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Serie Wasserspiele: Törns für den kleinen Geldbeutel

Maike Wendt an Bord des Vereinsbootes der Bremer Segelfreunde. Sie ist nach Lesumbrok gewechselt, weil sie hier auch ohne eigenes Boot segeln kann. Foto: Christian Kosak

Maike Wendt ist erst vor Kurzem Mitglied im Verein Bremer Segelfreunde in Lesumbrok geworden. „Ich bin wegen des Vereinsschiffs hierher gewechselt", sagt sie. Das Vereinsschiff ist ein Segelboot, zehn Meter lang und verfügbar für jeden, der Vereinsmitglied ist. Es liegt am Anleger der Segelfreunde, der sich versteckt, am Ende eines unscheinbaren Weges, hinter einem Gebüsch befindet.

Maike Wendt segelt seit Kindertagen. Mit acht Jahren hat sie beim Wassersportverein Hemelingen angefangen, mit 16 Jahren bereits alle Segelscheine gemacht, eines Tages dann aber die Lust verloren. Mittlerweile hat sie ihren Weg zurückgefunden und im vergangenen Winter erneut einen Kurs für einen Segelschein besucht. Die Prüfung musste sie am Ende allerdings nicht ablegen, weil die Scheine nicht ablaufen können. „Ich wollte mein Wissen trotzdem noch einmal auffrischen, das gibt mir Sicherheit", erklärt sie. Das Vereinsboot habe sie aus verschiedenen Gründen angezogen, Mitglied im Wassersportverein Hemelingen ist sie aber weiterhin.

„Verboo", so der Name des Vereinsbootes, liegt von April bis September in der Lesum, im Winter wird es in einer Halle untergebracht. „Ende September gibt es einen Arbeitseinsatz für alle Vereinsmitglieder. Dabei wird der Anleger aus dem Wasser geholt und alles winterfest gemacht", sagt Norbert Drücker. Er ist seit 56 Jahren Vereinsmitglied, sein Vater sogar einer der Gründer. Er selbst hatte sein Boot lange Zeit in Lesumbrok liegen, ist aber mittlerweile an einen anderen Liegeplatz bei Cuxhaven gezogen. „Dort ist der Weg zum Meer kürzer", weiß er.

Dass er ein Segler ist, ist auf den ersten Blick erkennbar. Eigentlich ist es beiden Segelfreunden anzusehen, obwohl es den typischen Segler nicht gebe, wie sie beteuern. Drücker trägt seine Segelschuhe, die eine gummierte Sohle ohne tiefes Profil haben. „Damit rutscht man nicht, wenn das Boot nass ist", sagt er. Wendt ist in maritimen Farben gekleidet, blau und weiß, um den Hals trägt sie eine Kette mit einem Anker daran. Sie wirken so, als gehörten sie an Bord des Schiffes, welches am Anleger in der Sonne liegt und mit den Wellen schaukelt.

Worin der Reiz des Segelns liege? „In der Freiheit", meint Drücker, „und in der Nähe zur Natur". Er zeigt auf seinem Handy Fotos von verschiedenen Törns. Törn, so wird die Fahrt mit einem Segelboot genannt. „Hier sind sogar Delfine", lässt er wissen. Die Tiere seien sehr neugierig. Sobald ein Schiff übers Meer fahre, springen sie an der Reling hoch und begleiteten es. „Der schönste Moment ist der, in dem der Motor abgestellt wird und es einfach nur ruhig ist", sagt Maike Wendt. Einen Motor habe jedes Segelschiff, ihn brauche man, um die Segel setzen zu können.

Sie und ihr Freund werden in wenigen Tagen auf einen Segeltörn nach Helgoland starten. Das Boot ist schon bereit für die Reise. Unter Deck sind die Betten gerichtet, die Küche ist ohnehin ausgestattet. Wie in einem Wohnmobil sieht es aus, mit Schlafkoje, Küchenzeile und Bad. Sogar einen Fernseher gibt es. Ein Zuhause mitten auf dem Wasser. Dass der Reiz des Sportes in der individuellen Freiheit liegt, ist leicht vorstellbar.

Auf das Boot führt eine Leiter, die diesen Namen eigentlich nicht verdient hat. Vielmehr ist es ein Fender, also ein mit Luft gefüllter Schutzkörper zwischen Boot und Steg, der mit Sprossen versehen ist und unter dem Gewicht des Leichtmatrosen nachgibt. An Bord angekommen, ist es wackelig. „Immer mit einer Hand festhalten", empfiehlt Drücker. Nichts lieber als das! Das Schiff schaukelt ohnehin, und wenn andere Boote am Anleger vorbeifahren, wird dieses Schaukeln noch stärker. Das Segelboot passt sich den Wellenbewegungen an.

„Das ist gar nichts", meint Wendt. Sie berichtet davon, dass sich das Boot auf hoher See wie eine Schiffschaukel verhalten kann. „Dann sitzt man auf seinem Platz auf der Bank und weiß, dass man nicht wieder an diesen Platz kommen wird, wenn man jetzt aufs Klo geht", sagt sie. Dafür sei das Schiff dann zu schief und zu steil. Umkippen könne das Gefährt allerdings nicht. Auch in dieser Dynamik liege der Reiz. „Das Schiff muss aber nicht schaukeln, damit es Spaß macht", so Drücker.

Allein bei dem Gedanken an das Schaukeln könnten Landratten mit leichten Mägen seekrank werden. „Man muss sich an die Bewegung des Bootes gewöhnen. Ich kenne einen Segler, der die ersten drei Tage jedes Törns seekrank ist", erzählt Drücker. Grund für die Seekrankheit: der Gleichgewichtssinn. „Es gibt Tabletten, Pflaster und Armbänder, die gegen die Krankheit helfen", so Drücker. Das Wichtigste sei aber die Gewöhnung an das Eigenleben des Bootes. „Vertrauen ist wichtig. Seekrankheit hat ihren Ursprung im Kopf", sagt Drücker. Was helfe: In die Ferne sehen.

Seekrankheit hat Maike Wendt nicht. Das Boot, mit dem sie auf Tour gehen wird, gehört ihrem Partner. Sie selbst hat ihre Jolle verkauft, als ihre Kinder geboren wurden. Als Jolle werden kleine Segelboote bezeichnet. Oft nutze Wendt aber die Möglichkeit, mit dem Vereinsschiff zu segeln.

„Das Gute ist, dass man sich mit verschiedenen Crews absprechen kann", sagt sie. So sei sie in diesem Jahr von der Ostsee zurückgesegelt. Eine andere Crew habe „Verboo" dorthin gefahren und sei dann ohne Boot zurück nach Bremen gekommen. Gekauft wurde das rund zehn Meter lange Vereinsschiff vom früheren ersten Vorsitzenden, finanziert wird es durch Mitgliedsbeiträge und Leihgebühren. Aktuell schippert es durch die Nordsee. „Ich habe bei AIS gesehen, dass sie gerade bei Wangerooge sind", berichtet Drücker. AIS ist ein Navigations- und Funksystem, das die Positionen verschiedener Schiffe mitteilt.

Das Vereinsschiff „Verboo" kann von allen Mitgliedern gemietet werden. Um Segelfreund zu werden, braucht man keinen Segelschein - um sich als Skipper zu profilieren, allerdings schon. „Der Skipper ist der, der an Bord die Verantwortung trägt", erläutert Norbert Drücker. Die Idee des Vereinsschiffes sei es, Wissen weiterzugeben und das Gefühl, eine Mannschaft zu sein, zu vermitteln. „Ein Schiff frisst Geld und Zeit", sagt Wendt, „mit dem Vereinsschiff können Menschen segeln, die sich kein eigenes Boot leisten können." So kann sich jedes Vereinsmitglied den Wunsch nach individueller Freiheit und der Nähe zur Natur erfüllen.


Zur Sache

Technik für Segler

AIS heißt die Technik, die das Segeln in den vergangenen 20 Jahren einfacher und sicherer gemacht hat. Die Abkürzung steht für Automatisches Identifikationssystem. Es handelt sich dabei um ein Funksystem, das die Navigations- und Schiffsdaten an andere Empfänger weitergibt. „Früher musste man sich auf sein Gefühl verlassen", sagt Norbert Drücker von den Bremer Segelfreunden. Gerade bei viel Verkehr oder auch bei Nebel unterstütze das neue System die Hobbyskipper ungemein.

Mittlerweile ist AIS ein verbindlicher Standard auf Schiffen geworden. Um die Daten auswerten zu können, müssen diese außerdem mit einem Display ausgestattet sein. Das Format dieses Displays ist nicht vorgegeben. Gefunkt werden Daten wie der Schiffsname, der Schiffstyp und die Schiffsgröße, aber auch, ob das Schiff in Bewegung ist oder vor Anker liegt und ob es sich um ein motorbetriebenes Gefährt oder ein Segelboot handelt.

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