Robert Schmidt

Freier Journalist, Straßburg

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Interpol: Wer hilft hier wem?

Interpol ist die Schnittstelle der Polizeibehörden der Welt. 190 Staaten stehen hinter der International Criminal Police Organization mit Sitz in Lyon, um Informationen über grenzüberschreitende Kriminalität auszutauschen und so "die Herausforderungen der Verbrechensbekämpfung im 21. Jahrhundert anzunehmen". Interpol hat zwar keine polizeilichen Befugnisse, entwickelt aber Strategien, um nationalen Polizeibehörden mehr Durchschlagskraft zu verschaffen. Gut möglich ist außerdem, dass Interpol daneben auch die Geschäftsinteressen ausgewählter Pharmakonzerne unterstützt. Darauf deuten Recherchen der ZEIT hin.

Die Verquickung polizeilicher und ökonomischer Interessen wird bei einer Kampagne gegen Medikamentenfälschungen deutlich. Unter dem Titel Proud to Be präsentierte Interpol im vergangenen Jahr dazu ein Musikvideo, das man heute noch auf YouTube anschauen kann. Es zeigt tanzende Afrikaner und viele fröhliche Kinder mit bunten Bildern in den Händen. Dazu singt die prominente südafrikanische Sängerin Yvonne Chaka Chaka einen Text, der an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt: "Menschen brauchen gute Medikamente."

Was gute Medikamente sind, ist weit weniger klar. Vor allem, wenn man versucht, mehr über die Interpol-Kampagne herauszufinden. Schon auf die Finanziers des Videos stößt man nur bei genauem Hinsehen: Wie der Webseite der Kampagne zu entnehmen ist, zählt das Institute of Research Against Counterfeit Medicines (IRACM) aus Paris zu den "Partnern". Beim IRACM handelt es sich laut Angaben auf dessen eigener Website um einen gemeinnützigen Verein und ein "unabhängiges Institut" zur Forschung über Medikamentenfälschungen. Auf der Internetseite steht in einem Nebensatz, dass das IRACM auf "eine Initiative der Sanofi-Gruppe" zurückgehe, also eines einflussreichen französischen Pharmakonzerns mit Sitz in Paris. Recherchen der ZEIT haben ergeben, dass Sanofi das IRACM allerdings noch immer fast ausschließlich finanziert. Auf Nachfrage bestätigt der Pharmakonzern: "Das Institut wird heute zu circa 80 Prozent von Sanofi getragen."

Die starke finanzielle Abhängigkeit stärkt den Verdacht, das IRACM könnte weniger an neutraler Forschungsarbeit interessiert sein als am Wohlergehen Sanofis. Denn Medikamentenfälschungen bedrohen den Absatz der Originalpräparate.

Sponsoring als Geldquelle für die klamme Organisation?

Details über die Kooperation bei der Proud to Be- Kampagne waren bei Sanofi und Interpol nicht in Erfahrung zu bringen. Allerdings deutet ein Interpol-Dokument darauf hin, dass Sanofi sie finanziell unterstützt haben könnte. Dass der Interpol-Clip vor allem auf die Lage in Afrika aufmerksam macht, muss deswegen aber kein Zufall sein: Sanofi zählt zu den führenden Medikamentenherstellern auf dem Kontinent.

Im vergangenen Jahr hat Interpol die Zusammenarbeit mit IRACM auf Schulungen ausgeweitet. Im Oktober 2012 unterrichteten Interpol und IRACM gemeinsam in Mexiko 30 Polizisten und Beamte aus ganz Lateinamerika zum Thema "effektive Ermittlung im Bereich Pharmaverbrechen". In Mexiko gehört Sanofi zu den Marktführern.

Mindestens seit 2008 unterstützt Sanofi Aktionen von Interpol finanziell, was der Konzern auf Nachfrage bestätigt hat. Etwa in Südostasien, wo Sanofi ebenfalls erhebliche Marktanteile zu verteidigen hat. Dort fand 2008 die Interpol-Mission "Storm" statt, bei der es ebenfalls um Medikamentenfälschungen ging. Laut Abschlussbericht hatten bei Storm aber nur zwei Pharmaunternehmen eigene, in der Region erhobene Proben zur Analyse abgegeben: Eli Lilly und Sanofi. Es handelte sich dabei um Fälschungen ihrer Produkte.

Weder Interpol noch Sanofi äußern sich zur Frage, wie viel Geld in die Mission Storm geflossen ist. Der Konzern sagt lediglich: "Die Zusammenarbeit zwischen der Pharmaindustrie und Interpol ist transparent. Interpol ist völlig frei in der Verwendung der Mittel." Und Interpols Generalsekretariat teilt mit: "Der Handel mit illegalen Medikamenten ist ein weltweites Phänomen, das das Leben von Millionen von Menschen bedroht." Es sei also "logisch, mit der Industrie zusammenzuarbeiten, um gegen diese Form der Kriminalität vorzugehen".

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