Ralph Diermann

Freier Energiejournalist, München

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Angriff der Photovoltaik-Guerilleros

Ursprünglich stand hinter der Photovoltaik mal eine Vision: Alle Bürger sollen die Möglichkeit haben, sich selbst mit Strom zu versorgen. Dumm nur, dass man dazu ein eigenes Dach braucht. Deshalb bleibt die solare Selbstversorgung heute meist denen vorbehalten, die sich ein Eigenheim leisten können.

Einige Unternehmen wollen das jetzt ändern. Sie haben Solarsysteme auf den Markt gebracht, mit denen auch Mieter ihren eigenen Sonnenstrom produzieren können - sogar, wenn sie in einer Wohnung leben. Von "Guerilla-Photovoltaik" ist in der Solarbranche die Rede: Die Anlagen sind klein, flexibel - und sie machen es möglich, den Stromkonzernen ein Schnippchen zu schlagen.

Die kleinen Kraftwerke bestehen aus bis zu sechs Modulen, einem Wechselrichter und auf Wunsch auch einem Batteriespeicher. Sie werden einfach über eine ganz normale Steckdose ins Stromnetz der Haushalte eingeklinkt. Die Bewohner verbrauchen die Solarenergie dann direkt vor Ort und senken damit ihre Stromrechnung.

An sonnigen Tagen reicht ein Modul für den Kühlschrank

Die Module, so werben Hersteller wie Sun Invention oder GP Joule, lassen sich überall dort anbringen, wo gerade Platz ist: auf der Terrasse, im Garten oder sogar am Balkongeländer. Und wenn ein Umzug ansteht, können sie mit wenigen Handgriffen abgebaut und in der neuen Wohnung wieder aufgebaut werden. Eine Genehmigung durch den Energieversorger oder den örtlichen Netzbetreiber ist dafür nicht notwendig, erklärt Sun-Invention-Manager Toralf Nitsch: "Es reicht aus, die Anlage vor Inbetriebnahme beim zuständigen Versorger oder Netzbetreiber anzuzeigen."

Bei strahlendem Sonnenschein kommen die Systeme auf eine Leistung von 150 bis 200 Watt pro Modul. In vielen Haushalten genügt schon ein Modul, um - zumindest an sonnigen Tagen - ausreichend Strom für den Kühlschrank und den Standby-Betrieb der Elektrogeräte zu erzeugen.

Auf lange Sicht können sich die "Do it yourself"-Systeme durchaus rentieren. Anlagen mit einem Modul sind schon für rund 500 Euro zu haben. An guten Standorten liefern sie im Durchschnitt 180 Kilowattstunden Strom im Jahr. Auf diese Weise sparen die Haushalte etwa 50 Euro an Energiekosten. Die Investition rechnet sich also nach zehn Jahren, mit steigenden Strompreisen auch schneller.

Gegen die Norm, aber nicht verboten

Eine charmantes Konzept - das allerdings nach Meinung des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) nicht ohne Risiko ist. Wenn die Anlagen die Energie über die Steckdosen direkt in das Hausnetz einspeisen, könne es unter Umständen zu Überlastungen der Stromkreise und in der Folge zu Bränden kommen, warnt der Verband. Denn die Sicherungen seien nicht in der Lage, den eingespeisten Strom zu erkennen und ordnungsgemäß darauf zu reagieren.

Das bayerische Wirtschaftsministerium sieht beim Einspeisen von Strom über die Steckdose sogar "Gefahren für Leib und Leben". Der Betrieb solcher Anlagen verstoße gegen die Sicherheitsnorm des VDE und sei daher unzulässig, erklärt das Ministerium. Verboten sind sie damit jedoch nicht, da die VDE-Norm keine unmittelbare gesetzliche Wirkung hat - die Kunden bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone.

Nach Meinung von Toralf Nitsch sind die Warnungen unberechtigt. "Es ist aus technischer Sicht völlig unmöglich, dass es zu Kabelbränden kommt, wenn die Anlage ordnungsgemäß betrieben wird", erklärt der Sun-Invention-Manager. Bei maximal sechs Modulen sei die eingespeiste Leistung so gering, dass eine Überlastung ausgeschlossen ist. "Jeder Toaster, jeder Wasserkocher belastet die Leitungen stärker", sagt Nitsch.

Installation nur mit Elektroinstallateur

Hermann Laukamp vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme hält zumindest kleine Anlagen dieser Art mit bis zu 250 Watt Leistung im Prinzip für sicher, sofern sie den technischen Standards entsprechen - selbst wenn ihr Betrieb nicht mit der VDE-Sicherheitsnorm konform ist. "Wenn eine Anlage über die Steckdose mit dem Stromkreis verbunden wird, ist das kein großes Problem. Ein Risiko entsteht erst dann, wenn dort eine zweite und dritte oder noch mehr Anlagen angeschlossen werden, womöglich noch über eine Steckdosenleiste", sagt Laukamp.

Wer sich für ein solches System interessiert, sollte eine Fachkraft hinzuziehen, rät der Wissenschaftler. "Ein Elektroinstallateur kann beurteilen, ob sich die Anlagen sicher betreiben lassen."

Ohnehin ist das mit der Sicherheitsnorm so eine Sache: In allen anderen europäischen Ländern enthält sie einen Passus, nach dem der Anschluss von Stromerzeugern an die Stromkreise der Haushalte unter gewissen Bedingungen zulässig ist - nur in Deutschland gilt diese Bestimmung nicht. Nitsch ist überzeugt: "Der deutsche Sonderweg ist ein Erfolg einer politischen Lobby, die diese Form der Eigenerzeugung verhindern will, um ihre Marktposition zu sichern."

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