Ein Jahr ist vergangen, seit Donald Trump die Hand hob und zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten wurde. Abgesehen von all den Emotionen: Welche seiner Vorhaben hat Trump umgesetzt? Die Bilanz seines ersten Jahres.
Von Roland Peters
Als Donald Trump vor genau einem Jahr vereidigt wird, changieren die USA und die Welt zwischen Entsetzen und Spott. Doch nein, die Wahl des Unternehmers war weder böser Traum, noch Bühnenstück. Trump stand am 20. Januar 2017 leibhaftig vor dem Kapitol in Washington, schwor auf die Verfassung der Vereinigten Staaten - und zog ins Weiße Haus ein.
Im Zentrum der Macht versucht Trump seither, seine Wahlkampfversprechen einzulösen. Zwar geht den USA ausgerechnet an seinem Jubiläumstag das Geld aus und beginnt eine Haushaltssperre. Aber was hat der US-Präsident im Rückblick auf sein erstes Jahr inhaltlich erreicht? Konnte er seine Ankündigungen trotz politischer Unerfahrenheit, Unberechenbarkeit und Brechstangen-Diplomatie in die Tat umsetzen?
JobsEs gibt einen Video-Zusammenschnitt aus Trumps Wahlkampf, in denen der Unternehmer nur ein Wort sagt, an Dutzenden Orten, in Dutzenden Tonfällen: "Jobs". All das, was er in seinem ersten Jahr umsetzte, könnte zumindest einen Teil dazu beigetragen haben, dass der bereits unter Vorgänger Barack Obama kräftige Aufschwung der USA fortgesetzt worden ist. An den Finanzmärkten jagt ein Rekord den anderen. Die offizielle Arbeitslosigkeit ist auf 4,1 Prozent gefallen, seit einem halben Jahrhundert war die Quote nicht so niedrig. Im vergangenen Quartal wuchs die US-Wirtschaft um nahezu 4 Prozent.
ObamacareEin zentrales Wahlversprechen von Trump und Wunsch fast aller Republikaner war, das als Obamacare bekannte Krankenversicherungssystem abzuschaffen. Zwar ist der "Affordable Care Act" noch in Kraft. Aber kräftig daran herumoperiert hat das Gesundheitsministerium trotzdem. Einkommensabhängige Zuschüsse und Steuervergünstigungen wurden gestrichen, was vor allem die Unter- und Mittelschicht trifft. Der Staat erlaubt Arbeitgebern nun auch, aus religiösen oder moralischen Gründen die Finanzierung von Verhütungsmitteln nicht mitzutragen. Geburtenkontrolle und Abtreibung sind für viele religiöse Amerikaner die Schlüsselthemen bei ihren Wahlentscheidungen. Als Folge erwartet ein unabhängiges Gremium des US-Kongresses 13 Millionen mehr Unversicherte bis 2027 und 10 Prozent höhere Beiträge für die anderen.
MauerEines der populärsten Vorhaben von Trump war eine Mauer an der Grenze zu Mexiko, um illegale Einwanderung aus dem Süden zu verhindern. Länger als 3000 Kilometer lang und mehrere Meter hoch sollte das Bollwerk sein - und Mexiko dafür bezahlen. Dieses Versprechen konnte der US-Präsident bislang nicht einlösen. Die Kosten des Bauvorhabens werden auf rund 35 Milliarden Dollar geschätzt. Im aktuellen Haushaltsentwurf der USA ist das Geld für die Mauer nicht eingerechnet. Der Entwurf sei "schrecklich für die Sicherheit unseres Landes", sagte Trump, da er nicht genug Geld für den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko vorsehe. "Das ist das Gegenteil von dem, wofür ich Wahlkampf gemacht habe." Und Mexiko weigert sich, die Kosten zu übernehmen. Zuletzt deutete der Stabschef im Weißen Haus modifizierte Pläne für die Mauer an. Trump habe "seine Sicht auf die Dinge geändert", sagte John Kelly.
MuslimbannMutmaßlich benutzte der Rechtsnationale Steve Bannon den Präsidenten als Vehikel für seine Agenda. So war eines von Trumps erklärten Zielen "ein totaler Einreisestopp von Moslems, bis die Repräsentanten unseres Landes herausfinden, was überhaupt los ist." Der Präsident behauptete zwar nach Veröffentlichung von Michael Wolffs Insider-Buch "Fire and Fury" und öffentlichem Bruch mit dem ehemaligen Intimus, Bannons größter Wert sei, "dass er in der Lage war, korrupte Medien davon zu überzeugen, er sei verantwortlich für meinen Sieg gewesen". Tatsache ist aber: Bannon leitete Trumps Wahlkampfteam und brachte ihn ins Weiße Haus.
Als wichtigster Berater forcierte Bannon in der ersten Woche nach der Amtseinführung den Muslimbann, der Menschen aus Syrien, Libyen, Sudan, Somalia, Jemen, Irak und Iran an der Einreise hinderte. Darunter waren auch Familienmitglieder von in den USA lebenden Personen. Es folgte ein tagelanges Reisechaos, das laut Bannon auch so beabsichtigt war. Mehrere US-Bundesgerichte machten der Regelung jedoch den Garaus.
Eine zweite Version des Einreisestopps wurde vom Verfassungsgericht in Teilen bestätigt, ist aber inzwischen ausgelaufen. Nun gibt es eine dritte Variante, die auch Reisende aus Nordkorea und Venezuela einschließt, um den Rassismusvorwurf zu entkräften. Der Sudan ist von der Liste verschwunden, dafür findet sich dort Tschad, obwohl der afrikanische Staat ein militärischer Verbündeter der USA bei der Anti-Terror-Bekämpfung in der Region ist. Das Verfassungsgericht bestätigte die Regelung im Dezember 2017 vorläufig, eine endgültige Entscheidung steht noch aus.
SteuerreformDas Thema Steuersenkungen ist ein Dauerbrenner der Republikaner und für Trump als Unternehmer besonders wichtig - hier passt kaum ein Blatt zwischen die Grand Old Party und ihren umstrittenen Präsidenten. Die Steuerreform, die Trump durch den Kongress brachte und am 22. Dezember 2017 unterzeichnete, umfasst die größten Steuersenkungen seit 31 Jahren. Die Abgaben für Unternehmen reduzierten sich von 35 Prozent auf - alle Steuerpflichten eingerechnet - 26,5 Prozent. Haben Konzerne wie Apple ihre Milliarden im Ausland geparkt, können sie ihr Geld nun beruhigt in die USA zurückholen und zum vergünstigten Satz von 15,5 Prozent versteuern. Im Schnitt ist das billiger als in der EU, wo der durchschnittliche Steuersatz im Jahr 2016 bei 21,4 Prozent lag. Auch Trump selbst profitiert: Sein Konzern kann durch die Reform rund 11 Millionen Dollar jährlich einsparen.
Für Privatpersonen sind die Neuregelungen zeitlich befristet. Zunächst sinkt die Abgabenlast leicht, steigt in den Folgejahren jedoch nach und nach wieder. In rund zehn Jahren werden etwa die Hälfte der Steuerpflichtigen draufzahlen, wie die Denkfabrik "Tax Policy Center" ausgerechnet hat - und zwar vor allem Bürger aus der niedrigen und mittleren Einkommensschicht. Für die Reichen des Landes ist die Reform hingegen ein Geschenk. Auch, weil bei der Reform offensichtlich die Grundregel galt: Je höher das Einkommen, desto mehr Prozente Entlastung. Der Millionärsclub namens US-Senat dürfte nichts dagegen haben.
NatoTrump setzte das transatlantische Verteidigungsbündnis nach seinem Amtsantritt unter Druck, indem er es öffentlich und grundsätzlich infrage stellte. Es ging ihm wie bei so vielen anderen Themen schlussendlich ums Geld: Im Jahr 2002 hatten sich die Nato-Staaten auf das Ziel geeinigt, zwei Prozent ihres jeweiligen Bruttosozialprodukts in den eigenen Militäretat zu stecken. Viele Staaten haben dieses Ziel nie erreicht, auch Deutschland nicht. Auf Trumps Drohungen folgten in Europa ein paar Zusagen für höhere Ausgaben, mehr aber nicht. In der Nato sind die USA immer noch, und es gibt keine aktuellen Anzeichen, dass sich das ändern könnte.
NordkoreaAls Obama seine Amtsgeschäfte an den Republikaner übergab, warnte er seinen Nachfolger: Das drängendste Problem auf internationaler Ebene sei Nordkorea unter Diktator Kim Jong Un. Trump hat das nicht vergessen - und eskalierte die Lage mit verbalem Kriegsgetöse: Er drohte mit "Feuer und Wut" in Richtung koreanischer Halbinsel, bei seiner nationalistischen ersten Rede vor der UN-Generalversammlung sogar mit "totaler Vernichtung" Nordkoreas sowie indirekt einem militärischen Alleingang. Bisheriger Höhepunkt war das öffentliche verbale Fernduell um die Größe des roten Knopfes für Atomwaffen. Mehrfach wurden die internationalen Strafmaßnahmen gegen Nordkorea verschärft, das Land befindet sich inzwischen nahe einer Wirtschaftsblockade. Trumps Brachialdiplomatie und Pjöngjangs Tests von Interkontinentalraketen brachte sogar Partner China dazu, Sanktionen zu verhängen. Gelöst hat Trump das Problem damit nicht. Nordkoreas Raketen können inzwischen auch Washington erreichen, sagen Wissenschaftler.
NahostTrump hatte angekündigt, den Nahostkonflikt zwischen Israel und Palästinensern endlich lösen zu wollen, so wie jeder US-Präsident vor ihm. Trump vermittelte jedoch nicht, sondern schlug sich radikal auf eine Seite: Zunächst hofierte er im Mai Saudi-Arabien und brachte einen 110-Milliarden-Rüstungsdeal mit nach Hause. Zudem unterstützt Trump die israelischen Hardliner um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Im Handstreich verkündete der Präsident, die US-Botschaft in Israel werde nun tatsächlich nach Jerusalem verlegt, die Stadt wird damit praktisch als Hauptstadt anerkannt. Die Zwei-Staaten-Lösung ist damit Geschichte, es kam zu Unruhe(n) in den Palästinensergebieten und der weiteren arabischen Welt. Der befürchtete Krieg, eine weitere Intifada, brach jedoch nicht aus. Den Iran, Israels und Saudi-Arabiens Erzfeind, torpedierte Trump immer wieder verbal und drohte permanent, das historische Atomabkommen mit der Islamischen Republik aufzukündigen. Hier gilt wie für den Fall Nordkorea: Gelöst ist die Krise kein bisschen.
HandelspolitikBeim Freihandel blieb die befürchtete Abschottung der USA durch Zölle aus, auch wenn Trump ständig protektionistische Maßnahmen wie Einfuhrgebühren auf Stahl oder Solarmodule ins Spiel brachte. Das transpazifische Handelsabkommen TPP hatte Trump allerdings schon drei Tage nach seinem Amtsantritt aufgekündigt. Die anderen Nationen - darunter Australien, Japan, Kanada, Singapur und Vietnam - hielten den Deal am Leben, er heißt jetzt "CPTPP".
Das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada - laut Trump der "schlechteste Vertrag aller Zeiten" - verhandeln die USA derzeit neu. Deutsche Autobauer befürchten, dass so etablierte Handelsketten zwischen Mexiko und den USA zerschlagen werden könnten. Bis ein Auto fertig ist, überquert es sieben- bis achtmal die Grenze zwischen den beiden Ländern. Das Kalkül hinter Trumps öffentlichem Getöse könnte sein, die Unternehmen zur Produktionsverlagerung nach Norden zu zwingen. Ein Ergebnis der Nafta-Gespräche gibt es noch nicht. Sowohl bei Denkfabriken in Washington als auch in der EU wird es als Wegweiser für Trumps internationale Handelspolitik erwartet. Denn TTIP, das Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, liegt derzeit auf Eis.
UmweltDie USA verließen wie von Trump angekündigt im August 2017 wie angekündigt das Pariser Klimaabkommen. Der Austrittsprozess wird in voraussichtlich zweieinhalb Jahren abgeschlossen sein. Die Vereinigten Staaten wären dann der einzige Staat, der nicht mehr Teil des Abkommens ist. Sogar Syrien und Nicaragua haben die Vereinbarung inzwischen unterzeichnet. Frankreich hat angekündigt, die Finanzierung des wichtigen wissenschaftlichen Weltklimarats von den USA zu übernehmen.
Auf nationaler Ebene hat Trump die Umweltbehörde EPA, ein wichtiges Instrument von Ex-Präsident Obama für Umweltschutz, geschwächt. Es begann damit, dass er Scott Pruitt im Februar 2017 an die Spitze der Behörde setzte. Pruitt hatte als Justizminister des Öl-Bundesstaates Oklahoma die EPA mehrmals verklagt, setzte sich für die Interessen der Ölindustrie ein. Er hatte gegen Umweltauflagen für die Branche gefochten, die den Schutz vor Luft- und Wasserverschmutzung vorsahen - und die er nun komplett stoppen will. In der Vergangenheit zog er ebenso wie Trump den menschengemachten Klimawandel in Zweifel.
Der noch nicht verabschiedete Haushalt für das Jahr 2018 sieht Budgetkürzungen bei der EPA von rund einem Drittel vor. Ein Fünftel der Mitarbeiter müsste gehen, das sind rund 3200 Beschäftigte. Energieminister Rick Perry wollte die EPA sogar komplett abschaffen, was er inzwischen jedoch bestreitet. Pruitt will Obamas "Clean Power Plan", der Kohleverbrennung reduzieren und Erneuerbare Energien fördern soll, beenden. "Der Krieg gegen die Kohle ist vorbei", sagte Pruitt im Oktober. Politisch und womöglich juristisch helfen könnte die Entscheidung von Trumps Regierung, den Klimawandel am 18. Dezember 2017 von der Liste der Gefahren für die nationale Sicherheit zu streichen.
Seit Trumps Amtsantritt hat die US-Verwaltung umfassende Gebiete für den Abbau von fossilen Energieträgern freigegeben und Dutzende Umweltauflagen wieder abgeschafft. Trump öffnete bislang geschützte Gebiete, etwa in Alaska, für Öl- und Gasförderer. Die Rohölexporte der USA haben sich seit Trumps Amtsantritt verdreifacht. Anfang Januar veröffentlichte die Verwaltung ihren Plan, ab 2019 alle Küsten für Offshore-Bohrungen freigeben zu wollen.
Quelle: n-tv.de
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