Ramona Seitz

Freiburg im Breisgau ; Mwanza, Tanzania

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Artikel

Ein fataler Aberglaube in Tansania (Deadly Superstition in Tanzania)

This article "Deadly Superstition in Tanzania" was published on June 13th (= International Albinism Awareness Day) in the year 2016. The article introduces to the readers the challenges, stigma and threat of attacks which persons with albinism in - at that time - 25 countries in Africa had to endure, as a criminal network of witch doctors, body parts hunters and financiers had kept their business roling.

Note by: In the meantime the living conditions and security for persons with albinism in Tanzania have started improving - which can NOT be said for many other countries among those 29 countries from where reports about attacks on persons with albinism have been recorded. 


Despite all, in Tanzania, the situation is improving quickly. This can be seen as the result of a joint effort of activists, NGOs, religious leaders, artists and government. 

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Von Ramona Seitz, Isaya Ngwijo und Isack Asfao 
WÜRZBURG/MWANZA

12. Juni 2016, 18:10 Uhr
Aktualisiert am: 15. Juni 2016, 03:28 Uhr


WÜRZBURG/MWANZA

Ein fataler Aberglaube in Tansania

Der 13. Juni ist der Internationale Tag des Albinismus. Wie ist das Leben von Menschen mit Albinismus in Mwanza, Würzburgs Partnerstadt in Tansania?


Eine Kamera in einem Ring. So etwas hatten die Kinder der Viktoria Schule in Mwanza noch nie gesehen. Der Filmemacher Martin Naujocks aus Deutschland, der eine Dokumentation über Mwanza dreht, erklärt den Kindern seine Technik. Der siebenjährige Ben und seine Mitschüler hören und schauen aufmerksam zu.


Optisch fällt Ben auf. Er hat weiße Haut und helle Haare. Seinem Körper fehlen Farbpigmente, er produziert kein oder nur wenig Melanin. Ben hat Albinismus. Während in Europa eine Person von 20 000 Albinismus hat, ist das Verhältnis in Tansania 1 zu 1400.

Wie gefährlich es für die vielen Menschen mit Albinismus in Tansania sein kann, ist dem Erstklässler bewusst: „Ich weiß, dass ich Albino bin und ich weiß auch, dass es Menschen gibt, die mich jagen“, habe er auf einer Zugfahrt einst Mitreisenden erzählt, berichtet sein Onkel James Ndali.


Rund um Mwanza vertrauen etliche Menschen den Witch Doctors (in etwa: Hexendoktoren) und die predigen einen fatalen Aberglauben über Albinos. Vor allem Fischer und Minenarbeiter glauben, „wenn du diese Menschen tötest, wirst du reich“, sagt Charles Amani vom Umweltamt der Stadt Mwanza. Perpetua Senkoro, Anwältin der Organisation „Under the Same Sun“ und selbst Albino, beschreibt den Aberglauben:


„Die Fischer machen aus den Haaren ein Pulver und streuen es auf den See. Sie glauben, das führt zu einem besonders großen Fischfang.“ Die Minenarbeiter in der Region Mwanza würden glauben, dass das Bein eines Albinos ein guter Metalldetektor sei. Senkoro fügt hinzu, dass in diesem Aberglauben Menschen mit Albinismus nicht als Menschen gelten, sondern als Verfluchte oder als Geister. „Wer, von diesem Aberglauben überzeugt, einem Menschen mit Albinismus ein Körperteil abhackt, der glaubt, keinen Menschen, sondern ein Tier verstümmelt zu haben“, so Senkoro.


Die Arme und Hände von Albinos wollten Politiker, denn „mit einem Albinofinger kann man auf etwas zeigen, etwas herbeirufen“, so Senkoro. Vor Wahlen, wenn um Wählerstimmen gekämpft wird, haben in der Vergangenheit die Attacken zugenommen. Nicht so im Wahljahr 2015 in Mwanza, wie Charles Amani und Perpetua Senkoro übereinstimmend berichten. Es scheint, als seien sie erfolgreich, die Aufklärungskampagnen, die seit 2008 durchgeführt werden. Amani fügt jedoch einschränkend hinzu: „Es ist sehr schwer, manche Leute zu überzeugen.


Das Problem ist noch nicht gelöst.“ Der fatale Aberglaube scheint sogar viel weiter verbreitet zu sein als bis vor kurzem bekannt. Perpetua Senkoro berichtet, dass ihrer Organisation „Under the Same Sun“ zunehmend mehr Attacken gegen Menschen mit Albinismus gemeldet würden und zwar „aus 25 afrikanischen Ländern, von Ägypten bis Südafrika“. Aktuell sei die Situation beispielsweise in Malawi ähnlich schlimm wie im Jahr 2008 in Tansania. „Doch die Anstrengungen, die es nun in Malawi gibt“, fordert Senkoro, „sollten in ganz Afrika unternommen werden“.


Für Senkoro beginnt diese Aufklärung beim Begriff: „Viele Leute, die das Wort ,Albino‘ nutzen, tun das nicht mit guten Absichten“. Sie fügt hinzu: „Wir bevorzugen die Bezeichnung ,Mensch mit Albinismus‘, da sie zuerst Menschen sind“.


Wie sicher ist es für diese Menschen in Mwanza? Während Amani sagt, es sei für Menschen mit Albinismus im Unterschied zu ländlichen Gebieten in der Stadt Mwanza „sehr sicher“, widerspricht Senkoro: „Es ist erst dann ganz sicher, wenn der Aberglaube verschwunden ist.“ Die Zahl der Attacken sei zurückgegangen, aber „so lange die Menschen noch an den Aberglauben glauben, sind Menschen mit Albinismus in Mwanza nicht sicher“.

So denken auch Bens Erziehungsberechtigte. Wenn der Junge mit Freunden draußen spielt, haben sein Onkel und seine Tante, die Ben nach dem Tod seiner Mutter aufgenommen haben, stets ein Auge auf ihn. „Wir sind immer vorsichtig. Alle fünf Minuten schauen wir nach draußen“, berichtet James Ndali. Ben dürfe nur nahe am Haus spielen und das Tor sei immer geschlossen.


Auch um seine Gesundheit sind die beiden besorgt. In den zwei Jahren, die er nun bei ihnen lebt, sei zwar sein Allgemeinzustand besser geworden. Aber „die Sonne schädigt seine Haut, und auch seine Augen lassen nach“, so James Ndali. Das habe Auswirkungen auf Bens schulische Leistungen, der eigentlich ein guter Schüler ist. Wenn er liest, müsse er das Buch nah vors Gesicht halten. Das Fazit des Onkels: „Er braucht eine Brille“.

Für Ben ist Schule und Lesen in diesen Tagen weit weg. „Seit Mittwoch, 8. Juni, sind Ferien“, verkündet er „und wir spielen den ganzen Tag“. Seine Tante ergänzt: „Manchmal, wenn sie spielen, nimmt er eine Kiwi und malt sich sein Gesicht damit an. Er möchte schwarz wie die anderen Kinder sein.“



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About the article, SUMMARY:

This article "Deadly Superstition in Tanzania" was published on June 13th (= International Albinism Awareness Day) in the year 2016. The article introduces to the readers the challenges, stigma and threat of attacks which persons with albinism in - at that time - 25 countries in Africa have to endure, as a criminal network of witch doctiors, body parts hunters and financiers had kept their business roling.

Note by: In the meantime the living conditions and security for persons with albinism in Tanzania have started improving - which cannot be said for many other countries among those 29 countries from where reports about attacks on persons with albinism have been recorded.
Yet, in Tanzania, the situation is improving, This can be seen as the result of a joint effort by activists, NGOs, religious leaders, artists and government.