Berlin Karsten Kossatz marschiert die rund 15-minütige Strecke von der S-Bahn-Station Lichterfelde Süd bis zur Lichterfelder Weidelandschaft an diesem Abend mehrmals ab. Immer wieder wird er dort Teilnehmer für ein Meeting im Wald abholen. Nach einigen Metern asphaltiertem Gehweg biegt er in einen schmalen Wiesenpfad ein und erreicht nach kurzer Zeit ein abgeschlossenes Metalltor. Ein Tor, hinter dem sich eine große blühende Naturfläche auftut. Pferde, Eidechsen, Hummeln: Von groß bis klein bekommen Tiere hier einen Lebensraum. Aber nicht nur Tiere können hier Entspannung und Ruhe finden, sondern auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Ausgleich zum normalen Büroalltag. Zu diesem Zweck hat Kossatz inmitten der Natur einen mobilen Raum geschaffen, in dem die Kreativkräfte einzelner Teams gefördert werden und neue Ideen entstehen sollen. „Outside Society" heißt das Berliner Start-up von Kossatz und seinem Geschäftspartner Marc Schwabedissen, das bisher gängige Formen des Arbeitslebens völlig neu denkt.
„Ich habe mich in den letzten Jahren viel damit beschäftigt, wo Menschen kreativ und produktiv werden und wie Teams gut zusammenarbeiten können", sagt Kossatz, der Geschäftsführer einer Werbeagentur ist. „Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es toll wäre, wenn man an den Orten arbeiten könnte, an denen man seine Freizeit verbringt - also im Wald, auf einer Wiese oder am Strand." Zu diesem Zeitpunkt bietet der Architekt Marc Schwabedissen mit seinem Unternehmen bereits seit vielen Jahren eine mobile Modulbox für verschiedene Events und Verkaufsveranstaltungen an. Kossatz und Schwabedissen bündeln ihre Expertise und vermieten ihre 34 Quadratmeter große Box nun seit einem halben Jahr an Unternehmen, die darauf hoffen, dass ihre Mitarbeiter in der Natur neue Perspektiven gewinnen.
Damit das gelingen kann, wurde die Box auf engstem Raum mit dem Wichtigsten ausgestattet. Die Stromversorgung funktioniert komplett autark über Solarzellen auf dem Dach. „Selbst bei absoluter Bewölkung können die Zellen den Geräten im Innenraum noch etwa 20 Prozent an Energie liefern", sagt Schwabedissen. Um ideale Arbeitsbedingungen für die Teilnehmer zu gewährleisten gibt es Wlan, Bildschirme für Präsentationen, aber auch Flipcharts sowie ein flexibles Möbelsystem.
Für das leibliche Wohl sorgen eine Kaffeemaschine sowie ein kleiner Kühlschrank, in dem Getränke oder Speisen Platz finden. Die ganze Elektronik ist in einem Schrank verbaut, der auch als Tresen dient. Schwabedissen kann auf seinem Smartphone den Energiestand der einzelnen Geräte ablesen. Wenn mal etwas nicht funktioniert oder ausfällt, muss einer seiner Mitarbeiter rausfahren und nach dem rechten gucken. Bei den Meetings der Firmen ist keiner von Schwabedissens Leuten dabei. Aus einem einfachen Grund, wie er erklärt: „Die Gruppe, die hier in der Natur aktiv wird, kennt sich meist sehr gut. Wenn noch ein Externer dabei ist, könnte das die Arbeitsprozesse der Teilnehmer vielleicht hemmen."
In der Box nicht enthalten ist eine Toilette. Die steht rund hundert Meter entfernt vom Glaskasten und sieht auf den ersten Blick aus wie ein Dixie-Klo, nur eben aus Holz. Schwabedissen hat bei der Konstruktion darauf geachtet, dass alles kompostierbar und frei von Chemie ist. Er nennt das Unikat „Öko-Toilette". Auch Händewaschen ist möglich. Damit hier Wasser aus dem Hahn kommt, betätigt man einen Fußhebel. Schwabedissen ist mit der Toilette zufrieden, schließlich muss er alles auf ein Zugfahrzeug bekommen. Damit werden das WC sowie weiterer Kleinkram transportiert, die Box selbst findet auf einem Anhänger Platz. „Die Module sind so konzipiert, dass die Box von nur zwei Mitarbeitern abgeladen und überall kinderleicht aufgebaut werden kann", sagt Schwabedissen.
Dass die Box inmitten der Lichterfelder Weidelandschaft steht, ist eine Momentaufnahme. „Das eingezäunte Gelände gehört der Groth Gruppe, die als Bauunternehmer in dem weitläufigen Areal in Zukunft das neue Viertel Neulichterfelde errichten möchte", sagt Kossatz.
Bis zum 14. August wird die Box fest auf dem Gelände stehen. „Wir wollten mal einen Monat lang an ein und demselben Ort bleiben", sagt Kossatz. Bisher war das Geschäftsmodell von „Outside Society" darauf ausgelegt, die Box täglich an wechselnden Orten an Unternehmen zu vermieten - in ganz Deutschland übrigens.
„Wenn Kunden mit einem speziellen Ortswunsch auf uns zukommen, prüfen wir für sie, ob das möglich ist. Wir müssen dafür vorab an den Ort fahren, uns die Gegebenheiten anschauen und mit den örtlichen Behörden sprechen", sagt Schwabedissen. Ausnahmen bilden nur Grundstücke, die in Privatbesitz seien. Ein Service, der seinen Preis hat. Ein Arbeitstag von 9-18 Uhr in der Box kostet 5000 Euro. Darin enthalten sind Willkommens-Smoothies und heiße Getränke, Catering kann hinzugebucht werden. Für einen halben Tag zahlt man 2700 Euro. Coronabedingt dürfen sich derzeit maximal zwölf Menschen in der Box aufhalten.
An diesem Abend kommt in der Box eine Unternehmerrunde zusammen, die aus den unterschiedlichsten Bereichen stammt und sich über ihre Erfahrungen im eigenen Betrieb austauschen will. Befragt man die Sängerin und Moderatorin Asia de Saleh zur Idee von „Outside Society", ist sie sicher, dass die Umgebung die Kreativität fördert: „Ich finde es unwahrscheinlich spannend, dass man hier nichts hört und man mal aus der Berliner Stadthektik herauskommt. Man kann sich gut von dem Grün im Wald inspirieren lassen, es hat etwas Beruhigendes." David Kastner, der aus der Immobilienbranche kommt, ergänzt: „Die Natur setzt Reize und es ist wichtig, dass wir auch aus neuen Fenstern schauen."