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Serie Wasserspiele: Tauchen ist eine Wissenschaft für sich

Tauchen ist ein Teamsport. Mindestens zu Zweit, lieber in der Gruppe, erkunden die Taucher die Unterwasserwelt. Foto: Fabian Wilking

Keine Schwerkraft, schweben im dreidimensionalen Raum. Menschen mit schwarzen Anzügen und Hauben. Mit Gewichtswesten, Sauerstoffflaschen, Schläuchen und Flossen. Kommunikation ausschließlich via Handzeichen. Wie Kosmonauten unter Wasser. Taucher. Auf allen Eben. Ungewohnt für das menschliche Fassungsvermögen. An Land wäre eine solche Anordnung unmöglich. Orientierung? Ohne einen Kompass schwierig. Durch einen Schlauch atmen? Fühlt sich seltsam an. Zum einen skurril, weil das Gefühl aufkommt, nicht genug Luft zu bekommen. Zum anderen erhaben, weil der Evolution auf diese Weise ein Schnippchen geschlagen werden kann. Eines ist aber klar: Die Taucher sind nur zu Gast in einer Welt, die anderen gehört.

„Wenn ich beim Tauchen einen riesigen Hecht treffe, der mich mit großen Augen anschaut, wird mir immer wieder bewusst, dass ich Glück habe, dass er mich in seiner Welt akzeptiert", sagt Holger Eberth. Er taucht seit 15 Jahren, seit zwei Jahren ist er außerdem Tauchlehrer. Er, seine Frau Heidi und seine Tochter Rebecca sind Mitglieder im Verein der Sporttaucher Seeteufel Bremen.

Im Winter trainieren sie im Unibad, in den Sommermonaten teilen sie sich mit anderen Tauch- und Wassersportvereinen einen privaten See bei Uthlede. In diesem sind verschiedene Figuren und Statuen versenkt. Unter anderem ein großer Metallhai. „Um den Hai zu finden, braucht man eine gute Orientierung und Erfahrung in Navigation", sagt Stefan Hübner, der Vorsitzende des Sporttauchvereins.

Sich zu orientieren und zu navigieren, das lernt man im Tauchunterricht. „Es gibt drei Tauchstufen, die man erreichen kann. Das sind die Ein-Stern-, Zwei-Stern- und Drei-Stern-Taucher", sagt Hübner. Ein Stern das bedeutet: Der Taucher oder die Taucherin kann überall tauchen, sofern andere Taucher mit einem höheren Abzeichen dabei sind. „Das ist wie beim begleiteten Fahren. Ein Taucher mit einem Stern kann mit einem Taucher, der zwei Sterne hat, bis zu 20 Meter tief tauchen. Ein Taucher, der drei Sterne hat, kann jeden Taucher, der mindestens einen Stern hat, bis zu 40 Meter Tiefe mitnehmen", erklärt Hübner. Da Tauchen aber ohnehin eine Sportart ist, die mindestens zu zweit ausgeübt wird, sei es nicht so schlimm, dass Taucher mit einem Stern noch nichts alleine dürfen.

Unter Wasser gilt es, zunächst den Kopf davon zu überzeugen, dass alles okay ist.

Von Putzerfischen sauber machen lassen

„Dass wir hier im See tauchen, hat vor allem den Grund, dass wir bereit sein wollen für Expeditionen im Meer", sagt Eberth. Er zeigt ein Video von einem Familienurlaub auf den Philippinen: „Wir sind extra um fünf Uhr morgens aufgestanden und direkt mit dem Boot rausgefahren", erklärt er, während der Film abläuft. „Wir wurden an einer Stelle rausgelassen, sind auf 30 Meter runtergetaucht und haben uns an eine Kante gelegt."

Um sechs Uhr habe dann das Spektakel begonnen: „Die Fuchshaie sind aus ihrem Graben geschwommen und haben sich von Putzerfischen sauber machen lassen. Wären wir eine Stunde später da gewesen, dann hätten wir sie verpasst", sagt er. Angst vor den Raubtieren habe er keine gehabt. „Man muss sich einfach ruhig verhalten, dann machen sie ihr Ding und wir können zuschauen", erklärt er.


Beim Tauchen geht es nicht nur im Fall von Haibeobachtungen um Genauigkeit. „Tauchen ist Biologie, Chemie, Physik und Mathematik", sagt Hübner. Der Taucher muss berechnen, wie weit er mit der Luft kommt, die er dabei hat. Er muss sich überlegen, ob er sich so schnell in die Tiefe begibt, dass er Dekompressionsstufen braucht. Also kurze Pausen in unterschiedlichen Tiefen beim Auftauchen, um dem Körper die Zeit zu geben, den Stickstoff, den er durch den Tauchgang angereichert hat, wieder loszuwerden.

„Macht man das nicht, kann das Probleme im Körper geben - die sogenannte Taucherkrankheit", sagt Hübner. Sein Verein vermeidet solche Tauchgänge. „Wir machen Sicherheitsstopps", sagt er. Das heißt: Er und seine Mittaucher machen alle fünf Meter, die sie tiefer gehen, eine Pause, um ihren Körper an den neuen Druck zu gewöhnen.

Alle zwei Jahre zum Taucharzt

„Druck ist ein wichtiges Stichwort. Generell können nur Menschen tauchen, die in der Lage sind, einen Druckausgleich zu machen", sagt Hübner. Aber das ist nicht die einzige Gesundheitsprüfung, die bestanden werden muss. „Unter 40-Jährige müssen alle zwei Jahre zum Taucharzt, später dann jährlich", sagt Eberth.

Schnuppertaucher müssen vor der ersten Stunde bestätigen, dass sie weder verstopfte Nasenhöhlen noch Platzangst oder sonstige Gebrechen haben. „Wir sind Mitglied im Verband deutscher Sporttaucher und halten uns an die Regeln", sagt Hübner. Zwischen den einzelnen Verbänden gebe es Unterschiede unter anderem in der Ausbildung. Der Verband Deutscher Sporttaucher gebe dem Verein aber den roten Faden vor, an dem er sich orientiert.


Da Tauchgänge immer mindestens zu zweit unternommen werden, ist der Taucher selbst bei technischem oder körperlichem Versagen abgesichert. „Jeder Taucher hat einen zweiten Atemschlauch dabei, den er seinem Tauchpartner abgeben kann", sagt Hübner. Außerdem bekämen die Taucher regelmäßige Schulungen, wie eine Rettungskette oder ein Defibrillator funktionieren - kurz, wie sie einander im Ernstfall helfen können.

Holger Eberth taucht seit 15 Jahren, seit zwei Jahren hat er außerdem eine Lehrlizenz.

Routine kann tödlich sein

Die Vorkehrungen mögen bedrohlich wirken, dienen aber der Sicherheit. Beim Tauchen bedürfe es laut Hübner der vollen Konzentration, Routine könne tödlich sein. Trotz der widrigen Bedingungen strahle der Sport eine ungemeine Faszination aus: „In dem Moment, in dem ich untertauche, löse ich mich von der Außenwelt. Ich bin nur für mich und meine Gruppe verantwortlich", schwärmt Hübner. Auch Familie Eberth ist verzaubert.

„Es ist schon besonders, zu Gast in einer Welt zu sein, die dem Menschen nicht gehört", sagt Holger Eberth. Sorgen machen er und seine Tochter sich allerdings wegen des Klimawandels. Nicht nur die Wassertemperatur steige, sondern auch die Korallen sterben. Traurig sagt Holger Eberth: „Da ist nichts mehr bunt. Es sieht aus wie eine Mondlandschaft. Früher konnte man ein Knabbern hören, weil die kleinen Fische sich von den Korallen ernährten. Heute hört man nur Stille."


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