Das Clubmusik-Projekt "Floating Points" spart sich auf "Crush" ein Statement zur Zeit - und ist gerade deshalb eins.
Was die Rezeption von Kultur betrifft, leben wir seit spätestens 2016 im "In Zeiten von"-Zeitalter. Jede Kunst wird auf ihr Verhältnis zum Zeitgeschehen abgeklopft: Wo steht der Künstler "in Zeiten von Brexit und Trump"? Auf welcher Seite der gesellschaftlichen Spaltung? Kann man noch ein Album machen, ohne sich darin in irgendeiner Form zum Rechtsruck zu verhalten? Diese Fragen sind nicht unberechtigt, die Auseinandersetzung mit ihnen bringt durchaus großartige Dinge hervor - und natürlich ist Kunst immer in ihrem gesellschaftlichen Kontext zu sehen. Seltsame Blüten treibt dieser Anspruch allerdings dann, wenn er selbst unreflektierteste Befindlichkeitsrocker zu ihrem "bisher politischsten Album" hinreißt, auf dem sie dann mit Signalwörtern aus der liberalen Wühlkiste um sich werfen, affirmativ beklatscht vom eigenen Publikum.
Der Brite Floating Points, mit bürgerlichem Namen Sam Shepherd, ist einen anderen Weg gegangen. Er setzt sich zwar für ein zweites Brexit-Referendum ein und legt auf Demonstrationen auf, seine Tracks tragen Titel wie "Sea-Watch" und auch der Titel seines neuen Albums "Crush" bezieht sich laut eigener Aussage auf ein bedrücktes Gefühl beim Blick auf Weltlage und Brexit-Debatte. Zum Glück macht Shepherd aber keinen Befindlichkeitsrock, sondern rein instrumentale elektronische Musik, weit entfernt von Slogans. In einem Interview mit dem Online-Magazin Djmag.com beschrieb er kürzlich, wie er häufig aus dem Wohnzimmer mit dem Fernseher und den schlechten Nachrichten ins Studio im Zimmer nebenan flüchtete, in sein Refugium. Dort entstand in wenigen Wochen das neue Album.
Shepherd ist einer der Menschen, die man aufgrund ihres musikalischen Eklektizismus nicht mehr DJ, sondern "Selector" nennt, daneben ist er Produzent und Labelbetreiber, studierter Pianist und - warum auch nicht - Neurowissenschaftler mit Doktortitel. Seit seiner ersten Veröffentlichung 2008 hat der 32-Jährige so ziemlich jede Strömung der experimentellen Seite von Clubmusik mitgestaltet: Angefangen bei den Ausläufern von Dubstep und Garage, dann mit abseitigem Bass-House, auf seinem ersten Album 2015 schließlich ein Bruch mit den geraden Rhythmen in Form von Jazz und brasilianischem Tropicalismo, aufgenommen mit einem Haufen anderer Musiker. Auf Tour als Vor-Act der Band The XX war Shepherd dann wieder auf sich allein gestellt, genauer gesagt: auf eine Drummachine und einen Modularsynthesizer der Firma Buchla - die das Fundament seines neuen Albums bilden.
Zum Original