Robert Schmidt

Freier Journalist, Straßburg

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Minderheiten: Frankreich bleibt auch unter Hollande hart gegen Roma

Die Polizisten kommen um sechs Uhr in der Frühe. Sie fragen nach Papieren und verweisen die Roma des Platzes. Ärzten wird eine Behandlung von Kranken untersagt. Mitarbeiter eines privaten Unternehmens säubern das Terrain, Wohnwagen werden zertrümmert, der Zugang zum Gelände wird zugemauert. Nach kaum einer halben Stunde ist alles vorüber. So schildert Jacques Dumortier von der Menschenrechtsorganisation Classes die Räumung eines Roma-Lagers im französischen Lyon . Sein Kollege Etienne Trime ergänzt: "Das Verfahren hat sich bis heute nicht geändert."

Solche Räumungsaktionen wirken wie die nahtlose Fortsetzung der Politik der harten Hand unter Präsident Nicolas Sarkozy . Dabei dürfte es so eigentlich gar nicht mehr ablaufen. Die Regierung von Sarkozys Nachfolger François Hollande hat Ende August eine Direktive an Frankreichs Polizeidirektionen verschickt, nach der die Beamten die Roma als "Individuen" zu betrachten haben. Die Polizei solle "Unterstützungsangebote vermitteln" und sich bemühen, die Roma zu integrieren: "in Schulen, das Gesundheitssystem, den Arbeits- und Wohnungsmarkt". Zusätzliche Gelder wird es dafür nicht geben, und so sind es weiterhin fast ausschließlich Nichtregierungsorganisationen, die solche Bemühungen vorantreiben.

Mehr als ein Dutzend Räumungen von Roma-Lagern hat es in diesem Sommer allein in Rhône-Alpes, der Region um Lyon, gegeben. Nach Einschätzungen von Menschenrechtlern wurden dabei nicht nur in Frankreichs zweitgrößter Region, sondern auch im Rest des Landes systematisch Grundrechte missachtet. Für sie ist damit klar: Auch unter der Regierung Hollande ändert sich der Umgang mit den Roma nur zögerlich.

Benachteiligungen sollen abgeschafft werden

Seit Anfang August überwacht die Europäische Kommission die französische Roma-Politik, seit Kurzem schalten sich außerdem die Vereinten Nationen verstärkt in die Debatte ein. So warnte etwa Mutuma Ruteere, UN-Berichterstatter zum Thema Rassismus: "Räumungen schüren das Klima der Feindseligkeit." Frankreich solle endlich "geeignete Unterbringungsmöglichkeiten suchen und die soziale Integration der Minderheit fördern".

Gegenstand der Kritik waren zudem diskriminierende Sonderregelungen des französischen Arbeitsmarktes. Diese sollen nun schrittweise abgeschafft werden. Zu diesem Ergebnis kam jedenfalls Ende August eine Ministerkonferenz zur Roma-Frage in Paris . Premierminister Jean-Marc Ayrault hatte dort erklärt, dass die Regierung Maßnahmen plane, die "steuerliche Benachteiligungen für Staatsangehörige der Roma-Staaten bei der Arbeitsaufnahme sukzessive aufheben" würden. Auch will man die "Liste der möglichen Berufe erweitern".

Damit setzt Frankreich Abmachungen um, nach denen die Alt-EU-Staaten Sonderregelungen für Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien bis Ende 2013 abbauen müssen. Neben Frankreich wenden beispielsweise noch Deutschland und Österreich derartige Regelungen an.

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