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Nachhaltige Umweltzerstörung

Hat für Kritik am Bergbauprojekt nicht viel übrig: Serbiens Präsident Aleksandar Vucic (Kranj, 17.5.2021; Luka Dakskobler/ZUMA Wire/imago images)

Unverhofft kommt oft: Der serbische Präsident Aleksandar Vucic hat am Freitag angekündigt, über ein Minenprojekt in Westserbien eine Volksabstimmung abzuhalten. Nahe der Stadt Loznica will der britisch-australische Bergbaukonzern Rio Tinto Lithium gewinnen. In dem Gebiet rund um den Fluss Jadar soll es reiche Vorkommen des gefragten Elements geben, das vor allem in Batterien beispielsweise von Elektroautos Anwendung findet. Insgesamt 55.000 Tonnen Lithiumcarbonat in hoher Qualität soll es in der Region Macva geben. Das Interesse weckt dabei das Mineral Jadarit, benannt nach dem Nebenfluss der Drina. Dieses seltene Erz enthält nicht nur Lithium, sondern auch Bor.

Ein profitables Geschäft für den multinationalen Konzern in Anbetracht der zu erwartenden steigenden Nachfrage an Lithium für die in Westeuropa ansässige Autoindustrie, die ihre Zukunft in der Elektromobilität sieht. 250 Millionen US-Dollar hat Rio Tinto in den vergangenen Jahren schon investiert, in diesem Jahr folgen noch einmal 200 Millionen. 2022 soll mit dem vier Jahre dauernden Ausbau der Mine begonnen werden, anschließend soll mehr als 50 Jahre geschürft werden. Und so träumt Vucic bereits davon, in Serbien eine eigene Batterieproduktion zu errichten – von der Gewinnung über die Herstellung bis hin zum Recycling. Erste Schritte dafür wurden bereits unternommen, indem Rio Tinto und der slowakische Batteriehersteller Inobat eine Kooperation geschlossen haben, wie es in einem Statement vom 25. Mai heißt.

Doch die Folgen des Jadar-Projektes wären verheerend für die Umwelt, warnen Aktivisten, Wissenschaftler und Bewohner der betroffenen Region. Sie fordern einen Stopp der bereits begonnenen Erkundungsphase und das Verbot des Lithiumabbaus. Durch diesen würde die Natur zerstört, zudem wäre die traditionelle kleinbäuerliche Landwirtschaft nicht mehr möglich. Denn es droht die Verschmutzung des Grund- und Flusswassers, der Luft und der Böden. In den vergangenen Monaten kam es immer wieder zu Protesten, so auch Anfang Juni in Belgrad, wo sich Vucic mit Rio-Tinto-Geschäftsführer Jakob Stausholm traf. Viele Parteien der sonst zerstrittenen Opposition haben sich inzwischen gegen das Minenvorhaben ausgesprochen.

Mehr als 300 Landbesitzer haben sich in der Macva-Region in der Initiative »De damo Jadar« (Wir geben Jadar nicht her) zusammengeschlossen. In einer Petition weisen sie auf die drohenden Gefahren hin: So werde bei der Lithiumgewinnung Schwefelsäure verwendet, auch würden täglich Tausende Kubikmeter Wasser verbraucht. Über Drina und Sava könnte das verschmutzte Wasser dann in andere Teile Serbiens und sogar über dessen Grenzen hinaus gelangen. »Wir lehnen die Gefährdung der Bevölkerung rund um das Jadartal im Interesse des Profits eines multinationalen Konzerns ab«, heißt es weiter in der Petition, die bislang mehr als 50.000 Menschen unterschrieben haben.

Deren Autoren verweisen zudem auf die lange Liste von Vorwürfen gegen Rio Tinto: von der weltweiten Zerstörung und Verwüstung der Umwelt durch Minen, der Sprengung von heiligen Stätten der australischen Indigenen bis hin zur Verwicklung in Kriegsverbrechen in Papua-Neuguinea. Im Falle Serbiens komme hinzu, dass die bisherigen Verträge zwischen dem Bergbaumulti und der Regierung nicht öffentlich seien.

Für derlei Kritik hat Vucic indes nichts übrig. Wer sich gegen das Jadar-Projekt stelle, sei populistisch, denke nur an sich und stünde somit dem Fortschritt Serbiens und dessen »grüner Agenda« im Weg, denn durch das Minenprojekt entstünden Tausende Arbeitsplätze in der Region, so der Präsident. Man brauche sich keine Sorgen machen, denn alle Umweltstandards würden eingehalten. Und sowieso profitiere Serbien. Allein 600 Millionen Euro könnten mit der Mine jährlich eingenommen werden, weitere Milliarden Euro werfe die dazugehörige Weiterverarbeitung des begehrten Rohstoffs zu Batterien ab. Außerdem sei bislang keine endgültige Genehmigung erteilt worden, darum soll nun die Bevölkerung befragt werden: »Die Stimme des Volkes ist für uns die Stimme Gottes«, sagte der sich fromm gebende Staatschef vergangene Woche – ganz so als würde er das Ergebnis des versprochenen Referendums schon kennen.

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