failnight und bitte um die Organisation einer weiteren.

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