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Serie Wasserspiele: Wasserball ist nichts für Zartbesaitete

Die Bälle fliegen mit Wumms ins Tor. Um die Hände frei zu haben, treten die Wasserballspieler auf der Stelle. Foto: Fabian Wilking

Und wie schlimm ist es?", ruft ein Mann vom Beckenrand aus einem Schwimmer zu. „Es war noch nie so warm wie heute", ruft dieser zurück. Die beiden sind Wasserballspieler der Herrenmannschaft des SV Bremen von 1910. In den Sommermonaten trainiert die Mannschaft im Stadionbad. „Das Wasser in diesem Bad ist so kalt, dass es bei Wettkämpfen von anderen Teams gefürchtet wird", erklärt Lutz Schmauder-Fasel, Rundenleiter für Wasserball im Landesschwimmverband Bremen. Wegen der Kälte seien die Sportler anfälliger für Krämpfe. Das Team des SV Bremen 1910 schreckt das Wasser allerdings nicht ab. Nach und nach hüpfen alle ins Becken und beginnen, sich einzuschwimmen.

Das Oberliga-Team, dem auch eine Frau angehört, teilt das Becken mit Nachwuchssportlern. „Annemarie hat eine Ausnahmegenehmigung, da wir keine Damenmannschaft haben, die so hoch spielt. Das ist in der Oberliga üblich", erklärt Schmauder-Fasel. Jede Trainingsgruppe bekommt eine Hälfte des Sprungbeckens und ein Tor. Die erste halbe Stunde der Trainingseinheit erinnert an ein Schwimmtraining. Der Spielertrainer Thomas Postera coacht die Mannschaft zunächst vom Beckenrand. Sobald es ans Torewerfen geht, wird er aber auch selbst ins Wasser springen. Die Sportler kraulen, schwimmen auf dem Rücken oder auch nur mit den Beinen. Bahn um Bahn. „Schwimmen ist meistens der unbeliebte Teil bei Wasserballern. Die Sportler freuen sich eher darauf, endlich den Ball in die Hand zu bekommen", sagt Schmauder-Fasel.


Doch auch das Schwimmen sei essenziell für die Sportart. „Es ist eine andere Form der Kondition als beim Schwimmen", erklärt Schmauder-Fasel. Zwar sei es von Vorteil, ein passabler Schwimmer zu sein, eine Garantie, dann ein ebenso passabler Wasserballspieler zu sein, sei das jedoch nicht. „Wenn ich auf einem Wettkampf schwimme, verausgabe ich mich auf den 100 oder 200 Metern komplett, danach bin ich erst einmal platt", sagt Schmauder-Fasel, „beim Wasserball muss ich aber durchhalten." Zwar könne fliegend durchgewechselt werden, doch auch das koste Zeit. Eine weitere Schwierigkeit: Die Sportler müssen selbstständig früh genug losschwimmen. „Es gibt keinen Startschuss, entweder ich bin zuerst am Ball oder eben nicht", sagt der 56-Jährige.

Thomas Postera ist Spielertrainer der ersten Herrenmannschaft.

Alles eine Frage guter Beinarbeit

„Machen wir jetzt Ball, oder willst du noch schwimmen", ruft einer der Spieler Thomas Postera entgegen. „Erst mal Beinarbeit", ist die prompte Antwort. Mit Beinarbeit ist Wassertreten gemeint. Das ist ein Schritt, den die Spieler machen müssen, um im Wasser stehen zu können. Ähnlich wie beim Brustschwimmen werden die Beine geknickt und wieder gestreckt, allerdings nicht synchron, wodurch die Sportler auf der Stelle stehen können. Gute Wassertreter kämen Schmauder-Fasel zufolge auf diese Weise bis zur Badehose aus dem Wasser. Hier liege eine der großen Schwierigkeiten. „Viele haben Probleme, den Ball überhaupt zu werfen", sagt Schmauder-Fasel, „dafür muss man über Wasser bleiben. Beim normalen Schwimmen sind die Hände prinzipiell unter der Wasseroberfläche."

Schmauder-Fasel selbst ist nicht mehr aktiv, er trainiert jetzt eine gehörlose Wasserballmannschaft. „Die Gehörlosen haben bei uns im Verein angefragt, ob es möglich wäre, dass sie jemand trainiert", erzählt er. Zunächst habe er geschluckt und sich gefragt, wie er das anstellen könnte. Gebärdensprache kann er nämlich nicht. Nach dem ersten gemeinsamen Training war für ihn allerdings klar, dass er sich der Aufgabe annehmen möchte. „Wir hatten so viel Spaß zusammen und haben auch sehr viel gelacht", sagt Schmauder-Fasel. Da es für die wasserballspezifischen Fachbegriffe ohnehin keine Übersetzung in die Gebärdensprache gebe, habe er gemeinsam mit dem Team eigene Begriffe eingeführt.


Helfen würde auch, dass zwei der Spieler, die 2006 mit der deutschen Gehörlosenmannschaft Weltmeister wurden, Teile des Teams sind. „Die wissen dann immer sehr schnell, was ich meine, da sie sich mit der Materie auskennen", sagt Schmauder-Fasel. Das Team um Thomas Pos­tera hört seinen Trainer ganz gut, trotzdem weicht dieser immer wieder auf Vorturnen aus. Er zeigt die Bewegungsabläufe vom Beckenrand aus als Trockenübung in aller Ruhe, führt sie aus, wie einen Tanzschritt. Fast könnte man darauf warten, dass er anfängt zu zählen: fünf, sechs, sieben, acht.

Lust auf Rangeleien

Die Spieler dürfen endlich den Ball in die Hand nehmen und sich einwerfen. „Das ist Volleyball, was du da spielst", ruft Postera, „das Ziel ist es, oben zu bleiben und stabile Pässe zu spielen." Nach ein paar Lockerungsübungen geht es ans Eingemachte: Die Spieler dürfen endlich aufs Tor werfen. Auch Postera zieht sich nun seine Badehose an, springt ins Wasser und schwimmt sich schnell warm. Im richtigen Spiel würde sich die Mannschaft durch das gesamte Becken bewegen, würde sich gegenseitig zupassen und versuchen, den Ball an Centerverteidiger und Torwart vorbei ins Tor zu werfen. Da sie sich aber das Becken mit den Nachwuchsspielern teilen, begnügen sie sich mit einem Tor, auf das sie alle abwechselnd werfen. Mit Wumms donnern dem Torwart die Bälle entgegen.

„Wasserball spielt man, wenn man Lust hat auf ein Kräftemessen und auf Rangeleien im Wasser", sagt Schmauder-Fasel. Mit dem Ball unterzutauchen sei zwar verboten, allerdings gebe es keine Partie ohne versteckte Fouls. „Das ist wie beim Handball, da wird der Kreisläufer auch von allen Seiten geschubst", erklärt er. Die versteckten Fouls unter Wasser seien für die Schiedsrichter oftmals gar nicht zu erkennen. „Als Schiedsrichter stehe ich am Beckenrand und versuche, alles mitzubekommen", sagt Schmauder-Fasel.


Geschubst wird beim Training im Stadionbad nicht so viel, vielmehr werfen die Spieler aufs Tor und spielen mit wechselndem Torwart. Nach und nach verlässt einer nach dem anderen das Wasser. Es wird kalt, die Muskeln werden schwer. Nach einer guten Stunde ist das Training vorbei, werden die Badesachen gegen Straßenkleidung gewechselt und die Tasche geschultert. Aus aktuellem Anlass müssen die Sportler alle gemeinsam das Bad verlassen - das besagen die Corona-Regeln. In der kommenden Woche werden sie sich wieder ins kalte Nass stürzen und trainieren, um in der neuen Saison stark zu spielen.


Zur Sache

Die Regeln

Ein Wasserball-Team besteht aus bis zu 13 Aktiven. Sieben befinden sich während des Spiels im Wasser, der Rest sitzt auf der Bank - bereit, fliegend einzuwechseln. Der Torwart braucht eine spezielle Badekappe, um erkenntlich zu sein. Auch er darf aber beliebig oft ausgewechselt werden. Eingeworfen wird der Ball vom Schiedsrichter auf Höhe der gedachten Mittellinie. Die schnellsten Schwimmer des jeweiligen Teams haben dann den Auftrag, den Ball zu ergattern. Gespielt werden darf nur oberhalb der Wasseroberfläche.

Ein Spiel dauert prinzipiell vier mal acht Minuten, allerdings wird die Zeit bei jeder Unterbrechung angehalten. Die ballführende Mannschaft hat 30 Sekunden für ihren Spielzug, einen Wurf aufs gegnerische Tor oder einen Pass. Ziel des Spiels ist es, mehr Tore zu werfen als die Gegner. Sollte es nach der regulären Spielzeit Gleichstand geben, werden zwei mal drei Minuten Nachspielzeit angehängt. Auch hier wird bei jeder Unterbrechung die Uhr angehalten. Sollte auch die Verlängerung zu keinem Sieger führen, wird zur Entscheidung ein Fünf-Meter-Werfen angehängt.

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