Julia Engelmann sagt, dass Dinge wahr werden, wenn man sie nur oft genug sagt. Dass sie nun auf der Bühne mit Konfetti um sich schmeißt und „ich bin glücklich, ich bin glücklich, ich bin glücklich" singt, ist also nur konsequent. Dass viele sie deshalb für extrem platt halten, nimmt sie ebenso konsequent in Kauf. Glück ist schließlich Glück, es macht keinen Unterschied zwischen platt und smart.
Die Erfolgsstory von Julia Engelmann ist eine dieser Internetzeitalter-Geschichten, die man seinen Großeltern nicht erklären kann, ohne an den Begrifflichkeiten zu verzweifeln. Einige Jahre war sie in der Poetry-Slam-Szene unterwegs. Dann, 2014, kam der Engelmann-Hype, ausgelöst durch ein Youtube-Video, für das die damals 20-Jährige den Refrain eines Remix-Charthits auf ein sechsminütiges Gedicht andickte. Thema: verpasste Chancen. Es folgten TV-Auftritte, Applaus und feuchte Augen von Jörg Pilawa und anderen Fernsehuntoten, denen durch Engelmanns „Carpe Diem"-Variationen bewusst geworden zu sein schien, dass sie ihr Leben verpasst hatten. Neben Zustimmung hagelte es Hass und Häme von Menschen, die in Engelmann eine Art billiges Millenial-Opiat sahen. Sie blieb unbeeindruckt und veröffentliche drei Bücher. Drei Jahre später gibt es auch ein Album - mit Gedichten, die sie zu Songs umarbeitete. Damit ist Engelmann nun auf Deutschlandtournee.
erschienen in: SZ am Wochenende & jetzt