Es ist dieser Tage sehr einfach, Elon Musk nicht zu mögen. Er will Twitter kaufen und unter Umständen Donald Trump zurück auf die Plattform holen. Und nun hat er auch noch angedeutet, dass er selbst wahrscheinlich bei der nächsten US-Wahl nicht wie bisher die Demokraten, sondern die Republikaner wählen wird. Völlig bewusst gesetzte Provokationen - die natürlich auch die entsprechenden empörten Reaktionen bei demokratisch gesinnteren US-Liberalen und europäischen Medien hervorriefen, in deren Abneigung sich der selbsternannte "Free-Speech-Absolutist" Musk dann wiederum sonnen konnte.
Chinesische "Superapp" als Vorbild
Natürlich kann man einen Multi-Milliardär blöd finden, weil er eventuell gedenkt, die "falsche" Partei zu wählen. Aber im Schatten vom Musks Trollereien und der Flut seiner Tweets mit Memes, deren Humor selbst 14-jährigen Pubertierenden zu kindisch wäre, ging eine Sache in den vergangenen Tagen fast unter: Als Gast eines Podcasts durfte Musk in der vergangenen Woche skizzieren, wohin die Reise von Twitter und anderen Plattformen seiner Meinung nach eigentlich gehen sollte. Und diese Pläne waren wesentlich tiefgreifender, als eine angedeutete Stimme für die Republikaner: Ausgerechnet der vermeintlich libertäre Mister Meinungsfreiheit blickt bei der Suche nach den Plattformen und Apps der Zukunft nach China.
Genauer gesagt zu WeChat, der chinesischen "Superapp", mit der sich alles von Chatnachrichten, Bustickets bis hin zum jeder Art von Zahlung bewerkstelligen lässt. Wer heutzutage in einer chinesischen Großstadt lebt, kommt ohne WeChat nur mühsam zurande - und natürlich gibt die App sämtliche Ortsdaten, Bezahlvorgänge und Kontakte direkt an die chinesische Regierung weiter. Für Musk scheint diese Art von Totalüberwachung durch eine einzige, allumfassende App ein echter Traum zu sein: "Wenn man in China ist, ist man mehr oder weniger auf WeChat angewiesen, es erledigt einfach alles! Es ist ein bisschen wie Twitter plus Paypal, und vieles mehr", schwärmt Musk, "alles in einem einzigen, tollen Interface. Eine wirklich exzellente App!" Außerhalb von China habe sich noch keine solche Superapp etabliert, eventuell könne Twitter in Zukunft genau diese Lücke ausfüllen, vielleicht auch eine ganz neue App, meint Musk. "Das muss auf irgendeine Art passieren", sagte er.