Ein Interview das ZEIT ONLINE mit mir geführt hat.
Wie in der Serie "Mad Men"? Die Werbebranche lässt in der Realität kaum Kreativität zu, sagt der Ex-Werber Ralph Stieber. Trotzdem sei kaum ein Job so komisch und schön.
Sie sind nach acht Jahren aus der Werbebranche ausgestiegen. Ihre Gesundheit und Motivation waren auf dem Nullpunkt. Was war derart unerträglich?
Ralph Stieber: Das Unerträglichste ist, dass die Kreativbranche alles andere als kreativ ist: In den größeren Agenturen geht es ungefähr so kreativ zu wie bei einer Versicherungsagentur. Viele denken, der Joballtag in der Werbung wäre wie in der Serie Mad Men. Aber solche Zeiten, wenn es sie je gab, sind lange vorbei. Das Motto lautet vielmehr: Der Kunde ist König. Der Creative Director bückt sich vor der Chefetage und die Chefetage vor dem Kunden. Was der Kunde will, wird gemacht. Er bringt die Kohle. Das Problem dabei ist nur: Der Kunde weiß nicht, was er will. So werden gute Ideen kastriert, verstümmelt, und übrig bleibt das, was wir jeden Tag da draußen zu sehen bekommen.
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Wie gelingt gute Personalführung, was zeichnet einen fairen Chef aus, wie löst man Konflikte mit Mitarbeitern und was macht Führungskräfte erfolgreich?
Jede Woche spricht die Journalistin und Unternehmerin Sabine Hockling in der Serie Chefsache mit Managementexperten über Führungsfragen. Alle Folgen gibt es hier.
ZEIT ONLINE: Gab es ein Ereignis, das das Fass zum Überlaufen brachte?
Stieber: Wir hatten einen großen Pitch gewonnen. Als Dank für die unbezahlten Nacht- und Wochenendschichten gab es eine Rundmail mit einem "Danke" - was nach diesem Engagement echt ein Witz war. In der Werbebranche sind unbezahlte Überstunden für Pitches, Nacht- und Wochenendschichten völlig normal. Offiziell existieren Überstunden nicht. Aber für Betroffene sind sie spätestens dann verdammt real, wenn sie merken, dass sie zu einem ausgelaugten, gestressten und immer nervöseren Zombie geworden sind.
Und auch wenn ich heute über die vielen tragisch-komischen Momente lachen kann, habe ich damals sehr darunter gelitten, dass ich keine Freizeit und keinen Spaß mehr hatte. Während ich nämlich am Wochenende im Büro saß und mir Konzepte für eine Intimwaschlotion ausdachte, fand draußen das Leben statt.
Sabine HocklingSabine Hockling war lange selbst Führungskraft in verschiedenen Medienhäusern. Mit Ulf Weigelt schrieb sie den Ratgeber Arbeitsrecht. Seit 2011 ist sie Autorin der Serie Chefsache. Jede Woche spricht sie mit Managementexperten über Führungsfragen. Hockling bloggt mit Tina Groll unter diechefin.net, das Blog für Führungsfrauen, über Frauen und Karriere.
ZEIT ONLINE: Haben Sie nicht mit Ihren Chefs gesprochen?
Ralph StieberRalph Stieber stieg nach acht Jahren aus der Werbebranche aus und hat seine Erlebnisse in dem Buch 111 Gründe, seinen Chef zu hassen festgehalten. Heute arbeitet er als freier Autor, Drehbuchautor und Texter.
Stieber: Doch, für eine echte Auseinandersetzung hält sich die Werbebranche für zu wichtig. Die einzige Möglichkeit, mich mit meinen Chefs auseinanderzusetzen, war, mich darüber lustig zu machen und dieses Buch zu schreiben.
ZEIT ONLINE: Sie haben das Buch 111 Gründe, seinen Chef zu hassen verfasst. Warum?
Stieber: Ich musste mich satirisch mit meinen Erlebnissen in der Werbebranche auseinandersetzen. Mit dem zeitlichen Abstand auf meine Arbeitswelt zu schauen und einmal alles rauszulassen, tat unheimlich gut. Ich hoffe, den Lesern geht es genauso.
Ich habe für mein Buch allerdings nicht nur meine Erfahrungen verarbeitet, sondern auch die von Freunden, Kollegen und Bekannten. Bei einem Bier hatte jeder witzige, skandalöse und bitterböse Geschichten auf Lager - alle hatten verdammt gute Gründe, ihren Chef zu hassen.