Roland Peters

Journalist, Korrespondent und Reporter

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Als Bannon "Feuer und Zorn" entdeckte

Stephen Bannon - Präsidentschaftskandidat 2020? (Foto: Reuters)

Wie chaotisch es im Weißen Haus von US-Präsident Trump zugeht, erzählt Michael Wolff in seinem Buch "Feuer und Zorn". Was er in Berlin nun über seine Recherche berichtet, legt nahe, dass er viel mehr war als nur "der Typ, der das Buch schrieb".

Von Roland Peters, Berlin

Donald Trump ist ein bösartiger Kotzbrocken, seine Mitarbeiter schreit er an und macht sie nieder, so sei es schon immer gewesen, sagt Michael Wolff. Aber der Autor zeigt sich dankbar, als die Arbeit eines Jahres im Januar endlich getan ist. "Here we go. You can buy it (and read it) tomorrow. Thank you, Mr. President", twittert er. Bewirken kann ein Präsident der Vereinigten Staaten vieles, eines aber sicher nicht: die Veröffentlichung eines Buchs stoppen. Donald Trump versuchte es trotzdem. Erfolg hatte er nicht, Autor Wolff umso mehr. An diesem Montagabend soll der Journalist auf der Berliner "Volksbühne" Platz nehmen, um über sein millionenfach verkauftes Buch zu sprechen. Fernsehkameras sind da, Fotografen ebenso, das Radio überträgt live.

"Stellen Sie sich vor, Trump hört zu und ärgert sich darüber, was für einen Empfang Michael Wolff bekommt", sagt der Moderator kurz vor Beginn, um Applaus zu heischen. Als der 64-Jährige auf die Bühne tritt, wird es tatsächlich laut. Trotz Live-Übertragung, klirrender Kälte draußen und 18 Euro je Karte ist der Saal voll. Das Publikum in der Hauptstadt will denjenigen hören und sehen, der das Chaos um Trump herum so anschaulich beschrieben hat - und wegen des folgenden Bruchs des Präsidenten mit seinem Ex-Chefberater Steve Bannon selbst zur Person der Geschichte geworden ist. Wolff, Baumwollhose, Pullunder über hochgestelltem Hemdkragen, schwarzes Brillengestell, trieb ebenfalls die Neugier, als er sich Zugang in Trumps inneren Zirkel verschaffte. "Ich wollte Zeuge sein", sagt er über seine Motivation.

Wie kann es überhaupt sein, dass ein Journalist während der chaotischen ersten sechs Monate in der mutmaßlich unerwartetsten Präsidentschaft im Zentrum der Macht einfach ein- und ausgehen durfte? Es klingt denkbar einfach: "Jeden Montag machte ich Termine und einer reichte, um hineinzukommen", sagt Wolff. Wer einmal drin sei, sei drin, und kaum einer habe sich für ihn interessiert. Doch wenn Wolff von seiner Recherche erzählt, dann klingt es, als sei er selbst instrumentalisiert worden, und das Ergebnis, dieses schriftliche Zeugnis aus dem Weißen Haus, als Waffe einer Machtprobe gedacht gewesen.

Jeder Gruppe ihre Leaks

Meist hatte Wolff seine Termine mit dem damaligen Chefberater Steve Bannon vereinbart. Der tauchte jedoch häufig nicht auf. Wenn Wolff jemandem auf die Frage antwortete, auf wen er denn warte, bekam er ein mitleidiges "Oh, ... Bannon" zu hören. Der nahm aber irgendwann die Termine mit Wolff doch ernst - und wurde sehr redselig. Er erlaubte dem Journalisten zudem die Veröffentlichung ihrer Gesprächsinhalte und sagte Wolff, er strebe die Präsidentschaft im Jahr 2020 an. Für den gradlinig berechnenden Bannon war "der Typ, der das Buch schreibt" womöglich ein wichtiges Instrument. Die Gelegenheit war günstig: Das Weiße Haus sei gespalten gewesen in verschiedene Interessengruppen und alle versuchten, sich gegen die anderen zu positionieren, sagt Wolff: Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared, Bannon, Trump, die anderen Mitarbeiter. Ihre Vehikel waren ebenfalls nicht der Pressestab, sondern ihre eigenen Leute und die Medien. Die waren das Einzige, was der Präsident wahrnahm - und beschimpfte.

Auf der Berliner Bühne ist Wolff zwar ausgeruht in seinen Antworten, wirkt aber nicht nur matt, sondern ist es auch. Ein paar Meter hinter ihm ist ein Tisch platziert, von dem aus mehrmals Passagen der deutschen Übersetzung seines Buches vorgelesen werden. Dabei runzelt der Autor ab und zu die Stirn, der Fuß seines übergeschlagenen Beins kreist unregelmäßig; bisweilen schließt er die Augen sekundenlang, womöglich fallen sie ihm auch einfach zu. "Ich bin müde", klagt Wolff, als er gefragt wird, wie er sich fühle. Seit sieben Wochen ist er permanent unterwegs.

Wolffs Beschreibungen haben bereits jetzt einen Platz in der Historie, weil sie so sind, wie auch die US-Medien bei Trump erstmals vorgehen: Sie entlarven die Mystik des Amtes, die alle Vorgänger geschützt hatte, mit profanen Details. Wie der Präsident im Bademantel nach dem Lichtschalter suchend im Weißen Haus umherirrt. Dass er die Aufmerksamkeitsspanne eines Kleinkindes hat, wenn er mit Zahlen konfrontiert wird. Wie der in vielen Belangen arglose Präsident für verschiedene Interessen benutzt wird und trotzdem irrational handelt.

Das Konstrukt stürzt ein

Der Vorleser auf der Bühne verleiht Wolffs Buch eine neue Qualität. In der absurden Amateurhaftigkeit Trumps und seiner Mitarbeiter werden die Inhalte von "Feuer und Zorn" zur seltsam surrealen, lebendigen Erzählung, zu einer Geschichte, die Wolff nach eigener Aussage auch schreiben wollte. "Ich bin kein politischer Journalist. Ich bin Beobachter." Was Wolff dabei erlebte, war, wie Bannon sich relativ schnell von Trump und dem restlichen Stab des Weißen Hauses distanzierte. Wie er sein eigenes Ding durchziehen wollte, sein nationalistisch-populistisches Programm. Und wie er den Präsidenten dabei geradezu verspottete. Ihn schützte zunächst, dass ihm der Schlüssel zu Trumps Basis zugeschrieben wurde. Zudem galt Bannon am Anfang der Präsidentschaft als Einziger, der eine Ahnung hatte, wie Regieren überhaupt funktionierte.

Bannon wollte Wolffs Buch womöglich als Eckpfeiler einer Kampagne gegen den eigenen Chef nutzen. Doch die Gesamtkonstruktion war nicht stabil genug: Erst stolperte sein Scharfmacher-Kandidat Roy Moore in Alabama im Dezember 2017 über einen Missbrauchsskandal und verlor dabei die Senatsnachwahl gegen die Demokraten. Wenige Wochen später wurden Bannon die eigenen Aussagen in Wolffs Buch zum Verhängnis. Breitbart entließ ihn. Die einflussreiche Milliardärsfamilie Mercer schlug sich auf Trumps Seite.

Ohne Bannon im Weißen Haus hegt das politische Establishment nun Trump ein. Die große Steuerreform war ein Projekt der Republikaner, nicht von Trumps Stab. "Die republikanische Führung bestimmt nun die Politik des Weißen Hauses", sagt Wolff. Henry Kissinger rufe regelmäßig Jared an und sei dessen außenpolitischer Guru geworden. Ivanka habe herausgefunden, dass ihr Vater nicht mit Daten und Kausalzusammenhängen zu Taten zu bewegen sei, sondern mit Bildmaterial. So etwa habe Trump den US-Vergeltungsschlag für den Giftgasangriff im syrischen Chan Scheichun nicht aus strategischen Überlegungen angeordnet, sondern weil Ivanka ihm Opferbilder von Kindern mit Schaum vor dem Mund in Großformat gezeigt hatte. Noch Tage später soll Trump Bekannten von "diesem Schaum" erzählt haben.

Als der Moderator das Thema möglicher Demenz des Präsidenten anspricht, sagt Wolff, er kenne Trump nun seit 20 Jahren und der habe sich während eines Gesprächs schon immer wiederholt, dies zumindest sei kein Beleg. "Aber es gibt ein verwandtes Wort zu Demenz und das ist Dummheit." Das Publikum ist hörbar amüsiert. Ungläubig still werden die Zuhörer kurz vor dem Ende des Bühnengesprächs jedoch, als Wolff sich überzeugt zeigt, dass Trump eine Person nicht unterbieten werde: "Seine Präsidentschaft wird nicht so viel Schaden verursachen wie die von George W. Bush." Da ist auch der Moderator ein paar Sekunden sprachlos.


Quelle: n-tv.de


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