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Unternehmensführung: Der Dinosaurierchef ist am Ende

Er war schon länger angezählt: Der unantastbare Chef, möglicherweise auch die Chefin, das hier zu behandelnde Subjekt ist aber dann meist doch eher ein Mann. Und zwar so einer, den man als letzten im Haus noch siezen musste, bei Redebedarf vier Wochen auf einen Termin wartete, sich aber gleichzeitig nie sicher sein konnte, dass er nicht urplötzlich im eigenen Büro auftauchen würde.

Er, der mit nur einem Blick die gefühlte Kündigung vermitteln konnte. Der einen mit genau diesem Blick malträtierte, wenn man das Meeting drei Minuten zu spät betrat, aber selbst selten pünktlich war. Weil er ja eigentlich stets Wichtigeres zu tun hatte, als sein Büro mit dem absurd überdimensionierten Schreibtisch für die von ihm selbst einberufenen Audienzen zu verlassen, um dort dann auch noch Gedöns wie Frauenquoten oder Homeoffice-Anliegen wegdiskutieren zu müssen.

Natürlich ist dieser klassisch autoritäre Chef bereits ansatzweise durch eine neue Generation infrage gestellt: Start-up-Gründer sind nicht mehr Chef, sondern entweder Head-of-Irgendwas oder Leader, wobei hier der Anglizismus ausnahmsweise mal angenehmer als das deutsche Pendant ist. Und sie bestehen darauf, dass man sie doch bitte einfach Jay nennen soll, anstatt zu siezen (sie heißen eigentlich Joachim). Sie laden abends zum casual Barbecue oder Tischtennismatch ein und tun auch sonst so ziemlich alles, um die eigene Machtposition bestmöglich durch Kumpelei zu kaschieren, also zumindest bis zur nächsten Gehaltsverhandlung. Tatsächlich blieb die faktische Hierarchie aber unangetastet, egal ob beim Kleinversicherer in Biberach oder der ökologischen Sextoy-Company in Kreuzberg. Denn auch Jay konnte recht ungemütlich werden, wenn es am Ende des Monats dann doch nicht ganz hinhaut mit den goals.

Seit ein paar Wochen ist das anders. In der Corona-Krise ist gerade oft die Rede von einer autoritären Bedrohung, der Gefahr einer undemokratischen Technokratie im Namen der Gesundheit. Dagegen ist es in der Büroarbeitswelt eher die Autorität selbst, die ins Straucheln gerät: Das Corona-Brennglas, das bei allen zerstörerischen, schrecklichen Konsequenzen einer Pandemie eben auch sämtliche Routinen und Strukturen auf den Prüfstand stellt, entlarvt den Chef als Scheinriesen, beraubt ihn seiner Macht.


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