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Bejubelte Niederlage

Fühlt sich als Sieger: Mazedoniens Premier Zoran Zaev am Sonntag in Skopje bei einer Pressekonferenz nach dem Referendum

Von Roland Zschächner

Das Referendum in Mazedonien ist gescheitert - indes nicht für Premierminister Zoran Zaev und seine westlichen Unterstützer. Bei der "konsultativen" Volksbefragung am Sonntag haben 91,5 Prozent der Wahlberechtigten mit ja gestimmt, 5,6 Prozent votierten dagegen, wie die staatliche Wahlkommission meldete. Doch lediglich 36,87 Prozent der Wähler beteiligten sich, nicht genug, um das notwendige Quorum von mehr als 50 Prozent zu erreichen. Gefragt wurden die Wähler, ob sie "für die Mitgliedschaft in der EU und der NATO unter Annahme der Vereinbarung zwischen der Republik Mazedonien und der Republik Griechenland" seien.

Der sozialdemokratische Regierungschef Zaev erklärte noch am Sonntag: "Die Bürger Mazedoniens haben eine wichtige Entscheidung getroffen". Die Mehrheit habe sich für seine Politik entschieden, so schnell wie möglich, Mitglied der NATO und der Europäischen Union zu werden. Um dies umsetzen zu können, musste der langjährige Streit mit Griechenland beigelegt werden, das den Staatsnamen Mazedonien wegen einer gleichnamigen eigenen Region ablehnt.

Auf Druck der USA schlossen Athen und Skopje im Juni dieses Jahres das Prespa-Abkommen. Dieses sieht vor, dass die ehemalige jugoslawische Republik zukünftig Nord-Mazedonien heißen soll, Griechenland werde dann eine Mitgliedschaft des Nachbarlandes in NATO und EU nicht länger blockieren.

Bereits vor dem Referendum hatte Zaev durchblicken lassen, das Ergebnis nach seinem Gusto auslegen zu wollen. Nun soll es das Parlament richten, dort ist zur Änderung des Staatsnamens eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Die Koalitionsregierung zwischen Zaevs Sozialdemokratischer Liga (SDSM) und Parteien der albanischen Minderheit verfügt aber lediglich über knapp 70 der 120 Sitze in Skopje - es fehlt ihr also zehn Abgeordnete, um die Verfassung zu revidieren.

Bundesaußenminister Heiko Maas zeigte sich am Montag auf Anfrage von junge Welt erfreut darüber, dass "eine überwältigende Mehrheit derjenigen, die von ihrem demokratischen Recht Gebrauch gemacht haben, für die Einigung mit Griechenland gestimmt haben. Sie wollen, dass ihr Land seinen Weg in Richtung EU und NATO weiter geht." Außerdem erklärte Maas, es sei gut, "dass das Abkommen nach dem konsultativen Referendum jetzt im mazedonischen Parlament behandelt wird". Er rufe "alle politischen Kräfte in Skopje und in Athen dazu auf, die Chancen der historischen Einigung zu nutzen" und das Prespa-Abkommen "umzusetzen".

Im Gegensatz dazu bezeichnete Andrej Hunko, Linke-Bundestagsabgeordneter und Mitglied der Parlamentarischen Versammlung, am Montag gegenüber junge Welt, das Scheitern des Referendums als "eine schallende Ohrfeige für die EU und die NATO". Auch die nach Skopje eingeflogene "euroatlantische Prominenz" habe nichts genutzt, "um die mazedonische Bevölkerung zur Zustimmung zu drängen". Hunko merkte zudem an: "Die deutliche Verweigerung der Zustimmung hat nicht nur nationalistische Gründe. Viele haben die manipulative Fragestellung als undemokratische Zumutung empfunden, andere sehen die Zukunft des Landes eher in der Neutralität. Dies gilt es zu respektieren."

Zaev kann sich bei seinem Vorhaben der Unterstützung Washingtons gewiss sein. Das US-Außenministerium begrüßte das Ergebnis des Referendums: "Die Vereinigten Staaten unterstützen nachdrücklich die vollständige Umsetzung des Prespa-Abkommens, das es Makedonien ermöglicht, seinen rechtmäßigen Platz in der NATO und der EU einzunehmen", heißt es in einer am Sonntag veröffentlichten Stellungnahme. "Wir fordern die politischen Führer auf, sich über Parteipolitik zu stellen und diese historische Chance zu nutzen, um dem Land eine bessere Zukunft als vollwertiges Mitglied westlicher Institutionen zu ermöglichen."

Zaev rief am Sonntag die Opposition auf, "nicht mit unserer Zukunft und der Mazedoniens" zu spielen. Ansonsten würde er Neuwahlen ausrufen. Dies wäre für die rechtsnationalistische ­VMRO-DPMNE ein heikles Unterfangen, denn sie ist nach der Wahlniederlage 2017 und unzähligen Korruptionsvorwürfen geschwächt. Auch zum Referendum bezog sie keine klare Position.

Gestärkt aus dem Referendum dürfte dagegen die linke Partei Levica hervorgehen, die sich frühzeitig deutlich dagegen ausgesprochen und zu dessen Boykott aufgerufen hatte. Stiven Tripunovski, Mitglied der Abteilung für auswärtige Angelegenheiten von Levica, bezeichnete den Ausgang der Abstimmung am Montag gegenüber junge Welt als "großen Sieg der Bürger Mazedoniens" und "Meilenstein in der jüngsten Geschichte des Landes". "Die Menschen haben es abgelehnt, sich selbst abzuschaffen", erklärte er. Sie hätten "Widerstand gegen den Imperialismus geleistet, der von den korrupten Eliten im Land forciert wird". Mazedonien habe seinen antifaschistischen Charakter bewahrt, so Tripunovski.


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