Drei Zimmer, Küche, Bad - das wollen viele Familien in Berlin. Doch schon bei der Besichtigung herrscht Massenandrang.
Berlin. Vor der Hausnummer 31 an der Graefestraße in Kreuzberg stehen an diesem Novembernachmittag mindestens 100 Menschen. Alle sind gekommen, weil sie eine Wohnung suchen. Es ist kurz vor 17 Uhr und schon fast dunkel, als die Haustür aufgeht und ein junger Mann von der Hausverwaltung erscheint. Er hat den Schlüssel für eine Wohnung im Hinterhaus: dritter Stock, knapp 90 Quadratmeter, saniert, drei Zimmer, Küche, Bad, mit einem winzigen Balkon.
Zu den Suchenden, die in einer langen Schlange die Treppe im Hinterhaus besteigen, gehören auch Jenny Wirth (35) und ihr Mann Luciano Rios (43). Die beiden sind mit Töchterchen Klara (fast 2) gekommen. "Wir sind seit zwei Jahren in Berlin, wohnen zur Untermiete und müssen da Ende des Jahres raus", sagt Jenny Wirth. Die Philologin aus Süddeutschland hat kürzlich einen Job gefunden und für Klara einen Kita-Platz. "Der ist am Südstern, deshalb sind wir auf die wahnwitzige Idee gekommen, ausgerechnet im Graefekiez nach einer Wohnung zu suchen", sagt Wirth. Sie weiß, dass das fast aussichtslos ist.
Einige Wohnungsbesichtigungen haben Jenny und Luciano schon hinter sich, erfolglos. "Wir arbeiten beide, verdienen nicht schlecht, trotzdem gibt es offenbar immer jemanden, der noch vertrauenswürdiger ist, mehr verdient, mehr Geld im Rücken hat", sagt Jenny Wirth. Das klingt nach Resignation und so ist es auch. "Schauen sie mal, wie viele Leute hier sind, da haben wir doch wieder keine Chance", sagt Jenny Wirth. Sie überlege jetzt, ihre Mutter mit ins Boot zu holen. Die sei Lehrerin gewesen, habe ein Eigenheim in Süddeutschland. "Vielleicht ist das die Sicherheit, die Vermieter erwarten." Wenn auch das nicht helfe, würden sie aus Berlin wegziehen müssen, obwohl das so gar nicht ihr Plan sei.
Wenn eine größere Wohnung nötig wird, gibt es ProblemeSo wie Jenny Wirth und Luciano Rios geht es vielen jungen Familien in Berlin. Spätestens mit dem ersten Kind kommen die Probleme. Eine größere Wohnung ist fällig. Doch wer nur durchschnittlich verdient und keine großen Rücklagen oder Eltern im Hintergrund hat, die viel Geld auf der hohen Kante haben und bereit sind zu bürgen, der muss lange suchen und am Ende viele Kompromisse eingehen. Wobei es immer schwieriger wird, überhaupt eine bezahlbare Bleibe zu finden.
Dabei gibt es in Berlin laut Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 1.902.675 Wohnungen, darunter 1.608.500 Mietwohnungen. Die Miete liegt im Schnitt bei 9,07 Euro pro Quadratmeter.
Luise (32) und Christian (36) Kaiser sind auch auf Wohnungssuche. Im Februar haben sie ihr erstes Kind bekommen: Sohn Jonathan. Die Wohnung in Kreuzberg ist nun zu klein, zumal die drei winzigen Zimmer nur Durchgangszimmer sind. Schon vor der Geburt ihres Kindes haben die beiden nach einer größeren Wohnung gesucht. Dass sie im Bergmannkiez bleiben können, das haben sie sich schon lange abgeschminkt. Sie würden auch nach Schöneberg ziehen, nach Mitte oder in den Prenzlauer Berg. Auch Neukölln käme in Frage oder Alt-Treptow. Mehr als 30 Wohnungen haben sie sich schon angesehen.
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