Regine Glaß

Freelance Journalist, Translator and Author, Göteborg

9 Abos und 0 Abonnenten
Reportage

Beruf Vater


Vollpapa oder Vollzeit? Diese drei Väter zeigen: 50/50 ist in unserer derzeitigen Gesellschaft nicht einfach


„Auf dem Arbeitsamt fühle ich mich manchmal selbst schon wie ein Irrer,“ bemerkt Tom, 27, aus Potsdam.  Als seine Frau Josepha ihre Ausbildung in Vollzeit begann, blieb er mit dem eineinhalbjährigen Juri daheim. Auch heute arbeitet er nur 4 Stunden, während der Sohn, mittlerweile dreijährig, in der Kita ist. So bleibt die Mama noch ein Jahr lang die Hauptverdienerin, mit 800 Euro Ausbildungsgehalt. Trotz des nur geringen Zuschusses von 200 Euro besteht Druck vom Amt: Tom soll sich eine Vollzeitstelle suchen. „Wie soll da noch Zeit für das Kind bleiben, wenn beide Eltern ganztags arbeiten?“ Noch kann Tom sie beschwichtigen: In einem Jahr, nachdem Josepha ihren Abschluss hat, kann alles wieder anders werden. Eine Rückkehr zur traditionellen Rollenverteilung bedeute das jedoch nicht. Tom sieht sich bei einer Vollzeitstelle „Abstriche machen, die ich nicht machen will.“


Patchwork-Family


Die Prioritäten sind bei SAP-Berater Steffen aus Brandenburg anders gesetzt. Sein höherer Verdienst war entscheidend dafür, dass Ex-Freundin Maria als Physiotherapeutin zu Hause bleibt. Was die beiden jedoch nicht erwarteten: Der Kindersegen kam im Dreier-Pack, und Mama war durch eine Thrombose mehrere Wochen nach der Geburt der Kinder zu geschwächt, um Mama zu sein. Steffen stopfte also zwei Monate lang drei hungrige Mäuler und wechselte Windeln. Überforderung und Frust sind die Stichworte, an die er sich aus dieser Zeit erinnert. Drei Jahre später: Maria und Steffen haben sich getrennt, doch für seine neue Partnerin Jana und deren 9jährige Tochter Zoe ist ein Leben ohne die Drillinge nicht vorstellbar. Die Kinder sind in der Kita, und haben Stiefpapa, Stiefmama, Großeltern und Stiefgeschwister dazugewonnen. Was hätte besser laufen können? Die Elternzeit sollte für Steffen lieber 20 als 14 Monate lang sein und gerne hätte er mehr als zwei Monate genommen, „aber das hätten wir finanziell nicht wuppen können.“

Großfamilienglück?


Die Höhe des Verdienstes allein muss jedoch nicht die Struktur der Erziehung prägen.  Sozialpädagogin Sevilay sieht  bei den Männern, die wöchentlich zu ihr ins „Panke-Haus“ in Berlin-Wedding  2 kommen, um sich mit anderen türkischsprachigen Vätern auszutauschen, einen großen Vorteil gegenüber der 50/50 Aufteilung der deutschen Kleinfamilie: „In der türkischen Community sind die Väter nie wirklich allein. Da sind Oma, Geschwister, Tante und Onkel. Die Familie hat auch in der 2. Generation noch einen hohen Stellenwert, und man hilft sich, wo man kann.“ Bis zum sechsten Lebensjahr möchten Eltern aus der Community ihr Kind gern in der Familie belassen. „Es kommt aber auf das Kind an“, fügt Sevilay, selbst Mutter von zwei Kindern, zu. Während sie Vollzeit arbeitet, sitzt ihr Mann nicht nur im Home-Office, sondern fährt die Kinder zu Kita und Freizeitterminen und kocht Abendbrot. Die jüngere Tochter stecke die Fremdbetreuung dabei deutlich besser weg als die Ältere.

Mikro-Utopien

Die drei Perspektiven zeigen: Es geht bei Vätern, die zu Hause bleiben, nicht um eine bloße Umkehrung des traditionellen Rollenverhältnisses. Es geht darum, wie Eltern 2015 Beruf und Familie vereinbaren wollen. Die enge Bindung, die sie in Elternzeit zu ihrem Kind aufbauten, ist für alle drei Vätertypen ein Gewinn. Selbst Karriere-Papa Steffen sagt: „Kinder sind eigentlich das Größte, was man so zustande bringt.“ Gesellschaftliche Akzeptanz von Vätern, denen Zeit mit ihren Kindern wichtiger ist als Karriere, Flexibilität im Job, sowie Modelle der gewählten oder biologischen Großfamilie sind Mikro-Utopien der neuen Familie.